25.04.2024

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02.10.10 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-10 vom 02. Oktober 2010

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,     

liebe Familienfreunde,

wie Ihr festgestellt habt, sind wir als Ostpreußische Familie „höcher roppgerutscht“, diese Seite trägt nun unseren Namen, und somit sind wir auch für neue Leser leicht zu finden. Ich freue mich darüber, denn das erleichtert die Arbeit doch sehr. Nun brauche ich nicht mehr von „Kolumne“ zu sprechen, das gefiel mir sowieso nicht, klang viel zu nüchtern und steif für unser buntes Familienmosaik, das sich aus lauter Puzzleteilchen zusammensetzt und wartet, dass sich die leeren Stellen füllen. Das ist auch wieder geschehen, denn zu dem Foto in Folge 37 – es zeigt vermutlich den verstorbenen Schwiegervater des Einsenders in einer unbekannten Uniform – kamen prompt die Erklärungen. Die hätte ich sogar früher bekommen können, sozusagen aus erster Hand, nämlich von unserem für diese Seite zuständigen Redakteur – aber mein lieber Kollege Dr. Manuel Ruoff war in Urlaub gewesen und hatte somit das Originalfoto nicht zu Gesicht bekommen. Der Historiker sagte sofort, als er die Seite aufschlug: „Das ist eine polnische Uniform“ und legte viele Beweise in Form von ähnlichen Abbildungen vor. Darunter auch eine Aufnahme des Marschalls Josef Pilsudski und – ganz aktuell – des polnischen Generalstabchefs Mieczysław Cieniuch. An deren Uniformen sind die „Zacken“ allerdings so voluminös, dass sie fast den ganzen Kragen beziehungsweise das Mützenband bedecken. Diese kann Herr Peter Perrey aus Neustadt erklären: „Es handelt sich bei der abgebildeten Uniform um die eines Mannschaftsdienstgrades der polnischen Armee, wohl aufgenommen zwischen den Weltkriegen, als der Uniformträger im ,Korridor‘ wohnte und dort wehrpflichtig geworden war. Der Kragen zeigt die typische polnische Zick-Zack-Verzierung, die in unterschiedlichen Ausführungen von allen Dienstgraden getragen wurde. Sie geht auf die Kragenverzierungen der polnischen Einheiten in der napoleonischen Armee zurück. Einen weiteren Hinweis auf die Herkunft der Uniform geben die Abzeichen des polnischen Adlers auf der Mütze und der rechten Brustseite der Litewka. Dienstgrade vom Unteroffizier aufwärts waren auch an den Rangabzeichen auf dem Mützenband sichtbar“. Die sind bei dem abgebildeten Erich Deutschmann nicht erkennbar, deshalb meint auch Pastor Fryderik Tegler aus Adendorf, dass es sich um die Uniform eines einfachen polnischen Soldaten handeln müsse. Auf die Frage des Fotoeinsenders Max Hamsch, wann die Aufnahme wohl gemacht worden sei, meint Herr Pastor Tegler, dass diese ohne Angabe des Geburtsdatums von Herrn Deutschmann schwer zu beantworten ginge. Könnte er schon vor 1939 in der polnischen Armee gedient haben, oder wurde er nach 1945 dazu gezwungen? Diese Uniform wurde bis in die 50er Jahre in Polen getragen, so Pastor Tegler, der erst 1976 in die Bundesrepublik Deutschland kam und heute Ehrenbürger von Sensburg ist. Das bestätigte auch unser Landsmann Horst Domnik, der aus Kanada anrief: „Ich habe sie selber getragen, als ich 1956 Soldat in der polnischen Wehrmacht werden musste. Zwar wollte ich den Dienst verweigern, aber ein kluger Westpreuße riet mir, dies nicht zu tun, sonst käme ich ins Bergwerk, und da wäre ich nicht mehr heil herausgekommen.“ Dem im Kreis Neidenburg Geborenen gelang es, 1962 in die Bundesrepublik zu kommen, er studierte Ökonomie und Betriebswirtschaft und ging 1975 nach Kanada, wo der heutige Mittsiebziger noch immer erfolgreich tätig ist. Das alles und noch mehr erfuhr ich in einem langen Gespräch, das ich gerne in voller Länge wiedergegeben hätte! Vielen Dank allen Lesern, die sich zu dem Foto geäußert haben. Ich sprach von Puzzlesteinchen – wie viele kleine Teilchen haben wir allein in diesem kurzen Bericht zusammensetzen können!

