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18.09.10 / Wer A sagt, muss auch B sagen / Der Netzausbau hängt dem Ausbau der erneuerbaren Energien gefährlich hinterher

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-10 vom 18. September 2010

Wer A sagt, muss auch B sagen
Der Netzausbau hängt dem Ausbau der erneuerbaren Energien gefährlich hinterher

Niemand bestreitet die Schlüsselrolle leistungsfähiger Stromnetze  für die Nutzung der erneuerbaren Energieträger. Immer mehr Industrieunternehmen bieten dafür intelligente Lösungen an, doch eine politische Weichenstellung durch die Bundesregierung lässt noch auf sich warten.

Hört Telekom-Vorstandschef René Obermann den Begriff „Smart Grid“, so sieht er schon künftige Milliardenumsätze am Horizont aufleuchten. „Intelligente Netze“, so die deutsche Übersetzung des Wirtschaftsbegriffs, sollen die Umsatzeinbrüche im Kerngeschäft des Telekomunternehmens ausgleichen. 2015 will Obermann schon eine Milliarde Euro in diesem neuen Geschäftsfeld umsetzen.

Auch IBM, Microsoft, Siemens und selbst Haushaltsgerätehersteller wie Miele sehen hier neue Verdienstmöglichkeiten. Die schlauen Stromnetze der Zukunft sollen den Strom von kleinen Kraftwerken, Windrädern oder Solaranlagen je nach aktuellem Angebot und Bedarf quer durchs Land, ja quer durch Europa, verteilen. Denn da immer mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, dieser aber nicht gleichmäßig zur Verfügung steht, schließlich weht beispielsweise der Wind nicht immer gleich, muss dieses Defizit behoben werden. Intelligente Netzlösungen, die das Zusammenspiel von Erzeugung, Speicherung, Netzmanagement und Verbrauch organisieren, sind hierfür notwendig. Und so hat die Internationale Energie-Agentur errechnet, dass bis 2030 aufgrund des weltweit steigenden Einsatzes der „Erneuerbaren“ in diesem Bereich Investitionen von mehreren Billionen Dollar zu erwarten sind.

Doch noch gibt es wenig Anzeichen, dass die Stromerzeuger diese intelligenten Netzlösungen auch nachfragen - im Gegenteil. Als man noch davon ausging, dass im Jahre 2020 etwa 20 Prozent des Stroms durch erneuerbare Energien erzeugt würde, schätzte die Deutsche Energie-Agentur, den Bedarf an neuen Stromtrassen auf 850 Kilometer. Gebaut wurde davon bisher genau ein Zehntel, und das, obwohl die deutsche Politik den Anteil der Erneuerbaren bis 2020 inzwischen auf 40 Prozent der Stromerzeugung steigern will.

Beim Netzausbau geht es nicht nur um den Ausgleich des unregelmäßigen Aufkommens an Strom aus Wind und Sonne. Hinzu kommt, dass die Standorte von Windrädern meist in dünn besiedelten Gegenden, fernab der Industriezentren liegen. So produziert Schleswig-Holstein das 2,5-fache seines eigenen Stromverbrauchs. Schon jetzt könne der mit Windkraft gewonnene Strom nicht immer ins überlastete Netz eingespeist werden, klagt Landeswirtschaftsminister Jost de Jager. Auf Dauer müsse aber gesichert werden, dass der Strom über ein gut ausgebautes Leitungsnetz auch in die Industrieregionen in Süddeutschland gelange, so de Jager.

Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) haben in den letzten Wochen immer wieder betont, dass der Netzausbau höchste Priorität habe. Doch diesen Worten sind bisher keine Taten gefolgt. Allerdings will die Bundesregierung am 28. September ihr neues Energiekonzept präsentieren, für Ende des Jahres wird eine neue Netzstudie erwartet und im Dezember wird mit acht anderen EU-Ländern über gemeinsame Lösungen beraten.

Neben politischen Entscheidungen bedarf es aber großer Summen, die die Netzbetreiber investieren müssen. Und außerdem werden Anwohner einiger Landstriche neue Überlandleitungen ertragen müssen. An sich sind zwar viele Deutsche für den Ausbau der erneuerbaren Energien, doch die Konsequenzen möchte keiner tragen. „Es wird immer schwerer werden, noch große Flächen für Windenergie an Land auszuweisen. Versuchen Sie mal, in Thüringen für Windräder zu werben. Da muss man sehen, dass man eine Fluchttür hat“, bemängelt der ehemalige Umweltminister Klaus Töpfer. Rebecca Bellano


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