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18.09.10 / Ungeliebt und abgeschoben / Nicht nur in Frankreich, sondern auch in Osteuropa, ihrer Heimat, werden die Roma bestenfalls geduldet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-10 vom 18. September 2010

Ungeliebt und abgeschoben
Nicht nur in Frankreich, sondern auch in Osteuropa, ihrer Heimat, werden die Roma bestenfalls geduldet

Rumänische Studien betonen, dass Roma-Familien trotz ihres Kinderreichtums kinderfeindlich seien, da bildungsfern und desorganisiert. Auch in der Tschechischen Republik wird beklagt, dass Roma nur nach ihren Normen lebten.

Pierre Lellouche, Staatssekretär im französischen Außenministerium, schrieb am 23. August in „Le Figaro“ Klartext über Roma: „Diese Bevölkerungsgruppen, die häufig noch nie eine Schule besucht haben, sind in den meisten Fällen Opfer von Menschenhändlern und Netzwerken, die ältere Menschen und Kinder auf unseren Straßen zum Betteln, junge Frauen zur Prostitution und Minderjährige zu Straftaten zwingen.“ Seit Jahresbeginn hat Frankreich 8300 rumänische und bulgarische Roma heimgeschickt, die als illegale Einwanderer in rund 300 „wilden“ Lagern kampiert hatten. Daheim waren sie ebenfalls nicht willkommen und nun wollen sie bei erster Gelegenheit nach Frankreich zurückkehren.

In Europa leben schätzungsweise bis zu elf Millionen Roma, davon neun Millionen in Ländern der EU. Die erlebt gerade die Halbzeit ihrer Initiative „Jahrzehnt der Roma-Integration“, die im Februar 2005 in Sofia von acht Ländern gegründet wurde. Außer Spanien sind es vor allem die osteuropäischen Länder, die Roma-Gruppen von unbekannter Größe beherbergen: Bulgarien 350000 bis 800000, Slowakei 90000 bis 380000, Tschechien 12000 bis 300000 bis zum Extremfall Rumänien mit 535000 bis 2500000.

Doch die EU-Initiative ist so wirkungslos wie ihre nationalen Pendants in Art des tschechischen „Rats für Roma-Angelegenheiten“ oder der rumänischen „Nationalen Roma-Agentur“. Dies rügte zu Recht Rudko Kawczynski, Sprecher des Europäischen Roma-Forums, der sich und sein Forum aufgrund wüster Reden und Anklagen um jeden EU-Vertrauenskredit brachte. Chefdemagoge der Gegenseite ist der Rumäne Corneliu Vadim Tudor, Führer der „Großrumänien-Partei“, der alle Roma in „Sonderkolonien“ sperren will, bevor Rumänien ein „tabara tiganeasca“ wird, ein Zigeuner-Lager.

Die Roma Osteuropas sind die einzige Volksgruppe, deren Lage sich nach den Veränderungen von 1990 verschlechtert hat. Davor waren sie „Spielmaterial“, etwa in der Tschechoslowakei, wo man sie ab 1946 im entvölkerten Sudetenland, oder unter Ceausescu, der allen Rumänen Geburtenraten wie die bei Roma verordnete. Nach der „Wende“ sind sie geflohen, erstmals Ende 1992 nach Deutschland, wo plötzlich 57446 rumänische Roma politisches Asyl begehrten. Mit einem „Repatriierungsvertrag“ wurde Bonn sie wieder los, musste sich aber aus Paris und London heftige Anklagen wegen „Deportation“ anhören. In den Jahren danach ist praktisch ganz Europa – von Spanien bis Norwegen, von Irland bis Italien – von Roma-Zuwanderungswellen heimgesucht worden, was immer in gleicher „Regie“ ablief: Abwehrmaßnamen des betroffenen EU-Landes, heuchlerische Anklagen der restlichen EU, mitunter Übergriffe wie im Mai 2008, als in Neapel das Roma-Camp „Ponticelli“ abbrannte. Freizügigkeit ist ein EU-Grundrecht, aber kein Freibrief für Roma, die die Gastfreundschaft Westeuropas länger als die konzedierten drei Monate belasten wollen. 

Die EU ist hilflos gegenüber einer Volksgruppe, deren Wesen nicht einmal die soziologische Disziplin „Tsiganologie“ definieren kann. „Roma“, welchen Volksnamen ihnen 1979 ein Kongress in der Schweiz aufoktroyierte, wollen sie nicht sein, verstehen sich als loses Ensemble von „Stämmen“: Lautari (Musikanten), Caldarari (Hufschmiede) oder Ursari (Bärenführer). Bei Volkszählungen deklarieren sie sich als Angehörige anderer Nationen, als Religion übernehmen sie den Mehrheitsglauben ihrer Umgebung, sind Katholiken in der Slowakei, Orthodoxe in Bulgarien und Muslime im Kosovo. Auch sprechen sie oft die Sprache ihrer Nachbarn, zumal ihr eigenes Idiom „Romanes“ in über 50 sich unterscheidene Mundarten zerfällt.

„Romisten“ wie die Tschechinnen Eva Davidova und Milena Hübschmannova haben es seit Jahren erklärt: Roma respektieren allein Roma-Normen und fürchten nur den Ausschluss aus dem Roma-Kollektiv. Dort haben anderweitig gültige Normen kaum Bedeutung, was die Lage der Roma und die Abneigung gegen sie erklärt. Es gibt international renommierte Wissenschaftler oder erfolgreiche Ökonomen mit Roma-Hintergrund, aber die meisten der Millionen Roma sind Analphabeten, Arbeitslose oder Bettler, deren Lebenserwartung zirka 15 Jahre unter der von Nicht-Roma liegt.

Das heiter-anarchische Image des Roma-Lebens ist ein Irrtum, speziell mit Blick auf die angebliche Liebe zu Kindern. Nach rumänischen Untersuchungen (die anderswo ähnlich ausfielen) ist dieses Leben ziemlich kinderfeindlich: desorganisierte Familien, Fehlen regelmäßiger Einkünfte, Desinteresse an Schule, primitive Nahrungs- und Wohnbedingungen, schwere Gesundheitsprobleme (Zurückbleiben, Behinderungen). Über die Hälfte der Kinder sind dort Analphabeten oder Halbanalphabeten. Mädchen werden mit etwa 13 Jahren verheiratet und haben dann mit 20 Jahren nicht selten schon fünf Kinder. Jungen und Männer, zu 80 und mehr Prozent arbeitslos, müssen vor allem Geld beschaffen, egal ob durch Lohnarbeit, Sozialunterstützung, Diebstahl oder Betrug.

Rumänische, tschechische und andere Umfragen besagen übereinstimmend, dass Roma von der Mehrheitsbevölkerung als kriminell, antizivilisatorisch und schädlich für das Image des eigenen Lands empfunden werden. Roma-Aktivisten behaupten, dahinter stehe Diskriminierung und „Anti-tsiganismus“. Das ist nicht völlig auszuschließen, aber primär steht die Gleichgültigkeit, die Roma vielfach gegen jedwede Zivilisation hegen. Das macht sie unbeliebt bei Nachbarn, aber auch bei ihresgleichen: 1995 wurde in Rumänien ermittelt, dass 24 Prozent der Roma keine Roma ausstehen können.         Wolf Oschlies


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