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02.10.10 / Trugbild »Innere Einheit« / Große innere Unterschiede gab es auch nach der Einigung von 1871

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-10 vom 02. Oktober 2010

Trugbild »Innere Einheit«
Große innere Unterschiede gab es auch nach der Einigung von 1871

Klaus von Dohnanyi erinnerte kürzlich bei einen Fernsehgespräch an eine denkwürdige Sitzung des SPD-Bundesvorstandes im Herbst 1989. Als er sich für die Vereinigung von Bundesrepublik und DDR ausgesprochen habe, sei ihm Walter Momper entrüstet ins Wort gefallen. Der Regierende Bürgermeister attackierte ihn daraufhin: „Du willst ja das Bismarck-Reich neu errichten!“

Momper war nicht allein: In der westdeutschen Linken war es fast durchweg Konsens, gegen die Einheit zu sein. Und auch zahlreiche DDR-Bürgerrechtler erträumten sich eine „reformierte DDR“: „Heute ist unsere Revolution kaputtgemacht worden“, trauerte Bärbel Bohley am Tag des Mauerfalls. Oskar Lafontaine schlug sogar ernsthaft vor, die Übersiedlung von Deutschen aus der DDR von Westseite zu „begrenzen“. Parteigenosse Hans-Jochen Vogel fuhr daraufhin ihn an, eine neue Mauer errichten zu wollen.

Die Einheit kam, schneller als selbst von ihren feurigsten Befürwortern erhofft. Die Lafontaines und Mompers standen als Verlierer der Geschichte da. Doch viele der Überfahrenen rappelten sich schnell wieder auf und stellten sich die Frage, wie sie trotzdem Recht behalten könnten, obwohl die Geschichte sie so erbarmungslos widerlegt hatte.

Einerseits schoben sie fortan mit Vorliebe die wirtschaftlichen und sozialen Probleme von Menschen in der DDR in den Vordergrund, um das „Scheitern“ der verhassten Vereinigung an besonders traurigen Beispielen zu belegen. Zudem erfanden sie, kaum war die steinerne Mauer gefallen, die „Mauer in den Köpfen“, die die Deutschen nach wie vor trenne, weshalb von einem Gelingen der „inneren Einheit“ keine Rede sein könne.

Die DDR-Bürgerrechtlerin und spätere Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld maß dem Begriff „innere Einheit“ in einem PAZ-Beitrag kürzlich eine „Schlüsselrolle“ zu, bei dem Versuch, den Prozess der Vereinigung zu torpedieren.

Geschickterweise wurde nie benannt, was jene „innere Einheit“ eigentlich bedeuten soll, in welchem Stadium welches Vorgangs man also ihren Vollzug melden könnte. Somit kann jede Art von Verschiedenheit und Gruppenbildung, wie sie für Menschen natürlich auch innerhalb eines Volkes selbstverständlich ist, als „Riss“ in der „inneren Einheit“ vorgeführt werden.

Erhellend wäre der historische Vergleich: Denn wer im Hinblick auf die deutsche Vereinigung von 1871 nach dem Stand der „inneren Einheit“ fragt, der dürfte Ernüchterndes zu Tage fördern. Allein das ausgeprägte Gefühl für regionale Besonderheit, das für das Selbstverständnis vieler Bayern geradezu konstitutiv ist, deutet auf ein „Scheitern“ hin.

Und die „materielle Einheit“? Laut jüngster Allensbach-Umfrage ist mittlerweile in beiden Teilen des Landes die Mehrheit der Meinung, dass die von Helmut Kohl versprochenen „blühenden Landschaften“ Wirklichkeit geworden seien. 1998 sah dies nur eine Minderheit so.  Hans Heckel


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