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18.09.10 / Ziel der Befreiungskriege verpasst / Wieso das Elsass und Lothringen 1815 bei Frankreich blieben – Patrioten nur im »zweiten Glied«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-10 vom 18. September 2010

Ziel der Befreiungskriege verpasst
Wieso das Elsass und Lothringen 1815 bei Frankreich blieben – Patrioten nur im »zweiten Glied«

Trotz seiner katastrophalen Niederlage in den napoleonischen Kriegen gelang es Frankreich auf dem Wiener Kongresses von 1815, das Elsass und ganz Lothringen zu behalten. Doch schon damals engagierten sich Politiker in der zweiten Reihe für die Rückkehr dieser Gebiete zu Deutschland, die dann erst 1871 gelang.

Mit der Niederlage Napoleons in den Freiheitskriegen 1813/14 war die Gelegenheit entstanden, die deutschen linksrheinischen Gebiete, die Frankreich in den vergangenen zwei Jahrhunderten hauptsächlich unter König Ludwig XlV. durch Raubkriege und so genannten „Reunionen“ erobert hatte, zurückzugewinnen. Doch es kam nicht dazu.

Denn einerseits wollten die den Kongress dominierenden Gleichgewichtspolitiker nicht so weit schwächen, dass es für die aus Preußen, England, Österreich, Russland und eben Frankreich bestehende „Pentarchie“ zu schwach geworden wäre. Andererseits wollten die Alliierten die von ihnen restaurierte Königsherrschaft der Bourbonen nicht durch einen  allzu harten Frieden im eigenen Lande destabilisieren. Das ändert nichts daran, dass es bei den Alliierten im zweiten Glied durchaus Bestrebungen gab, die in den vorangegangenen Jahrhunderten von Frankreich gegen den Willen der örtlichen Bevölkerungen eroberten deutschsprachigen Gebiete zurückzugewinnen.

So versuchte der damalige bayerische Kronprinz Ludwig, der spätere König Ludwig I., nach dem Einzug der Monarchen der Siegermächte in Paris am 31. März 1814 den österreichischen Kaiser Franz I. dazu zu bewegen, sich für die Rückgabe der linksrheinischen Gebiete Elsass und Lothringen einzusetzen. Mit einem flehentlichen Appell schrieb Kronprinz Ludwig an Kaiser Franz: „ ... glüht der Wunsch in mir, Euer kaiserliche Majestät … mögen bewirken, dass Frankreich über keine Teutschen mehr herrsche, das alte deutsche Elsaß, welches durch höchst dero Vorfahren verlorengegangen, unter Euer kaiserlich-königlichen Majestät wieder erworben werde, Deutschland seine natürliche Grenze wieder erlange …“

Der Kronprinz verwies darauf, dass eines der Kriegsziele der Befreiungskriege verfehlt wäre, würde man die annektierten Gebiete bei Frankreich belassen. Aber Österreichs Staatskanzler Clemens von Metternich konnte für diese Pläne nicht gewonnen werden. Der Kaiser antwortete nur mit unverbindlichen Worten. Kronprinz Ludwig scheiterte mit seiner Forderung nicht nur an Kanzler Metternich, sondern letztlich auch an der Gleichgültigkeit der anderen deutschen Landesfürsten, denen nur die Fortdauer der Souveränität ihrer 38 Mittel- und Kleinstaaten wirklich wichtig war und die sich vor allem kaum hätten einigen können, wem diese Gebiete nach der Rückgabe hätten zufallen sollen.

Der Gedanke von Erzherzog Karl, des Siegers gegen Napoleon in der Schlacht von Aspern im Mai 1809, Bruder des letzten Kaisers Franz II. und Enkel Maria Theresias und ihres Gemahls Franz Stephan, dem letzten Herzog von Lothringen, wieder ein selbständiges Herzogtum Lothringen mit einem angegliederten Elsass zu errichten, war naheliegend. Doch dem wollte Preußen nicht zuzustimmen, weil es so wenig wie Österreich eine Machterweiterung des jeweils anderen hinnehmen wollten.

Die beiden Großstaaten waren aber auch nicht bereit, das Land einem dritten Staat, wie dem mit seiner Pfalz unmittelbar angrenzenden Bayern zu überlassen. Allerdings finden wir auch in dieser Frage wieder im zweiten Glied eine andere Meinung. So entstand dem bayerischen Kronprinzen in dem preußischen Generalfeldmarschall und Heeresreformer  August Neidhardt von Gneisenau ein Bundesgenosse, der sich in Wort und Schrift für die Vereinigung des Elsasses mit Bayern einsetzte. Aber Friedrich Wilhelm verbot seinem General unwirsch die Einmischung in die Politik und wies ihn zur Ruhe.

Erzherzog Johann notierte in seinem Tagebuch am 14. Juni 1814 resigniert: „Ich sehe Frankreich im Besitze seiner alten Provinzen, einer Vergrößerung von beinahe einer Million Menschen, keine Kontributionen, kurz nichts; ich sehe in dieser Sache bloß England, Frankreich und die Schweiz begünstigt.“ Alle Anstrengungen blieben vergebens. Deutschland hatte seine natürliche Westgrenze, die seit dem frühen Mittelalter stabile Sprachengrenze auf dem Kamm der Vogesen, die auch dem Selbstbestimmungsrecht der Völker entsprach, nicht wiedererlangt.

Eine Veränderung wäre nach der Niederlage Bonapartes wohl möglich gewesen, doch interessierten sich von den beiden deutschen Sprechern auf dem Wiener Kongress Metternich überhaupt nicht und Wilhelm von Hardenberg, der Vertreter Preußens, nur halbherzig und kraftlos. Für beide waren letztlich nur die Interessen ihrer eigenen Staaten ausschlaggebend. Österreich vereinnahmte Salzburg, Preußen Westfalen und einen großen Teil Sachsens. Mit ihrem Versäumnis haben die deutschen Großmächte eine historische Gelegenheit ungenützt gelassen. Die erst nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 noch einmal für 48 Jahre gelungene Rück-gliederung Elsass-Lothringens kam zu spät und blieb letztlich erfolglos.           Günter Springinklee/PAZ


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