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25.09.10 / Der Sozialismus verrät seine Kinder / Kubas Führung entlässt 500000 Staatsbedienstete ins wirtschaftliche Nichts

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-10 vom 25. September 2010

Der Sozialismus verrät seine Kinder
Kubas Führung entlässt 500000 Staatsbedienstete ins wirtschaftliche Nichts

Die kommunistische Führung Kubas steht mit dem Rücken zur Wand: Mit ihrer Ankündigung, bis kommenden März eine halbe Million Staatsbeschäftigte auf die Straße zu setzen, hat sie ein zentrales Versprechen des roten Regimes gebrochen: Dass es im Sozialismus keine Arbeitslosen gebe.

Die Dimension der Maßnahme lässt sich ermessen, wenn man die Gesamtzahlen vor Augen hat: Von den elf Millionen Kubanern sind offiziellen Angaben zufolge  5,7 Millionen beschäftigt. Davon arbeiten rund 4,4 Millionen direkt beim Staat oder bei staatsnahen Kooperativen. 600000 sind angeblich im privaten Sektor tätig. Was die übrigen 700000 machen, geht aus vorliegenden Daten nicht hervor. Auch von den 600000 Privatbeschäftigten verfügen nur 140000 über eine staatliche Lizenz.

Die halbe Million Entlassener fällt sozial in ein Loch, denn die Betroffenen werden nicht einmal die Arbeitslosenhilfe von 60 Prozent des letzten Gehalts erhalten, die bislang üblich war. Statt dessen sollen sie sich selbst eine Erbwerbsquelle suchen. Und: Bis 2015 soll ihnen eine weitere halbe Million Staatsbedienstete in die Arbeitslosigkeit folgen.

Dabei ist das verlorene Gehalt nicht einmal das Schlimmste. Die umgerechnet 15 bis 25 Euro Monatslohn reichten ohnehin nicht zum Leben. Doch konnten die allermeisten Staatsbediensteten allerlei Güter von ihrer Arbeitsstelle mitgehen lassen, von deren Tausch oder Verkauf sie ihren Lebensunterhalt mehr schlecht als recht bestritten.

Aus den Ankündigungen spricht die völlige Ratlosigkeit der kommunistischen Führung. Das Land ist wirtschaftlich am Ende und Havanna hat keinen Plan, wie es den ökonomischen Zusammenbruch aufhalten soll. Der 2006 seinem Bruder Fidel gefolgte Raúl Castro hat zwar ein wenig „Glasnost“ gespielt und an zahllosen Diskussionen mit Bürgern teilgenommen, wo einiger Unmut geäußert wurde. Doch darauf geschehen ist nichts, es blieb beim Gerede, was die Wut nur noch gesteigert hat. Wie sehr die Partei den Volkszorn bereits fürchtet, ja, wie tief er bereits in ihre eigenen Reihen vorgedrungen ist, zeigte sich im November 2009. Auf dem Parteitag der Kommunisten in jenem Monat sollte über die Unzufriedenheit im Volk „offen“ diskutiert werden. Doch kurz vor Beginn packte die Parteispitze offenbar die blanke Panik: Sie sagte den gesamten Parteitag einfach ab.

In einem in Windeseile weltbekannt gewordenen Interview hatte Fidel Castro vor einigen Tagen das kubanische Modell selbst für gescheitert erklärt. Als die Sache Wellen schlug, bezeichnete der greise „Revolutionsführer“ seine Äußerung als ironisch. Natürlich sei der Kapitalismus gescheitert, nicht Kubas Sozialismus, versuchte er den Versprecher zurechtzurücken. Doch da war der Verdacht, Castro habe, die Krise im Nacken, nur aus Versehen die Wahrheit gesagt, nicht mehr zu entkräften.

In gewohnter Manier versuchen die roten Regenten, ihre desaströse Krise auf den Klassenfeind abzuschieben: Das Embargo der USA sei schuld an der wirtschaftlichen Talfahrt. Das aber glaubt selbst auf der Insel kaum noch jemand. Wie kann Washington dafür verantwortlich sein, dass die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche der fruchtbaren Insel brachliegt, dass Kuba daher jährlich für rund zwei Milliarden Euro Lebensmittel einführen muss? Auch weisen die hohen Auslandsschulden von schätzungsweise 20 Milliarden US-Dollar auf Einfuhrmengen hin, die nur möglich waren, weil das Embargo längst beträchtlich gelockert wurde. Für Nahrungsmittel gilt es ohnehin nicht. Kuba, das vor der roten Machtergreifung 1958/59 auf Platz 22 der Rangliste der reichsten Länder der Welt stand und dessen Sozialprodukt pro Kopf damals doppelt so hoch war wie das der Spanier, ist zum Armenhaus geworden durch den Sozialismus. Daran zweifeln selbst Kubaner kaum noch, womöglich nicht einmal mehr seine roten Herren.

Wie drastisch die Ratlosigkeit der „Castristas“ angewachsen ist, lässt sich an ihrem Zickzackkurs der vergangenen 20 Jahre ablesen. Als der Ostblock zusammenbrach, ließen Kubas Kommunisten erstmals seit 1968 wieder kleine Privatunternehmertum zu. Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung 1995 besaßen etwa 200000 Kubaner eine Lizenz für einen kleinen Privatbetrieb. Dann jedoch meinten die Kommunisten offenbar, den Sturm überstanden zu haben – und fürchteten obendrein, aus den Kleinstunternehmern könnte sich eine bürgerliche Schicht entwickeln. Also legten sie den Schalter wieder um, bis zuletzt nur noch knapp 140000 Lizenzen draußen waren.

Nun plötzlich empfiehlt Raúl Castro, die 500000 und bald eine Million Staatsbediensteten mögen sich eine Stelle in der Privatwirtschaft besorgen. In welcher Privatwirtschaft? Experten bemängeln nicht bloß, dass diese von den kommunistischen Herren zuletzt gezielt gebremst wurde. Auch gebe es für einen (wieder) größeren privaten Sektor bislang nicht einmal die entsprechende Genehmigungs- und Steuergesetzgebung.

Es ist also zu befürchten, dass Zigtausende längerfristig in der Arbeitslosigkeit enden werden. Ein enormes Protestpotenzial von Menschen, die sich betrogen fühlen dürfen von einem Staat, der ihnen – für alle Entbehrungen durch Bevormundung, Unterdrückung und Mangelwirtschaft – zumindest die „Freiheit von Arbeitslosigkeit“ versprochen hatte. Nun finden sie sich wieder wie die Ausgestoßenen eines frühkapitalistischen Staates ohne Arbeitslosenhilfe.

Eine spürbare Verschlechterung der Lebensbedingungen und die Borniertheit der roten Führung löste 1953 in der DDR den Aufstand vom 17. Juni aus. Auch die Geduld der Kubaner sollte an irgendeinem Punkt ein Ende finden.            Hans Heckel

Foto: Verlust der Handelsware: Staatsbedienstete erhalten über ihren Arbeitsplatz oft auch Zugang zu Tauschwaren, mit denen sie auf der Straße handeln.


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