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18.09.10 / Da spukt es / Wenn magische Plätze die Phantasie beflügeln

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-10 vom 18. September 2010

Da spukt es
Wenn magische Plätze die Phantasie beflügeln

Wenn man wie wir Balgaer das große Glück hatte, in diesem so malerischen Ort mit einer 750 Jahre alten Ordensburg in unmittelbarer Nachbarschaft zu wohnen, dann kann man sich gut vorstellen, dass da die Phantasie besonders angeregt wurde. Zwar stand bis 1945 nur noch eine riesige Ruine mit einem hohen wieder restaurierten Turm, aber man glaubte sich immer in die Zeit der hier lebenden Ordensritter zurück versetzen zu können. Es schallte hier heraus und knackte dort, wenn wir als Kinder in den Mauern herumstiegen und wenn die Stürme im Herbst die alten Gemäuer umbrausten, konnte man sich gut die Wilde Jagd vorstellen, die hier herumgeritten sein könnte. Ein ideales Gelände zum „Räuber und Gendarm“ spielen war es auch.

Am Abend glaubte man, die Ritter schnarchen zu hören und das wurde manchmal den Berliner Ferienkindern vorgeführt. Das schnarchende Geräusch verursachten aber die Eulen bei der Fütterung ihrer Jungen, die ihre Nester in den oberen Luken des Turmes hatten. Zusätzlich wurden unsere Gäste noch „verschichert“, wenn einer von uns mit einem weißen Laken um die Gemäuer rannte.

Im Burggraben soll es einen Hahn ohne Kopf gegeben haben, der dort zuweilen über die Büsche flog. Ich selber habe mich öfter hinter dem Haus vom Bauern Mallien angeschlichen, um den Hahn zu sehen. Aber der Burggraben lag da verwildert wie immer, nur der Wind bewegte die Gräser und Büsche. Nicht weit davon in Richtung Kahlholz lag als letztes Grundstück, das sogenannte ‚Spukhaus‘. Es war eine verfallene Hausruine, die jahrzehntelang da unberührt liegen geblieben war, eben weil es da ‚spukte‘. Ein Amtmann auf der Burg ließ das Haus 1770 für seine Frau erbauen, das dann aber vom Blitz getroffen wurde und immer mehr verfiel. Auch sollte man Klopfgeräusche hören können, und es spukte da wirklich. Niemand hatte deswegen gewagt, da nochmals zu bauen und wir machten immer einen großen Bogen um das ‚Spukhaus‘.

Nun wurde es im Winter doch recht früh dunkel, der Wind wehte durch die Fichten an der Jugendherberge und bis dahin lud uns nach dem Schlittenfahren öfter ein sehr netter Gast ein, seinen Spukgeschichten zu zuhören. Er bewohnte ein kleines Stübchen im Obergeschoss und soll ein Tierarzt aus Königsberg gewesen sein. So vier bis fünf Kinder durften auf dem Sofa sitzen. Wir deckten uns mit einer großen Decke zu, während er uns Spukgeschichten erzählte, in denen Hunde mit glühenden Augen und rasselnden Ketten vorkamen.

Der Wind heulte ums Haus und das machte alles noch spannender. Die meisten Geschichten aber gingen glücklich aus. So war er selber im Dunklen in den Keller gegangen und auf einmal mit einem Stock ins Gesicht geschlagen worden. – Er hatte auf die Borsten eines Besens getreten, so daß er den Stiel zu spüren bekam.

Wenn wir nach dieser Stunde mit den Spukgeschichten durch die Fichten nach Hause ins Dorf liefen, vermuteten wir hinter jedem Baum ein Gespenst.

Gisela Hannig


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