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25.09.10 / Rostiges Geschäft / Schiffsfriedhöfe schaffen Arbeit, belasten aber die Umwelt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-10 vom 25. September 2010

Rostiges Geschäft
Schiffsfriedhöfe schaffen Arbeit, belasten aber die Umwelt

Immer größere und modernere Schiffe stellen bei der Entsorgung der außer Dienst gestellten Einheiten die internationalen Reeder vor wachsende Probleme. Denn in Europa ist die Verschrottung der stählernen Giganten wegen hoher Umweltauflagen und steigender Lohnkosten nicht mehr rentabel. Aus diesem Grund werden etwa 70 bis 80 Prozent aller weltweit abgewrackten „Pötte“ auf den Schiffsfriedhöfen von Indien, Pakistan, Bangladesch und China zerlegt.

Das Zentrum dieses rostigen Geschäfts befindet sich in Alang im indischen Bundesstaat Gujaret. Allein 50 Prozent der Tonnage werden dort bei Springflut hoch auf den Strand gesetzt und verwertet. Indien bezieht so etwa 15 Prozent seiner Jahresproduktion an Stahl aus diesem Geschäft. Zudem wird Zubehör wie Rettungsboote oder nautisches Gerät verkauft. Umweltverschmutzung, unmenschliche Arbeitsbedingungen mit Wochenarbeitszeiten von über 90 Wochenstunden haben das Gewerbe allerdings mehr und mehr in Verruf gebracht. Umweltorganisationen mahnen etwa an, dass allein in Bangladesch die völlige Missachtung der Sicherheitsbestimmungen, Explosionen und Verpuffungen, Asbestvergiftungen und herabfallende Metallteile immer wieder Todesopfer verursachen.

Nun hat das höchste Gericht des Landes die Verpachtung von staatseigenem Küstenland, Buchten und Sandbänken an Abwrack-werften verboten, um – wie es in dem Urteil heißt – die Zerstörung des fragilen Ökosystems an den Küsten und in den Flüssen zu stoppen. Immerhin landen etwa 30 Prozent der ausgedienten Meeresriesen in Bangladesch an. Das schafft Tausende von Arbeitsplätzen und bringt dem verarmten Land zwei Drittel des benötigten Stahls. Nach dem Urteil dürfen ohnehin nur Schiffe geliefert werden, bei denen die Umweltbehörden der Lieferländer die Giftfreiheit zertifizieren.

Sehr oft taufen Reeder die ausgemusterten Schiffe, um Spuren zu verwischen, einfach um. Bekannt wurde der Fall des ehemaligen Passagierschiffes „France“, später „Norway“. Unter dem Namen „Blue Lady“ wurde sie schließlich, belastet mit mindestens 1000 Tonnen Asbest an Bord, heimlich im indischen Alang gestrandet, nachdem sogar Bangladesch die Annahme verweigert hatte. Der französische Flugzeugträger „Clemenceau“ mit seiner hohen Schadstoffbelastung musste aufgrund massiver Proteste die indische Abwrackwerft wieder verlassen und nach Frankreich zurückfahren. Er wurde schließlich mit hohen Kosten 2009 in England auseinandergebrannt. Auch ein gigantischer Schiffsfriedhof im russischen Murmansk wartet auf eine umweltgerechte Lösung. Dort liegen zahlreiche abwrackreife Atom-U-Boote und Kriegsschiffe vor Anker, deren Verschrottung mit erheblichen Umweltrisiken verbunden ist. Joachim Feyerabend


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