20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
18.09.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-10 vom 18. September 2010

Auch nicht hilfreich / Wieso sich die SPD um die Union sorgt, was Steinbach mit ihren »Fakten« anrichtet, und wo Sarrazin sein bewusstes Gen bloß hat
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Hoppla! Mittlerweile machen sich sogar die Sozialdemokraten Sorgen um das „konservative Profil“ der Union. Dem SPD-Politiker Thomas Oppermann ist die „tief empfundene Unzufriedenheit vieler Menschen“ in die Knochen gefahren. Wenn sich die „richtigen Leute“ zusammenfänden, dann könne es mit der Gründung einer neuen Rechtspartei „leider ganz schnell gehen“. Heißt: Unionler, kümmert euch gefälligst um die Konservativen, sonst passiert noch was!

Nanu? Was hat der denn? Wieso zerbricht sich so einer den Kopf der Union und gibt mütterliche Ratschläge, wie die Schwarzen ihre Scharen bei der Stange halten können?

Tut er ja gar nicht. Man muss nur einmal um die linke Ecke denken, um das rechte Gerede richtig einordnen zu können. Wie die SPD (an Linkspartei und Grüne) haben auch CDU und CSU längst ebenfalls große Teile ihrer Wählerschaft abgeben müssen. Ein Drittel sei schon weg, schätzt Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner.

Aber wo sind sie hin? Genau da liegt der Unterschied. Die abtrünnigen SPDler stehen, in neuen Parteien versammelt, als Koalitionspartner für linke Parlamentsmehrheiten immer noch Gewehr bei Fuß. Die rechten Unionsflüchtigen hingegen sind ins Nimmerland der Nichtwähler entschwunden. Doch liegen die armen Leute im politischen Wachkoma: Sie kriegen zwar alles mit und ärgern sich schwärzer als es die CSU je war. Doch politisch können sie keinen Finger rühren, weil auf dem Wahlzettel für sie nichts mehr zu finden ist. So soll es bleiben, wenn es nach Oppermann geht. Eine „neue konservative Partei“ könnte die alle aufwecken, was die linke Mehrheit, die heute aus sämtlichen Umfragen strahlt, unangenehm beeinträchtigen dürfte.

Dies kann Thomas Oppermann nicht wünschen, also macht er der Union Beine. Das fällt ihm umso leichter, als er seine christdemokratischen Pappenheimer kennt: Zurückgewinnen werden die die stillgelegten Konservativen ohnehin kaum. Aber vielleicht strengen sie sich ein biss­chen mehr an, damit die wenigstens eingefroren bleiben.

Angela Merkel wird sich alle Mühe geben, das hat sie versprochen: Sie wolle jede demokratisch legitimierte Partei „rechts von CDU und CSU“ verhindern, verkündete sie. Gleichzeitig will sie die Richtung der Partei auf keinen Fall ändern, sprich: die Konservativen sollen weiterhin Union oder gar nicht wählen.

Dafür darf man sie allerdings nicht allzu sehr reizen, weshalb der Eklat um Erika Steinbach kaum ins Konzept passt. Was war da bloß passiert? Woher die giftige Erregung in der Unionsfraktion über Steinbachs Erwähnung der polnischen Mobilmachung im März 1939? Die einfachste Erklärung: Die Damen und Herren Christdemokraten wussten einfach nichts von dem historischen Datum, weil so etwas Sperriges in den Reden, die sie von ihren Referentenzetteln ablesen, nie vorkommt. Diese Politiker sind wie ihre Redenschreiber bereits in der fortgeschrittenen „Schweigespirale“ großgeworden. Sie müssen solche Details gar nicht mehr angestrengt „unterdrücken“, weil sie (bislang) noch nie von ihnen gehört haben. Die Steinbach-Info über 1939 hielten sie daher folgerichtig für eine braune Bombe und sprangen entrüstet auf.

Als rauskam, dass Steinbach Recht hat, griff man in die Waffenkiste der Politischen Korrektheit, die die Linken der Union freundlich überlassen haben: Das Datum sei gar nicht die Frage, hieß es jetzt, sondern Steinbachs Absicht, in der sie es erwähnt habe.

Diese Technik stand unseren Vorfahren schon vor Jahrhunderten zur Verfügung: Wenn du nicht widerlegen kannst, was der Angeklagte gesagt hat, dann lege offen, von welch dunklen, teuflischen Mächten und Absichten er getrieben wird, und erledige ihn damit! Früher hieß es: Mag ja sein, dass sie das Kind geheilt hat, doch mit wessen Hilfe – also: für wen? – hat sie das wohl getan? Auf heute übersetzt lautet diese Anklageformel: Mag ja sein, dass sie die Wahrheit spricht, aber welche Absichten treiben sie dazu?

