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02.10.10 / Ex-Politiker vereinen sich / Russlands Opposition wagt den Schulterschluss zur Koalition

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-10 vom 02. Oktober 2010

Ex-Politiker vereinen sich
Russlands Opposition wagt den Schulterschluss zur Koalition

Nachdem der Machtkampf um den Moskauer Oberbürgermeister Jurij Luschkow einen verfrühten Wahlkampf ausgelöst hat, schöpfen Oppositionspolitiker Hoffnung. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die von der Opposition forcierten Protestaktionen in der Hauptstadt, aber auch in den Regionen, Bewegung in die Politik gebracht haben.

Am 16. September wurde das Bündnis „Für ein Russland ohne Willkür und Korruption“ gegründet. Es ist eine Koalition der Ehemaligen: der Ex-Dumaabgeordnete Wladimir Ryschkow von der „Republikanischen Partei“, Ex-Vizeregierungschef Boris Nemzow von der Bewegung „Solidarnost“, Ex-Regierungschef Michail Kasjanow von der „Russischen Volksdemokratischen Front“ und Ex-Vizeminister für Energiewirtschaft Wladimir Milow von der Bewegung „Demokratische Wahlen“ wagen allen Unkenrufen zum Trotz den Schulterschluss. In Kürze soll Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow („Solidarnost“) dazu stoßen.

Ziel der demokratisch-liberal geprägten Politiker ist es, bereits jetzt Druck mit öffentlichen Demonstrationen aufzubauen, um gegen die Behördenwillkür im Vorfeld der Wahlen anzukämpfen. Immer wieder wurden bei vorangegangenen Wahlen Oppositionelle an ihrer Kandidatur durch extrem hohe formale Hürden behindert. Bis zum Jahresende will die nun gegründete Koalition einen gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl aufstellen. Bislang fehlt dem jungen Bündnis noch ein Programm, das es jedoch im Frühjahr vorlegen will. Zur Zeit existiert lediglich ein Positionspapier mit dem Titel „300 Schritte zur Freiheit“, das einerseits einen Aufruf zur Befreiung des Unternehmertums und die Minimierung der Rolle des Staates beinhaltet, andererseits dem Volk höhere Löhne, Gehälter und Renten verspricht.

In den vergangenen zehn Jahren hatte es immer wieder Versuche zur Bildung von Oppositionskoalitionen gegeben, doch waren diese aufgrund harter Kämpfe um die Führung und unüberbrückbarer Gegensätze innerhalb der Koalition stets nach kurzer Zeit zerbrochen. Ob es dem neuen Bündnis gelingen wird, zukünftig eine Rolle in der politischen Landschaft zu spielen, bezweifeln selbst wohlwollende Beobachter.

Der Hauptgrund ist neben Machtkämpfen innerhalb der Koalition das Desinteresse der Bevölkerung. Der Soziologe Denis Wolkow vom Meinungsforschungsinstitut Levada-Zentrum erklärt das so: „Die Menschen brauchen niemanden, der ihnen erzählt, wie korrupt und schlecht die Regierenden sind. Das merken sie selbst. Die Opposition geht nicht auf die Probleme der Menschen ein.“ Freie Gouverneurswahlen oder Pressefreiheit sind den meisten egal. Wenn es aber um lokale Fragen wie den Trassenverlauf einer Autobahn durch den Chimki-Wald oder die Erhaltung von Arbeitsplätzen geht, gehen sie auf die Straße. Immerhin konnte die Opposition in jüngster Vergangenheit Tausende auf die Straße locken. Es sei an die 12000 Demonstranten in Königsberg im Januar erinnert.

Beliebtester russischer Politiker ist aber nach wie vor Wladimir Putin. Geht es um die Nähe zum Volk, hat er die Nase vorn. Von ihm fühlen sich die Russen am besten verstanden.  M. Rosenthal-Kappi


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