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02.10.10 / War es wirklich die Heterogenität? / Ein junger Historiker geht der Frage nach, warum die deutschen Einwanderer in der US-Bevölkerung aufgegangen sind

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-10 vom 02. Oktober 2010

War es wirklich die Heterogenität?
Ein junger Historiker geht der Frage nach, warum die deutschen Einwanderer in der US-Bevölkerung aufgegangen sind

Dass Deutsch 1794 in den Vereinigten Staaten um ein Haar Amtssprache geworden wäre, ist zwar als Legende entlarvt, aber auch so finden sich viele Belege dafür, dass die Deutschen in den USA durchaus eine dominante Stellung hatten. Heute spürt man davon nicht mehr viel. Wieso das so ist, obwohl über zwei Jahrhunderte lang Deutsche in die Vereinigten Staaten strömten, dafür bietet Alexander Emmerich in „Die Geschichte der Deutschen in Amerika – Von 1680 bis zur Gegenwart“ einen interessanten Erklärungsversuch.

Während aus Irland, Italien Portugal und anderen klassischen Ursprungsländern von US-Immigranten weitgehend arme, katholische Bauersleute in die USA strömten, waren Motive und Herkunft der Deutschen äußerst unterschiedlich. Zumal es schwierig ist von „den Deutschen“ zu reden, da es bis 1871 keinen deutschen Nationalstaat gab, sondern nur einen Flickenteppich verschiedener deutscher Territorialstaaten und Hansestädte.

Die ersten Deutschen, die in die USA auswanderten, waren Religionsflüchtlinge. 1683 erreichten 42 Deutsche mit der „Concord“ den Hafen von Philadelphia. Die Mennoniten und Quäker aus Krefeld nannten ihre erste Siedlung „Germantown“. Schon bald kamen neue Siedler aus Deutschland, die nun verschiedenen Religionsgemeinschaften angehörten. Zwar tolerierte man einander, doch das Gemeinschaftsgefühl untereinander vor so schon von Beginn an eingeschränkt.

Emmerich vertritt nun den folgenden Erklärungsansatz: Die Heterogenität der deutschen Einwanderer – die Religionsflüchtlinge, freiheitsliebende 1848er, Armutsflüchtlinge oder Abenteurer waren, deren alte Heimat Bayern, das Rheinland, Hamburg oder Schlesien war und die der Unterschicht, dem Handwerk, dem Unternehmertum und sogar dem Adel angehörten – war so groß, dass in der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Zusammengehörigkeitsgefühl bröckelte. Während Zuwanderer aus anderen Ländern sogar stolz darauf waren, von den alteingesessenen US-Bürgern als Bindestrich-Amerikaner (Deutsch-Amerikaner, Italo-Amerikaner) beschimpft zu werden, die den USA angeblich schadeten, wollte vor allem die breite deutschstämmige Mittelschicht sich von den zumeist hungerleidendenden Bindestrich-Amerikanern absetzen. „Während des 19. Jahrhunderts waren über fünf Millionen Deutsche in die USA gekommen, so dass um 1900 etwa acht Millionen Deutsch-Amerikaner in den Vereinigten Staaten lebten. Davon waren 2,5 Millionen Angehörige der ersten Einwanderergeneration. Insgesamt machte der deutsche Anteil zehn Prozent an der Gesamtbevölkerung der USA aus. Trotz dieses hohen Anteils war der Zenit des deutsch-amerikanischen Lebens längst überschritten. Der große Strom der deutschen Einwanderer verebbte ab 1893 zusehends, da die Gründung des Deutschen Reichs im Frühjahr 1871 für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation sorgte … Ohne neue Impulse durch weitere Einwandererströme versandete die deutsch-amerikanische Kultur allmählich. Bereits bestehende deutschsprachige Publikationen verzeichneten geringere Absatzzahlen, darüber hinaus wurden keine weiteren neuen Zeitungen und Zeitschriften mehr gegründet, die gedruckte deutsche Sprache verschwand aus dem öffentlichen Leben, ebenso die gesprochene“, so Emmerich, der über das Leben des Deutsch-Amerikaners John Jacob Astor an der Universität Heidelberg promoviert hat.

„Lernt Englisch – Schnelle Methode zum Englisch-Lernen mit genauer Angabe der Aussprache“ von E.F. Stahlschmidt war eines jener deutschsprachigen Bücher die sich gut verkauften, aber gleichzeitig der deutschsprachigen Literatur in den USA den Todesstoß versetzten, denn je besser und öfter die Deutsch-Amerikaner Englisch sprachen, desto weniger sprachen sie Deutsch. Nicht von ungefähr gilt die Sprache eines Landes als Schlüssel zur gelungenen Integration.

Leider ist das Kapitel der Deutschen in den USA inzwischen nur noch für Historiker und Ahnenforscher von Interesse. Ortsnamen wie Dresden, Berlin und New Minden zeugen von der deutschen Siedlungsgeschichte. Wobei beim Blick auf die Landkarte auffällt, dass sich die deutschen Einwanderer vor allem im Norden ansiedelten. Der Süden der USA stieß die vor allem auf der Suche nach Freiheit ausgewanderten Deutschen ab, da dort der Besitz von Sklaven bis zum Ende des Krieges zwischen den Vereinigten und den Konföderierten Staaten von Amerika 1865 erlaubt war. Nur wenige offizielle Veranstaltungen wie die Steuben-Parade oder Erinnerungsfeiern an die lange vergessene Schiffska­tastrophe auf dem New Yorker East River von 1904, bei der fast 1000 Bewohner von Little Germany ums Leben kamen, erinnern an die deutsche Vergangenheit der USA. Jedoch werden Namen wie Henry John Heinz (Ketchup), Wilhelm Böing (Flugzeuge), Löb „Levi“ Strauss (Jeans), Johann Peter Rockefeller (Milliardär), Margarethe Meyer-Schurz (Gründerin des ersten US-Kindergartens), Carl Schurz (US-Innenminister), Henry Kissinger (US-Außenminister) und Herbert C. Hoover (US-Präsident) stets für die Leistungen Deutscher in den USA stehen. Rebecca Bellano

Alexander Emmerich: „Die Geschichte der Deutschen in Amerika – Von 1680 bis zur Gegenwart“, Fackelträger, Köln 2010, gebunden, 240 Seiten, 29,95 Euro


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