Und überhaupt: „Fakten“! Es kommt doch vor allem darauf an, ob deren Nennung hilfreich ist oder nicht. Die Erwähnung der polnischen Mobilmachung ist es jedenfalls nicht, weil sie dem Ziel der Versöhnung zuwiderläuft, lehrt man uns. Da fühlen wir uns doch gleich an die Reaktion der Kanzlerin auf Thilo Sarrazin erinnert: Er mag ja reale Probleme ansprechen, aber es sei dennoch „nicht hilfreich“, was der Mann sage und schreibe.

Staatspolitik, Versöhnung, hilfreich sein – die faktenversessenen Aufklärer zeigen sich seit jeher unwillens, sich an diesen hochmoralischen Anforderungen zu genügen. Mit all ihren „Entdeckungen“, ihren Forschungen und ihrem „sachlichen“ Gerede haben sie zu allen Zeiten nur Unheil angerichtet. Was etwa hat die Behauptung, dass die Erde eine Kugel sei, die sich um die Sonne drehe,   Schreckliches angerichtet? Auf der Scheibe herrschte Ruhe und Ordnung, jeder kannte seinen Platz. Dann kamen die Kugelleute und später die „Heliozentriker“ (Sonne statt Erde in der Mitte), und was folgte? Chaos, ja Mord und Totschlag und generationenlange Verwirrung.

War das hilfreich? Trug das zur Versöhnung bei? Nützte es der Staatspolitik? Nichts davon. Doch das war den Provokateuren egal, die kümmerten sich ja noch nie um „unsere Gesamtverantwortung“ und plapperten einfach aus, was sie herausgefunden hatten.

Erika Steinbach würde sich nie mit den skrupellosen Pionieren neuzeitlichen Denkens in einem Atemzug nennen, dafür findet sie das, was sie ausspricht, viel zu simpel. Auch geht es heute nicht mehr um Kopf und Kragen, wir sind feiner geworden. Daher soll die BdV-Präsidentin lediglich ihren Posten als Menschenrechtsbeauftragte verlieren.

Als Strafe, klar, und weil sie sich für die Stelle nun wirklich disqualifiziert hat. Menschenrechtspolitik ist nämlich eine sensible Sache, die nicht in den Händen von Leuten schmoren darf, die sich um die Belange der „Staatspolitik“ einen Dreck scheren.

Man muss immer wissen, was Vorrang hat. Daher regten wir uns vor 25 Jahren zwar lauthals über Menschenrechtsverletzungen in Chile oder Südafrika auf. Mit den Marotten der Führer in Rumänien oder der DDR gingen wir hingegen lieber „sensibel“ um, das heißt: öffentlich am besten gar nicht, um das staatspolitische Ziel der „Entspannung“ nicht zu beschädigen. Wer da querschoss, den entlarvten wir als „Kalten Krieger“. Steinbach war bestimmt ein solcher, der einfach „Unterdrückung ist Unterdrückung“ rief und dabei jede Artigkeit missen ließ, weshalb sie für verantwortungsbewusste Menschenrechtspolitik eben nicht taugt.

Für die SPD ist das Ungemach, das die Union mit Steinbach hat, ein Labsal in schwerer Zeit. Wenigstens haben die nun auch ihr „S-Wort“. Dem schönen Schein zuliebe hatte Sigmar Gabriel seinem Genossen Thilo Sarrazin noch eine letzte Brücke gebaut. Wie eine Agentur meldet, sollte der scheidende Bundesbanker „auf sein Juden-Gen verzichten“, dann könne man ihm ein Ausschlussverfahren vielleicht ersparen. Nun hatte der Sarrazin aber gar kein solches Gen zur Hand und so nehmen die Dinge ihren gnadenlosen Lauf.

Dabei quält die SPD-Spitze das Problem, wie sie den Ausschluss den zahllosen Mitgliedern und Anhängern erklären soll, die Sarrazin in der Partei halten wollen. Dafür hat die SPD-Führung nun eine „Argumentationshilfe“ an ihre Parteifunktionäre auf den unteren Ebenen verschickt, mit der sie dem blöden (Partei-)Volk die Hintergründe erklären sollen.

Knallharte Argumente stehen da, wie dieses: „Die Zahlen und Statistiken, die er (Sarrazin) in seinem Buch verwendet, sind nicht an sich falsch, aber er wählt die für seine Thesen passenden Ausschnitte und lässt anderes wegfallen ...“ Fürwahr, mit dieser im Parteienstreit vollkommen unüblichen Praxis hat sich Sarrazin selbst gerichtet.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren