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25.09.10 / »Eine zweite Vertreibung« / Ein Deutscher wurde nach 18 Jahren aus Ostpreußen abgeschoben – Vorwürfe und Prozess wie bei Kafka

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-10 vom 25. September 2010

»Eine zweite Vertreibung«
Ein Deutscher wurde nach 18 Jahren aus Ostpreußen abgeschoben – Vorwürfe und Prozess wie bei Kafka

Innerhalb weniger Monate hat Manfred Heymann gleich zwei Schicksalsschläge erlitten: Im Februar letzten Jahres starb seine Frau. Im September erfuhr er, dass er aus seiner neuen Heimat Königsberg abgeschoben werden soll, nachdem er dort 18 Jahre lang lebte, arbeitete und 1996 seine russische Frau geheiratet hat. Nun lebt er mittellos in einer hessischen Kleinstadt.

Der ganze Vorgang hat mit seiner Mischung aus Bürokratie, unbegründeten Vorwürfen und undurchsichtigen Prozessen kafka­es­ke Züge. „Über das, was hier abläuft, könnte man locker ein Buch schreiben“, sagte Heymann gegenüber der PAZ. Fristgerechnet hatte er sechs Monate vor Auslaufen seiner Aufenthaltsgenehmigung im April 2009 seinen Antrag für eine „Wohnerlaubnisverlängerung“ eingereicht. Im September dann der Schock: Die Behörden lehnten ab − schon Ende des Monats hätte er die russische Exklave verlassen sollen. Der angebliche Grund: Heymann gefährde die „nationale Sicherheit der russischen Föderation“! Der heute 56-Jährige, der ein kleines Unternehmen gegründet hat und unter anderem am Bau von Wasserwerken beteiligt war, soll an illegalen Machenschaften beteiligt gewesen sein, wobei er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zunächst gar nicht erfuhr. Unter anderem soll er in Militärobjekte eingedrungen sein und einen See trockengelegt haben. Bizarrerweise erhebt diese Vorwürfe noch nicht einmal die Staatsanwaltschaft, sondern gleich der russische Geheimdienst.

„Das ist völlig absurd“, sagt Heymann. „Wie soll ich das bitte angestellt haben?“ Vor Gericht verlangte er Einsicht in die Akten, die er erst in zweiter Instanz erhielt. Dort erfuhr er, dessen Fall bei den Behörden als „geheime Staatssache“ gilt, dass eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung bereits einen Tag vor seinem Verlängerungsantrag abgelehnt worden war. Vor allem aber fehlten für die gegen Heymann erhobenen Vorwürfe jegliche Beweise.

Zwar hatte er in der Tat geophysikalischen Messungen im Königsberger Gebiet durchgeführt. Doch die seien erlaubt, nur für Grabungen hätte er eine Lizenz benötigt, doch gegraben hatte er nicht. Auch sei das Archäologische Museum in Königsberg nie an einer Kooperation interessiert gewesen. Dennoch stellen womöglich bereits die Messungen ein Politikum dar: So sollen wertvolle Kulturgüter, darunter Teile des Nachlasses des Grafen Dönhoff um das Schloss Friedrichstein, unter der Erde schlummern. Ein lukratives Geschäft, an dem sich Heymann nach eigener Aussage jedoch nicht beteiligt hat.

Nur eine Erkrankung im vergangenen Herbst, der ein Krankenhausaufenthalt folgte, konnte Heymanns Abschiebung bis in den April hinauszögern. Dann hätten ihn, der für seine Arbeit 18 Jahre lang von Moskau bezahlt wurde, mehrere russische Geheimdienstagenten zur Grenze bei Preußisch Eylau eskortiert und in die Republik Polen abgeschoben. Sein gesamtes Hab und Gut musste er zurücklassen. „In Deutschland habe ich keine Verwandten. Nur durch einen bekannten Geschäftsfreund ist es mir gelungen, nach vier Tagen in Deutschland anzukommen“, sagt er ratlos. Während der Ausreise hielt er regelmäßig Kontakt zum Deutschen Generalkonsulat in Königsberg.

Noch heute ist Heymann, der in der DDR aufwuchs, wegen hohen Blutdrucks krankgeschrieben. Königsberg war längst zu seinem Lebensmittelpunkt geworden. Dort hat er seine berufliche Existenz, dort ist das Grab seiner verstorbenen Frau. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sieht er seine Abschiebung nach 18 Jahren als „zweite Vertreibung“.

Zwischenzeitlich versuchte er, in Begleitung von Bekannten zurückzukehren. Nachdem man ihn stundenlang an der Grenze warten ließ, folgte die Abweisung.

Das Deutsche Generalkonsulat versicherte ihm halbherzige Unterstützung. Man wolle „die russischen Behörden um eine wohlwollende Prüfung“ seines Antrags auf Rückkehr bitten. Diese seien bereits eingeschaltet. Nun heißt es: warten. Heymann hat angekündigt, notfalls vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ziehen zu wollen, um auf Entschädigung zu klagen.                         Carlo Clemens

Foto: Lebensmittelpunkt von Manfred Heymann (kl. Foto) seit 1992: Die Stadt Königsberg, hier eine Brücke am Stadtteich


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