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09.10.10 / Indien greift nach den Sternen / Der zerrissene Subkontinent ist auf dem Weg zur politischen und wirtschaftlichen Supermacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-10 vom 09. Oktober 2010

Indien greift nach den Sternen
Der zerrissene Subkontinent ist auf dem Weg zur politischen und wirtschaftlichen Supermacht

Vor einer Woche hat die Preußische Allgemeine an dieser Stelle über die globalen Ambitionen Chinas berichtet. Heute richten wir den Blick nach Indien, die andere „demographische Supermacht“ mit deutlich über einer Milliarde Einwohnern. Schon jetzt kollidieren die Interessen der beiden wirtschaftlich aufstrebenden Atommächte Indien und China an mehreren Stellen.

Der immer wieder aufflackernde Kaschmirkonflikt mit Pakistan, brennende Christendörfer, mao-istische Attacken und muslimische Attentate, dazu ein gigantisches Gefälle zwischen arm und reich, Stadt und Land. Das sind einige Merkmale der Politik Indiens, das sich trotz seiner inneren Zerrissenheit mehr und mehr zum weltpolitischen Akteur aufschwingt.

Indien ist längst mehr als Bollywood, Gurus, Maharadschas und Elefanten. Schon längst hat sich das Land mit seinen fast 1,2 Milliarden Menschen in 28 Bundesstaaten zu einem der wichtigsten Handelszentren der Welt und Motor der Weltkonjunktur aufgeschwungen. Auch greift Neu Delhi mit seiner Weltraumpolitik pre-stigehungrig nach der Sternen. 2008 wurde die eigene Mondmission mit einer Sonde gestartet. Der Test für ein eigenes Raketenabwehrschild im Juli verlief erfolgreich. Ziel dieses Projekts ist es, mit den USA, Russland und Israel gleichzuziehen.

Besonderes Augenmerk richten Indiens Außenpolitiker auf die Bestrebungen Chinas, in Südasien stärker Fuß zu fassen. Premier Manmohan Singh zeigt sich alarmiert durch chinesische Hafenprojekte in Bangladesch, Sri Lanka und Pakistan sowie die wachsende Seemacht Pekings. Besonders beunruhigt ihn die Teilnahme zweier chinesischer Kriegsschiffe an Flottenmanövern in Birma. Zwischen den beiden asiatischen Giganten herrscht seit langem angespanntes Misstrauen, nicht zuletzt wegen des von den Indern beherbergten Dalai Lama und zweier Territorialkonflikte im Nordwesten und Nordosten des Landes.

Eine andere, ungelöste Aufgabe ist der schwelende Konflikt in der überwiegend islamischen Grenzregion Kaschmir. Militante Islamisten versuchen immer wieder, den Pakistan-Konflikt neu anzuheizen. Immerhin prallten die beiden Mächte hier seit 1947 dreimal militärisch aufeinander. Die radikalen Muslime und die Verwicklung Pakistans in den Afghanistan-Terror heizt die Stimmung an.

Im südöstlichen Bundesstaat Andhra Pradesh dagegen hat es die Regierung in Delhi mit mao-istischen Rebellen zu tun. Sie fordern mehr Wohlstand für die dortige Bevölkerung. Und obwohl die gut 25 Millionen Christen nur eine kleine und friedliche Minderheit gegenüber dem dominierenden Hinduismus sind, kommt es auch gegen sie immer wieder zu blutigen Ausschreitungen, derer die Regierung nur mit Militärgewalt Herr werden kann.

Trotz aller inneren Probleme zeigt die sehr heterogene indische Staatsnation großes und wachsendes Selbstbewusstsein, auch und gerade in wirtschaftlichen Belangen. Die größte Demokratie und der zweitbevölkerungsreichste Staat der Erde hat in einigen Branchen wie Pharmazie und Informationstechnologie längst Weltniveau erreicht. Noch gilt der Vielvölkerstaat als ein Schwellenland, das zwar 17 Prozent der Weltbevölkerung beherbergt, aber nur etwas über sechs Prozent zur weltweiten Produktion beiträgt. Doch seit Jahren wächst die Wirtschaftsleistung real um acht bis neun Prozent pro Jahr von der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise war und ist Indien nicht betroffen.

Die Staatsverschuldung liegt bei recht moderaten 61 Prozent der Bruttoinlandsproduktes, die Währungsreserven haben 2008 einen Wert von 256 Milliarden US-Dollar erreicht. Das Selbstbewusstsein Indiens zeigt sich seit Juni auch im neuen Erscheinungsbild der Rupie. Das Symbol der Währung, ein R mit zwei Querbalken, ähnelt den Zeichen von Euro und Yen.

Nicht zuletzt das Bevölkerungswachstum erlaubt mittel- und langfristig weiteres Wirtschaftswachstum. Einige Analysten gehen davon aus, dass Indien künftig stärker als China wachsen wird. Dazu muss sich seine Regierung allerdings von einer regulierten Staatswirtschaft noch mehr privaten, auch ausländischen Investitionen öffnen.

Die ersten Schritte dazu sind getan. Die Unternehmensberatung McKinsey bescheinigt Indien inzwischen ein „urbanes Erwachen“. McKinsey schätzt, dass bis 2030 die Stadtbevölkerung des Subkontinents von jetzt 340 Millionen auf fast 600 Millionen anwachsen dürfte, da 70 Prozent aller neuen Arbeitsplätze in den Metropolen entstehen.

Neben China bringt Indien die meisten Milliardäre in Süd- und Ostasien hervor. Eine wachsende Freizeitindustrie, wie sie etwa die Bootsschau von Bombay (Mumbai) zum Ausdruck bringt, zeugen davon. Viele deutsche Branchen, zumal die Autoindustrie, exportieren längst nach Indien.

Mit der Europäischen Kommission verhandelt Indien derzeit über ein Freihandelsabkommen. Dieser Entwicklung Rechnung tragend, macht sich auch die Rüstungsindustrie Hoffnungen. So erwartet etwa EADS Milliardenaufträge bei der Modernisierung der Streitkräfte. Ende September reiste Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle zu entsprechenden Gesprächen nach Neu Delhi. Wie er betonte, stünden zudem die Chancen bei erneuerbaren Energien, Infrastruktur und Ausbildung gut. Gerade bei der Infrastruktur hat Indien wegen seiner rasant wachsenden Wirtschaft einen immensen Nachholbedarf. Da ist der Nachbar China weiter. Der enorme Arbeitskräftebedarf der deutschen Wirtschaft von bundesweit 35000 Ingenieuren und 65000 IT-Spezialisten sowie Schätzungen von 230000 offenen Stellen bis 2020 verlange, so Brüderle, eine Zusammenarbeit mit dem südasiatischen Staat. Auch Großbritannien, die ehemalige Kolonialmacht, drängelt sich in den prosperierenden Markt, und für November hat sich US-Präsident Barack Obama zu einem Besuch angesagt, um einen „strategischen Dialog“ in Gang zu bringen. Insbesondere sollen Importbeschränkungen zur Sprache kommen. Zumindest innoffiziell dürfte es im Dialog der beiden Supermächte aber auch um geostrategische Fragen gehen. Joachim Feyerabend/K.B.


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