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18.09.10 / Schadensersatz für Stadtwerke

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-10 vom 18. September 2010

Schadensersatz für Stadtwerke

Kurt Kuhn ist sauer auf die Bundesregierung. „Wir haben im Vertrauen auf den Atomausstieg unsere Wirtschaftlichkeitsberechnungen gemacht und investiert“, schimpft der Geschäftsführer der Stadtwerke Lübeck. Nun aber dürfen die vier großen Stromkonzerne RWE, Eon, Vattenfall und EnBW ihre Atomkraftwerke länger laufen lassen und somit auch länger den billigen Atomstrom auf den Markt werfen. Das drückt die Strompreise und erhöht das Angebot. Mit beidem haben die rund 900 Stadtwerke in Deutschland nicht gerechnet, als sie in den letzten Jahren in eigene Kraftwerke investierten.

Die Stadtwerke gelten als Gegengewicht zu den vier großen Energiekonzernen. Angesichts des im Zuge des Atomausstiegs erwartetenten Anstiegs der Strompreise investierten die Kommunen verstärkt in Biogasanlagen und andere erneuerbare Energien. Auch Kohlekraftwerke waren dabei, aber grundsätzlich setzten die Kommunen auf das, was in der Öffentlichkeit als „guter Strom“ gilt. Doch der ist in der Produktion nun einmal teurer. Sollte sich dieser teurere Strom jetzt wegen der längeren Laufzeiten schlechter verkaufen, drohen viele neue Anlage der Stadtwerke zum Verlustgeschäft zu werden. Das wiederum hat Einnahmeausfälle bei den Kommunen zur Folge, zumal die meisten Anlagen über Kredite finanziert sind und die Raten auch bei geringer Auslastung bezahlt werden müssen.

Nun drohen Vertreter der Kommunen dem Bund mit Schadensersatzklagen, sollte dieser ihnen keine Entschädigung zahlen. Selbst das Bundeskartellamt mahnt an, dass die Energiekonzerne für die Laufzeitverlängerung Kapazitäten bei fossilen Kraftwerken hätten abgeben müssen, um die Marktstrukturen zu verbessern.   Bel

 

Zeitzeugen

Renate Künast – Die Chefin der grünen Bundestagsfraktion hat bereits 2008 in einem Antrag den umfassenden Ausbau transeuropäischer Stromnetze gefordert. Doch der war – darin sind sich Kritiker einig – vor allem ein Anti-Atom-Antrag. Denn der Netzausbau war nur in einem Unterpunkt erwähnt und außerdem mit Einschränkungen versehen. So wurde vor „Netzkannibalismus“ gewarnt und gefordert, dass die Einspeisung von regenerativ erzeugtem Strom unbedingte Priorität haben müsse.

Christoph Preuß – Der Pressesprecher des regionalen Energieversorgers RheinEnergie AG mit Sitz in Köln betont die Unverzichtbarzeit inntelligenter Stromnetze für den Ausbau der erneuerbaren Energien. „Es geht im Prinzip um die Steuerbarkeit und Regulierbarkeit von Energieströmen.“ Umweltschutz ist ein Schwerpunkt von RheinEnergie.

Rainer Brüderle – „Unser klimaschutzpolitisches Ziel werden wir ohne eine technologische Revolution nicht erreichen“, warnt der Bundeswirtschaftsminister. „Wir brauchen einen Qualitätssprung bei der Energieeinsparung genauso wie einen schnellen Ausbau und eine Modernisierung der Stromnetze zur Integration der erneuerbaren Energien.“ Daher veranstaltet sein Ministerium im Oktober auch ein Treffen mit dem Titel „Dezentrale Energieversorgung − Smart Grids“ für Branchenvertreter.

Matthias Kurth – „Das Netz ist der kritische Punkt für das Gelingen der Energiewende“, betont der Präsident der Bundesnetzagentur. Er fordert von den Landes- und Kommunalbehörden, dass die Genehmigungsprozesse für den Bau von Stromleitungen deutlich beschleunigt werden.

Prof. Olav Hohmeyer – Das Mitglied des UN-Weltklimarates rechnet vor, welche Verluste ein zu schwaches Leitungsnetz in Deutschland zur Folge hat. „Mehr als der Strom für die Versorgung von 100000 Haushalten geht im Jahr verloren, weil der Netzausbau nicht stattgefunden hat.“ Viel Windstrom aus Schleswig-Holstein erreiche deswegen nicht die Verbrauchszentren im Westen und Süden des Landes.


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