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25.09.10 / Fehler aus »Kindertagen« / Analyse der Gründung Israels

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-10 vom 25. September 2010

Fehler aus »Kindertagen«
Analyse der Gründung Israels

Die erste Auflage des Textes „Die ersten Israelis – Die Anfänge des jüdischen Staates“ erschien bereits 1986. Dennoch ist diese Neuauflage noch immer brandaktuell und hochbrisant, weil sie sich mit den Problemen, Handlungen und Fehlern beschäftigt, die während der „Kindertage“ des jüdischen Staates auftraten beziehungsweise begangen wurden. Dabei setzt sich der jüdische Publizist und Historiker Tom Segev sehr kritisch mit Israels Geschichte auseinander. Als Quellen dienten ihm amtliche Dokumente aus Staats- und Zentralarchiven, der Israelischen Armee oder der Ben-Gurion-Stiftung.

Vier Themenbereiche prägen das Buch. Den Beziehungen zwischen Arabern und Israelis geht der erste Teil nach, der besonders das militärische Handeln in den Fokus stellt – die Vertreibung vieler Araber aus ihrer Heimat, Krieg um Landstriche, Friedensverhandlungen oder Waffenstillstand, Schikane gegenüber den Arabern, aber auch gegen Israelis.

Der zweite Teil widmet sich dem „Menschenkapital“ als militärischer und als wirtschaftlicher Zweck. Spannungen zwischen den Israelis der ersten Stunde und den Neuankömmlingen, der Mossad, die Landverteilung und das unterschiedliche „Menschenmaterial“ werden thematisiert. Kritik, „ob es richtig war, eine Million Dollar auszugeben, um zusätzliche Einwanderer ins Land zu holen, anstatt mit dem Geld das Schicksal derjenigen zu verbessern, die bereits im Land waren und in Lagern lebten“, wurde vermieden, zeigt aber ein grundsätzliches Problem: Es gab keinen erprobten Königsweg für die Neugründung eines (zionistischen) Staates. Primären Zielen wurde der Vorrang gewährt, ohne dabei auf Nachhaltigkeit zu achten; Lobbyarbeit verschlimmert die Situation.

Der dritte Teil problematisiert das Verhältnis zwischen Orthodoxen und Säkularen besonders eindrücklich am Schulsystem, aber auch an Gewaltausschreitungen bei Sabbatverstößen.

Mit dem heute vorrangigen Problem beschäftigt sich der vierte Teil: Menschen aus aller Welt mit den unterschiedlichsten Gebräuchen, Traditionen und Eigenheiten, mit den verschiedensten Biographien und Vorstellungen treffen in Israel aufeinander. Dazu kommen noch politisch initiierte Ungerechtigkeit, unterschiedliche Bodenqualitäten und Militärgewalt. All diese Menschen mit ihren Hoffnungen und Wünschen sollen sich in kürzester Zeit zu einer homogenen Nation entwickeln, wobei selbst der Nationalgedanke nicht ausgereift ist, Hilfe von außen aufgrund von Spionageverdacht oft abgelehnt wird und vieles sich erst im Nachhinein „kristallisiert“.

„Sie stritten, rangen mit sich, zögerten und änderten bisweilen ihre Meinung, hielten den eingeschlagenen Weg aber für den richtigen und gingen ihn in voller Zuversicht und Überzeugung weiter. Dafür sind sie zu beneiden“, schließt Segev sein beeindruckendes Buch, dem sich der Leser am besten mit einer Landkarte, einem kleinen Lexikon, einem Stück Mut und der Überzeugung annimmt, dass die Existenz des Staates Israel wünschenswert ist. Denn die geographischen Auseinandersetzungen lassen sich besser an einer Karte nachvollziehen, nicht jede politische oder religiöse Strömung wird erläutert oder ist gleich präsent, viele Passagen (besonders in den Berichten) sind erschreckend, und bis zum Schluss werden Handlungen, Überzeugungen, Reaktionen negativ charakterisiert. Berück-sichtigt der politisch interessierte Leser diesen Rat, sollte ihn nichts an der Lektüre dieses lesenswerten Textes hindern.       Christiane Rinser

Tom Segev: „Die ersten Israelis – Die Anfänge des jüdischen Staates“ Pantheon, München 2010, kartoniert, 414 Seiten, 14,95 Euro


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