26.04.2024

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02.10.10 / Vom Protest zum Widerstand

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-10 vom 02. Oktober 2010

Moment mal!
Vom Protest zum Widerstand
von Klaus Rainer Röhl

Titel-Zeile der linken „taz“: „Aufstand im Anzug. Die neuen Revolutionäre. Plötzlich werden Bürger zu Rebellen. Die neue bürgerliche Bewegung misstraut den gewählten Volksvertretern. Ist das der Anfang oder das Ende der Demokratie?“ Die „FAZ“ überschreibt einen Tag später ihren Leitartikel „Die neue Auflehnungsbereitschaft“. Es geht um die gleiche Sache: Bürgerproteste, Volksbegehren. Volksentscheide, die Regierungsbeschlüsse kippen. Der „Spiegel“ war vor drei Wochen schon mit einem Titelthema da, wortreich und weitschweifig und nach der Lektüre nichtssagend, wie immer „Die Dagegen-Republik – Stuttgart 21, Atomkraft, Schulreform: Bürgeraufstand gegen die Politik“. Die „Bild“-Zeitung tut so, als wenn sie selbst die Bürgerbewegung sei. Immer schon, aber heute besonders. Geschenkt. Die „Zeit“ muss man nicht erst lesen. Sie verkündete schon ewig langatmig und hamburgisch nölig – einerseits – andererseits. Es ist alles kompliziert. Das wussten wir auch so. Aber wir wüssten schon gern, weshalb jetzt alle darüber diskutieren. Irgendetwas ist neu an der Debatte. Die Medien notieren es wie neue Börsenkurse. Es tut sich was in Deutschland. Die Talkshows überschlagen sich und würden am liebsten noch zum dritten Mal Thilo Sarrazin vorladen und in der Luft zerreißen. Aber schön ausgewogen. Recht hat er, aber … Inzwischen fordert sogar die alte Garde der politischen Tugendwächter wie Alice Schwarzer und Günter Wallraff strenge Maßregeln gegen Zuwanderer, die sich partout nicht integrieren wollen. Zehn bis 15 Prozent sollen das sein. Dabei machen die nur, was 20 Jahre schick und angesagt war: Multikulti. Jetzt sollen sie sich zwangsintegrieren oder – es passiert was? Oppositionschef Sigmar Gabriel legt noch eins drauf. Sarrazin muss aus der Partei, aber seine Analyse stimmt. Das finden die meisten in der Talkshow auch. Nur diese Sache mit den Genen! Dass die Basken ein Gen haben, das bei ihnen gehäuft vorkommt, hätte er sagen dürfen. Die Basken hat es nicht gestört. Dass aber die Juden genetische Gemeinsamkeiten haben, wollte der Zentralrat der Juden am liebsten verbieten. Nur Henrik M. Broder wagte im „Spiegel“ eine Bemerkung über das Juden-Gen: „Wenn Aussehen und Krankheiten vererbt werden, was niemand bezweifelt, dann muss auch die Frage erlaubt sein, warum Juden – von Ausnahmen abgesehen, schlechte Sportler und gute Schachspieler sind.“ Mit dieser Äußerung wird Broder bestimmt nicht Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland werden, obwohl der Satiriker und Zeitkritiker mit eigener Internet-Seite „Achse des Guten“ sich einmal allen Ernstes darum beworben hat. Ihn kann man nicht verbieten. Der Zentralrat verlangt häufig von deutschen Behörden, irgendetwas zu verbieten. Letzte Woche forderte er sogar das Verbot eines Films über einen Film. Über „Jud Süß“. Alle haben den Film gesehen und besprochen, aber sehen soll ihn das Volk nicht, und wofür und wogegen die Deutschen demonstrieren und Bürgerproteste organisieren dürfen, darüber entscheiden außer dem Zentralrat und den zuständigen Behörden hauptsächlich die Medien – da könnte ja jeder kommen.