Beim nächsten Thema sind sie schon gewichtiger, da geht es um den in Folge 33 veröffentlichten Suchwunsch nach ehemaligen Königsberger Kindern, die nach den Bombenangriffen im August 1944 im Zuge der Kinderlandverschickung in das Erzgebirge gebracht wurden. Herr Ludwig Börner aus Pockau vermittelte uns den Wunsch einer heute in Schweden lebenden Königsbergerin, die damals in das Lager Oelsnitz kam, mit ehemaligen Schicksalsgefährten Kontakt zu bekommen. Herr Börner sieht sich allerdings nicht nur als Mittler, sondern ist selber als Heimatforscher sehr an diesem Thema interessiert, er arbeitet an einer Dokumentation über dieses heute kaum bekannte Kapitel deutscher Geschichte und hält darüber Vorträge. Auf unsere Veröffentlichung hin meldeten sich bei ihm drei ehemalige KLV-Kinder, mit denen er nun in Verbindung steht. Mit einem Anrufer, der sich lange und sehr engagiert mit ihm unterhalten hat, kann er leider keinen Kontakt pflegen, ihm ist weder dessen Name noch die Anschrift bekannt oder sie sind bei dem sehr intensiven Gespräch untergegangen. Wie auch immer: Dieser Anrufer möchte sich doch noch einmal bei ihm melden oder ihm schriftlich die nötigen Angaben machen. Hier noch einmal die Anschrift: Ludwig Börner, Dorfstraße 48 in 09509 Pockau, Telefon (01733) 942066.

Einige Tage nach der Veröffentlichung nun meldete sich selber die Frau aus Schweden, die Herr Börner „Dorothea“ nannte, in unserer Redaktion, unabhängig von der von ihm erwünschten Leserumfrage und zu der Zeit noch unwissend über die von ihm angestrebte Aktion. Und nun nimmt die Angelegenheit ganz andere Dimensionen an, denn Frau Dorothea Bjelfvenstam aus Stockholm will nicht nur diesen Abschnitt ihrer Kindheit für sich aufarbeiten, sondern in Form von Ausstellungen und Buchveröffentlichungen eine breite Öffentlichkeit darüber informieren – in der Bundesrepublik Deutschland, in Schweden, in ihrer Heimatstadt Königsberg, wo sie vor fünf Jahren den ersten Anstoß für ihre dokumentarische Arbeit bekam. Sie hat bereits gute Erfolge zu verzeichnen, über die Dorothea nun selber berichtet: „2005 wurde ich vom Baltic Writers Council zu einem dreitägigen Symposium nach Kaliningrad eingeladen, als Übersetzerin, aber auch als Königsbergerin. Ich hatte mich bis dahin nicht um meine ersten elf Jahre in Königsberg, von 1933 bis 1944, gekümmert. Bei diesem Besuch entdeckte ich, dass das Haus noch stand – sogar Großvaters Apfelbaum hatte alles überlebt. Wie wohl bei vielen meiner Generation wuchs plötzlich das Bedürfnis, darüber nachzudenken, etwas aufzuschreiben. So kam es zu einer Ausstellung 2007 in der Kaliningrader Kunsthalle zusammen mit der schwedischen Künstlerin Hanna Sjöberg mit meinen Texten und Photographien: ,Europäische Odyssee Königsberg–Oelsnitz–Potsdam–Stockholm–Kaliningrad“. Ich kam nach den Bombenangriffen auf Königsberg im August 1944 mit einem der NS-Transporte nach Sachsen. Die Monate in diesem KLV-Lager blieben lange eine Art Leerstelle: keine Photos, wenig Erinnerungen! Aber jetzt nach 60 Jahren Gespräche mit wieder gefundenen Lagerschwestern? Eine Liste aus dem Stollberger Archiv war das einzige Hilfsmittel, sie zu finden. Die Ausstellung brachte in Oelsnitz einiges in Bewegung. Dazu die Begegnung mit einem Königsberger Lagerkind, das nie von seinen Eltern abgeholt worden war, weil seine Eltern umgekommen waren. Diese Ausstellung wurde im März dieses Jahres im Brandenburgisch-Preußischen Museum in Potsdam gezeigt und wird für die Kunsthalle in Tensta/Stockholm vorbereitet“.

Aber Frau Dorothea möchte noch mehr tun: Sie will ein kleines Buch über „Königsberger Kinder in Sachsen“ erarbeiten. Und da fragt sie nun, wo und wie sie diese finden kann. Wie kommt sie an Material über die anderen Transporte heran? Was wurde aus den nicht abgeholten Kindern? Die meisten Unterlagen wurden beim Einzug der Sowjets zerstört. Frau Dorothea hat Namen von Mädchen, die größtenteils aus den Listen „ihres“ Lagers stammen, aber diese haben sich ja zumeist durch Heirat geändert, wie auch in ihrem Fall. Nun, wir haben ja schon durch die Vermittlung von Herrn Börner einiges in die Wege geleitet, und Frau Bjelfvenstam wird darüber inzwischen informiert sein. Da sie sich nun direkt an uns gewandt hat und wir ihr Schreiben veröffentlicht haben, dürfte sich das Echo verstärken. Ich bitte also noch einmal die ehemaligen KLV-Kinder oder alle, die Auskunft über ihren Verbleib geben können, sich zu melden. Entweder bei Herrn Börner oder bei Frau Dorohea direkt. Wir bleiben weiter am Ball. (Dorothea Bjelfvenstam, Vigingagatan 25 in 11342 Stockholm, Schweden, Telefon 0046/8/324284, E-Mail: dorotheabjelfvenstam@gmail.com)

