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25.09.10 / »Nationalgesellschaft durchbrechen« / Unbelehrbar: Frankfurt am Main strebt immer noch die multikulturelle Gesellschaft an

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-10 vom 25. September 2010

»Nationalgesellschaft durchbrechen«
Unbelehrbar: Frankfurt am Main strebt immer noch die multikulturelle Gesellschaft an

Keine Lokalposse, sondern eine fundamentale Weichenstellung: Am 30. September werden in der hessischen Main-Metropole sämtliche Fraktionen mit Ausnahme der Freien Wähler das „Integrations- und Diversitätskonzept“ der schwarz-grün regierten Stadt Frankfurt am Main durchwinken. Hierbei handelt es sich mitnichten bloß um eine weitere Erklärung mit schönen Worten. „Man will aus einem linksintellektuellen Milieu heraus die Gesellschaft grundsätzlich verändern“, resümiert Wolfgang Hübner von den Freien Wählern, der mit seiner vierköpfigen Fraktion als einzige dagegenhält.

Frankfurt sah sich stets als Vorreiter in der Integrationspolitik. Hier gründete der heutige Europa-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit (Grüne) 1989 das bundesweit erste Dezernat für Integrationsfragen. In dieser Tradition sieht sich die jetzige Integrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne). Im Oktober 2009 stellte sie ihr ambitioniertes Projekt, mit dem Vorsatz „moderne kommunale Integrationspolitik“ zu betreiben, der Öffentlichkeit vor. Das Konzept, das den Anspruch erhebt, wissenschaftliches Gutachten zu sein, liest sich wie eine sozialwissenschaftliche Abhandlung. Die geistigen Urheber sind Steven Vertovec, der in Göttingen Forschungen zu „multireligiösen und multiethnischen Gesellschaften“ betreibt, und Regina Römhild, Kulturanthropologin mit Schwerpunkt „Kosmopolitismus in europäischen Einwanderungsgesellschaften“ (HU Berlin). Römhild erklärte, dass Multikulti benötigt wurde, um „die Nationalgesellschaft zu durchbrechen“. Das Bild von Minderheiten, die sich in eine deutsche Mehrheitsgesellschaft eingliedern, sei heute jedoch nicht mehr zeitgemäß.

Die überarbeitete Magistratsvorlage spricht deshalb von einem „Neben- und Miteinander sich überkreuzender, sich verändernder, sich weiter ausdifferenzierender oder auch mischender und neu bildener Milieus“. Der Mensch wird als Einzelfall gesehen, dessen Lebensentwürfe oder individuellen Vorlieben nicht durch „Gruppenzwänge“ beeinträchtigt werden dürfen. In diesem Werterelativismus bekommen Hobbies oder die sexuelle Ausrichtung den gleichen Stellenwert wie Religion oder Herkunft. Das Grundgesetz, die deutsche Sprache als Verständigungsorgan, die „Global Diversity“, sowie „die fortdauernde Verantwortung für das Verbrechen des Holocaust“ − interessanterweise in Zukunft auch für Fremdländische − sollen die Gesellschaft prägen.

Integration sei ganzheitliche „Querschnittsaufgabe“, die jeden betrifft. Auf allen Kanälen soll die „urbane Realität“ propagiert werden. Im Resultat sollen Gelder bereitgestellt werden, um Kunst, Kultur, Schule oder öffentlichen Dienst auf „Vielfalt“ zu trimmen. Dazu wird eine „abgestimmte Medienberichterstattung“ verlangt. Der Ausbau interkultureller Treffs, Feste, sozialpädagogischer Einrichtungen: Alles soll sich um „Vielfalt“ drehen.

Im Rahmen der Kampagne „Vielfalt bewegt Frankfurt“ stellte sich das Projekt zur breiten Debatte. Mit einer Serie von öffentlichen Podiumsdiskussionen und einem Online-Portal, in dem sich Bürger durch eigene Kommentare und Videos einbringen konnten, sollte dem Konzept demokratische Legitimation verliehen werden.

Doch der Schein trügt: Die Veranstaltungen waren größtenteils vom Bildungsbürgertum und einigen wenigen bildungsnahen Migranten besucht. Auch die Podien waren einseitig besetzt, so dass eine tabufreie Diskussion nie wirklich stattfand.

Kritiker wie Hübner wurden nicht nur von Kommunalpolitikern jeglicher Coleur, sondern auch von der einseitig berichtenden „Frankfurter Rundschau“ als „ewiggestrige Rechtspopulisten“ tituliert. Frankfurt soll zur Pionierstadt eines neuen Verständnisses von Multikulturalismus werden und dabei Vorreiter für weitere Städte sein.

Doch das öffentliche Interesse ist begrenzt, wie etwa die Zugriffszahlen im Internet auf das neue 240-Seiten-Papier zeigen. Nicht zuletzt die Sarrazin-Debatte hat gezeigt, dass die einfachen Bürger die Realität von Zuwanderung und Integration anders wahrnehmen. Bezeichnend ist, dass das Thema Islam vollends ausgeblendet wird.                                Carlo Clemens


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