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18.09.10 / Brüssel im Gründungsfieber / Der neue Auswärtige Dienst, die neue Finanzaufsicht und die EU-Wirtschaftsregierung auf Personalsuche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-10 vom 18. September 2010

Brüssel im Gründungsfieber
Der neue Auswärtige Dienst, die neue Finanzaufsicht und die EU-Wirtschaftsregierung auf Personalsuche

Polen befürchten bei der Postenvergabe vernachlässigt worden zu sein. Derweil sucht EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso neue Einnahmequellen.

Zwar gilt das Papier als „Streng geheim“, trotzdem gibt es Leute, die seinen Inhalt zu kennen vermeinen. Will man dem Polnischen Institut für Internationale Beziehungen glauben, so soll das Personaltableau der EU-Außenministerin Catherine Ashton für ihren neu geschaffenen Auswärtigen Dienst (EAD) dem eines westeuropäischen Altherren-Clubs ähneln. Eigentlich sollte die Britin im September die Besetzung für die mehr als 100 Botschafterposten in aller Welt und die rund 1900 Diplomaten des EAD bekanntgeben, doch bisher wird zumindest in den deutschsprachigen Medien kein Termin vermeldet.

Ob Asthon ihre Personalentscheidungen nur noch nicht abschließend getroffen hat oder ob sie nach der Kritik aus Warschau ihren Personalentwurf überarbeitet, ist nicht bekannt. Sollten die Polen aber Recht haben, dass nur 36 der 1900 EU-Diplomaten aus Polen stammen sollten, obwohl dem Land vom Verhältnis der Einwohnerzahl über 100 zustehen, hat sie gegen die interne EU-Richtlinie verstoßen, nach der Posten immer einigermaßen gleichmäßig unter den Mitgliedsländern aufgeteilt werden.

Dass dieser Aspekt ein sehr wichtiger ist, hat sich erst vor kurzem bei der Einrichtung der EU-Finanzaufsicht gezeigt. So wurden Großbritannien und Deutschland, die sich massiv gegen eine EU-Finanzaufsicht gewehrt hatten, damit getröstet, dass es statt einer großen Superbehörde, drei Teil-Behörden geben soll. Die Standorte von zweien dieser neu zu schaffenden Behörden sollen London (Bankenaufsicht) und Frankfurt am Main (Versicherungsaufsicht) sein. Die Börsenaufsicht soll ihren Standort in Paris haben. Außerdem darf sich Deutschland zusätzlich darüber freuen, dass vermutlich auch der neu zu schaffende Weisenrat zur Früherkennung von Risiken im Finanzsektor nach Frankfurt am Main kommt.

Da ist es verständlich, wenn in Osteuropa Unmut aufkommt, sollten nur zwei von 115 EU-Botschaftern aus dem Osten kommen. So soll angeblich ein Ungar nach Norwegen und ein Litauer nach Afghanistan. Ansonsten sollen angeblich 90 Prozent der Diplomatenposten an Vertreter aus den 15 „alten“ EU-Staaten kommen. Das meisten sollen Männer sein, obwohl das EU-Parlament habe durchgesetzt habe, dass die Außenbeauftragte mit ihren Personalentscheidungen die Geschlechterparität und geographische Ausgewogenheit innerhalb des Dienstes sicherstellen müsse.

Und während man in Warschau hofft, noch ein paar Posten für die eigenen Landsleute durchzusetzen, echauffiert sich der CSU-Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer beim Auswärtigen Amt (AA) darüber, dass die Kenntnis der deutschen Sprache bei der Besetzung der Stellen offenbar keine Rolle spiele. In den Stellenausschreibungen für den EAD würden keine Deutschkenntnisse gefordert, obwohl das AA doch das Ziel habe, die deutsche Sprache im EAD insgesamt als privilegierte Sprache zu verankern. Da Deutschland auch mit Abstand am meisten für den neuen Diplomatendienst bezahle, so Singhammer, müsse die deutsche Sprache dort auch eine wichtige Rolle spielen. Offiziell ist Deutsch zwar schon jetzt eine der drei EU-Amtssprachen, doch nur ein Teil der Texte werde überhaupt ins Deutsche übersetzt und nur 2,8 Prozent der Ursprungstexte sei auf Deutsch verfasst, aber 72 Prozent in Englisch und immerhin 14 Prozent auf Französisch.

Welche Sprache bei der erst vor wenigen Tagen vereinbarten neuen EU-Wirtschaftsregierung gesprochen werden wird, ist zwar zu vermuten, wie viele Mitarbeiter aus welchen Ländern diese jedoch haben soll, ist noch unbekannt. Bisher wurde nur von den Finanzministern der EU-Staaten vereinbart, dass die neue EU-Wirtschaftsregierung wirtschaftliche Indikatoren wie Wettbewerbsfähigkeit, Lohnstückkosten oder Handelsbilanzen der einzelnen Länder überwachen soll. Werden zu große Abweichungen festgestellt, sollen betroffene Länder auch durch Androhung von Strafen zum Gegensteuern veranlasst werden.

Auch sollen die nationalen Haushalte stärker von Brüssel kontrolliert werden. Derzeit ist geplant, dass die jeweiligen nationalen Regierungen bereits im März eines Jahres der EU-Kommission und den anderen EU-Staaten ihre groben Haushaltsplanungen für das kommende Jahr vorstellen. Im April sollen sie ihre strategischen Vorgaben zur Wirtschaftspolitik bekanntgeben und im Juni und Juli darf die EU-Wirtschaftsregierung dann ihre Empfehlungen geben. Erst wenn all das geschehen ist, dürfe ein nationaler Haushalt dem jeweiligen nationalen Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden. Die Probleme, die derartige Arbeitsabläufe mit sich bringen werden, sind allerdings nicht zu übersehen. Schon in diesem Jahr klagte vor allem Frankreich darüber, dass Deutschland wirtschaftlich zu stark sei, da es unter anderem zu niedrige Löhne habe und außerdem zu viel exportiere. Sollte über die gemeinsame Wirtschaftsregierung derartige Kritik Beachtung finden, dann ist die europäische Wettbewerbsfähigkeit ernsthaft in Gefahr. „Und wer verhindert, dass weniger wettbewerbsfähige Volkswirtschaften die gegenseitige Überwachung von wichtigen Wirtschafts-Indikatoren nicht ausnutzen, um die Stärkeren durch die Hintertür zu schwächen“, fragt beispielsweise die „Welt“.

Da all die neuen Behörden und der laufende Betrieb der schon bestehenden viel Geld kostet und die EU auch noch den Wohlstand in Europa durch zahlreiche Fördertöpfe gleichmäßiger verteilen will, braucht Brüssel Geld. Und so spielte EU-Kommissionspräsident Barroso bei seiner Rede zur Lage der Europäischen Union Anfang September auf eine eigene EU-Steuer an. Zwar kam vor allem aus Berlin eine klare Absage, doch klare Absagen aus Berlin, so weiß man in Brüssel, haben keine große Bedeutung, wie beispielsweise das EU-Rettungspaket für Griechenland, der Euro-Rettungsschirm und die EU-Wirtschaftsregierung beweisen.            Rebecca Bellano


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