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18.09.10 / Bildung statt Ausbildung / Chaos und Ärger an Deutschlands Hochschulfront

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-10 vom 18. September 2010

Bildung statt Ausbildung
Chaos und Ärger an Deutschlands Hochschulfront

Das Wintersemester naht. Für viele junge Menschen beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Dabei hört man vom Ärger über den massiven Prüfungsstress und das „verschulte Studium“, seitdem das deutsche Hochschulsystem im Zuge des Bologna-Prozesses auf Bachelor (BA) und Master (MA) umgestellt hat. 2010 drängt die erste große Bachelor-Generation in die Arbeitswelt. Diplom und Magister, einst weltbekannte Markenzeichen „made in Germany“, begeben sich ins Grab. Mittlerweile sind etwa 80 Prozent aller Studiengänge auf das neue System umgestellt.

Dass bei der Umstellung etwas schiefgelaufen ist, beweisen jedoch nicht nur unzählige Demonstrationen. Das „Manager Magazin“ berichtet über Betriebe, die mit der Qualität ihrer BA-Absolventen alles andere als zufrieden sind. Die Beratungsgesellschaft KPMG beispielsweise will deshalb zusammen mit anderen Unternehmen einen eigenen MA-Studiengang für die aus Mangel an Alternativen eingestellten Schmalspur-Akademiker mit Bachelor-Abschluss entwickeln. Andere Unternehmen haben weniger Geduld. Ausdrück-lich werden in Stellenanzeigen MA-Absolventen oder − siehe da! − Diplomierte gesucht. Diese Erscheinungen sind umso erstaunlicher, als gerade die Wirtschaft die Bologna-Reform im Jahr 1999 begrüßt hat. Der BA sollte mit zwei bis drei Jahren Regelstudienzeit schnell gehen und praxisnah sein. Nur diejenigen, die ihr Studium theoretisch vertiefen wollten, sollten den MA anhängen.

Doch der BA biete „weniger Gelegenheit, komplexes Denken einzuüben“, klagt Burkhard Schwenker, Chef der Unternehmensberatung Roland Berger, im „Manager Magazin“. Er fordert „Bildung statt bloßer Ausbildung“.

Wenige sahen diese Entwicklung kommen, am wenigsten das Bundesbildungsministerium. Im „Hochschulpakt“ erklärte man zusammen mit der Hochschulrektorenkonferenz, den steigenden Andrang an den Unis mit mehr Geld für mehr Studienplätze zu beantworten.

Laut Umfragen des Stipendiaten-Netzwerks „e-fellows“ wollen 70 bis 80 Prozent der BA-Absolventen mit dem MA fortsetzen. Schon jetzt sorgt der Frust vieler zu kurz gekommener Bachelors für juristische Nachspiele. Da MA-Plätze, gerade an renommierten Unis, sehr rar sind, wird anhand des Notendurchschnitts massiv aussortiert. Studenten schimpfen, dass Kommilitonen aus vermeintlich leistungsschwächeren Unis aufgrund besserer Schnitte die MA-Plätze einsacken. Beispiel: Die Uni Frankfurt bekam auf 413 freie MA-Plätze in Wirtschaftswissenschaften zirka 1600 Bewerbungen.

Für nostalgische Gefühle sorgt da die Ankündigung der neun führenden Technischen Hochschulen des Landes (TU9), wieder den Titel „Diplom-Ingenieur“ zu vergeben. Die TU Dresden will sogar einen komplett neuen Diplom-Studiengang einführen. Inhaltlich wolle man aber bei der Reform bleiben: „Wir stehen zum Bologna-Prozess“, erklärt TU-Präsident Ernst Schmachtenberg von der RWTH Aachen im Internet-Portal „elektroniknet“. Zur Kultusministerkonferenz am 14. Oktober besteht viel Klärungsbedarf.              Carlo Clemens


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