Manche Bürgerproteste werden wohlwollend durchgewinkt. So der Protest gegen den Abriss des Kölner Schauspielhauses und das Vorhaben, an seine Stelle einen Neubau zu setzen. Vielleicht muss man dazu wissen, dass das Gebäude des Schauspielhauses, in dem seit ein paar Jahren gutes und manchmal auch innovatives Theater gespielt wurde, ein nichtsagender Zweckbau aus den 60er Jahren ist, dem niemand nachtrauern würde. Sobald jedoch bekannt wurde, dass der preisgekrönte Neubau ein paar Millionen kosten würde, mobilisierten Leute in und außerhalb des Schauspielhauses die Öffentlichkeit und fanden Anhänger. Darunter viele, die in ihrem Leben noch nie das Schauspielhaus von innen gesehen hatten, eher in den Kölner Altstadtkneipen herumhingen und höchstens mal ein Musical oder ein Rockkonzert besucht hatten. Das viele Geld, das anderswo gebraucht wird! Für „Projekte“ zum Beispiel, bei denen jeder an seine eigenen Interessen denkt. So macht Bürgerprotest Spaß. Ein Komitee wird gebildet, eine Pressekonferenz organisiert, zu der man ein paar Journalisten einlädt. Voraussetzung ist, dass man die Medienleute kennt und ihnen die Sache plausibel macht. Dann kommt die erste Protestveranstaltung, über die die Medien positiv berichten, zur nächsten Versammlung kommen doppelt so viele Interessenten, man beginnt mit dem Sammeln von Unterschriften für das Volksbegehren, und das geht wieder durch die Medien und schon sind die Unterschriften für das Volksbegehren beisammen. Die Abstimmung kann beginnen.

Richtet sich das Volksbegehren statt gegen den Abriss eines Altbaus gegen den Neubau einer Riesenmoschee mit überdimensional hohen Minaretten, so versagen sich die Medien oder berichten, dass die Initiatoren des Volksbegehrens fragwürdig sind, umstritten, womöglich Rechtextremisten sind oder schon mal mit rechten Extremisten gemeinsam gesehen wurden und dass die Tendenz des Volksbegehrens ausländerfeindlich und vielleicht sogar – rassistisch sei. Und obwohl fast 90 Prozent aller Bewohner gegen die Riesen-Minarette sind, bleibt das Medienecho negativ, und – die Initiative kriegt die nötigen Unterschriften für einen Volksentscheid nicht zusammen. Jetzt erst steigt die Presse wieder voll ein: „Rechte scheitern mit Minarett-Verbot!“

Nicht um die Anhänglichkeit an das gewohnte Erscheinungsbild eines Gebäudes wie in Stuttgart und Köln, sondern an die Schulform für die eigenen Kinder ging es dagegen bei den Volksabstimmungen in NRW in den 70er Jahren gegen die sogenannte Coop-Schule und vor kurzem in Hamburg gegen die sogenannte Primarschule. In NRW siegten die Eltern und in Hamburg verhinderten sie, dass ihre Kinder zwei Jahre länger als nötig zusammen mit (schuldlos) eher weniger Lernfähigen und wenig Lernwilligen die Schulbank bis zur 6. Klasse drücken und so zwei Jahre Ausbildungszeit vergammeln sollten. Das von der CDU gerade mit den Grünen durchgebrachte Gesetz wurde gekippt, das Beispiel von Hamburg macht Schule. Überall im Land regt sich Protest und droht zu Widerstand zu werden

Wie reagieren die seit 1968 herrschenden Medienmacher auf die neue Lage? Mit Nebelkerzen. Schon der „Spiegel“-Titel warf alles in einen Topf. Den Hamburger Bürgerprotest und die allgemeine Zustimmung zu Sarrazin rückte man zusammen mit den uralten Anti-Atom-Proteste, die dort schon zum jährlichen Ritual geworden sind wie ein Schützenfest, zu dem man jedes Jahr die alten Transparente, Requisiten und Kostüme herauskramt. Schon 29 Jahre Gorleben – Protest, getragen von den am meisten betroffenen Guts- und Waldbesitzern und vielen Großbauern. Das Fest findet auch diesmal wieder statt, mit vielen naiven Schulkindern aus der Umgebung und den gar nicht naiven Krawalltouristen. Diese altbacken linke „Bewegung“ verquirlte man mit dem neuen, ein Jahr alten Bürgerunmut und servierte uns das als „Protest mit Krawatte“. Haben wir da eine Verschwörung der Medien aufgedeckt? Sind wir am Ende Verschwörungs-Theoretiker? Nein, es war keine Verschwörung. Es waren nur Dummheit und Intoleranz, je linker, desto dümmer. Und Dummheit macht durch Wiederholung Schule. Mögen wir das? Muss das so bleiben? – Ja oder Nein? Ich verlange eine Volksabstimmung.

Der Autor ist erreichbar unter klausrainer@gmx.de


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