Der September bringt die großen Heimattreffen und von dem des Kreises Heiligenbeil ist Frau Charlotte Gassert gerade an ihren Wohnort Boizenburg zurückgekehrt. Mit einer Handvoll Fragen im Gepäck, die sie gleich an uns weiterreichen will. Da geht es um zwei Bücher, die das in ihrem Heimatkreis gelegene Kirchdorf Bladiau betreffen. Verfasser der gesuchten Bücher „Die Bladiauer Kirche“ und „Die Chronik von Bladiau“ ist Ernst Böhm. Beide sind vergriffen und auch antiquarisch nicht zu finden. Vielleicht – so hofft Frau Gassert – befinden sie sich noch in Privatbesitz, und sollte dies zutreffen, wäre sie für eine Abgabe dankbar. Und dann hat sie noch eine sehr schwierige Frage, die sie für Frau Irene Manig geborene Müller stellt, aber die – wie ich feststellen musste – wir schon in Folge 20 in unserer Ostpreußischen Familie behandelt haben. Wohl ohne Erfolg, denn Frau Manig brachte sie auf dem Treffen vor, aber selbst die Kreiskartei konnte nicht weiterhelfen. Deshalb noch einmal in Kurzform: Irene Manig, *13. Januar 1945 in Königsberg, sucht ihren Vater, der 1945 Offizier bei der Luftwaffe gewesen sein soll und dem ihre Mutter, ihre beiden Schwestern und sie selbst die Flucht mit einem Militärflugzeug aus dem Heiligenbeiler Kessel verdanken. Den Namen ihres Vaters weiß Frau Manig nicht, auch nicht die der weiteren Helfer. In frühen Gesprächen mit ihrer Mutter fiel oft der Name „Lothar“, als Nachnamen wurden „Krause“ und „Reinitz“ erwähnt, aber das sind alles Vermutungen und nur mit Vorbehalt weiter zu geben. Gibt es noch Angehörige der Wehrmacht, die auf dem Flugplatz Heiligenbeil im Einsatz waren und die hierzu etwas sagen könnten? (Charlotte Gassert, Fritz-Reuter-Straße 36 in 19258 Boitzenburg, Telefon 038847/55420.)

Und noch schwieriger dürfte die Suchfrage von Frau Ulrike Neumann aus Saarbrücken zu erfüllen sein, aber sie ist auch nicht so gravierend, weil keine Schick­salsklärung der Grund ist. Sie reiht sich in die lange Liste der fragenden oder gesuchten „Neumänner“ ein, „die ganz bestimmt Ihre Zeitung lesen“, wie Frau Ulrike meint. Sie selber – keine Ostpreußin – liest gern unsere Familienseite, denn „kein Krimi ist spannender als diese Beiträge“. Gespannt kann man ja wirklich sein, was sich aus dieser von Frau Ulrike Neumann gestellten Frage ergibt: „Ich bin Geburtsjahrgang 1945, Vater aus Berlin, Mutter aus Saarbrücken. Die Ehe zerbrach, meinen Vater lernte ich nie kennen, er starb 1957. Von seiner noch lange lebenden Mutter hatte ich die vage Information der Herkunft aus Ostpreußen. Habe damals leider nicht nachgefragt, heute ist es zu spät. Meine Nachforschungen beim ,Neumann‘-Zweig haben ergeben: Großvater Friedrich Wilhelm Neumann, *19. November 1886 in Garrenchen/Nie­der­lausitz, Ehefrau Martha geborene Horn / Urgroßvater Gustav Adolf Neumann, *1854 in Luckau/Niederlausitz, Ehefrau Wilhelmine geborene Noack / Ururgroßvater Adolf Neumann, Ehefrau Karoline geborene Schmidt, beide aus Luckau – Garrenchen“. Soweit die Angaben von Frau Ulrike – ja, aber wo bleibt Ostpreußen? Hatte sich ihre Mutter womöglich geirrt und verwechselte die Ostgebiete? Stammte vielleicht Großmutter Martha Horn aus Ostpreußen? Hatte diese „Neumann“-Linie irgendwie Bezug zu einer der vielen „Neumänner“ aus unserer Heimat. „Ich bin ja erst ganz am Anfang meiner Forschungsarbeit. Es wäre wunderschön, wenn ich durch die Ostpreußische Familie ein Ende des roten Fadens in die Finger bekäme“, so Frau Ulrike. Suchen wir aber zuerst einmal den richtigen Anfang! (Ulrike Neumann, Kettelerring 10 in 66133 Saarbrücken, Telefon 0681/817589.)

Eure Ruth Geede


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