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09.10.10 / Für die Freiheit nur die Besten / Gründung der Preußischen Kriegsakademie in Berlin zur Ausbildung der Stabsoffiziere

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-10 vom 09. Oktober 2010

Für die Freiheit nur die Besten
Gründung der Preußischen Kriegsakademie in Berlin zur Ausbildung der Stabsoffiziere

Der Fisch stinkt vom Kopf her, sagt das Sprichwort. Ganz in diesem Sinne zeigte das Versagen der preußischen Armee im Vierten Koalitionskrieg von 1806/07 vor allem das Fehlen einer fähigen militärischen Elite. Um diese auszubilden, wurde vor 200 Jahren vom Militärreformer Gerhard von Scharnhorst die Allgemeine Kriegsschule für den preußischen Staat gegründet.

Verheerend war die Niederlage Preußens am 14. Oktober 1806 in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt gewesen, und es war nicht die Schlagkraft der Armee, die den Staat in den folgenden Monaten nur knapp vor dem endgültigen Untergang bewahrt hatte. Spätestens die militärische Ka­tastrophe hatte offenbart, wie dringend Preußen einer Militärreform bedurfte.

Den Vorsitz der im Juli 1807 auf königliche Anordnung gebildeten Militär-Reorganisationskommission übernahm der kurz zuvor zum Generalmajor beförderte Gerhard Johann David von Scharnhorst. Auf eine seiner vielen Initiativen geht auch die am 15. Oktober 1810 in Berlin gegründete Allgemeine Kriegsschule für den preußischen Staat, kurz: Preußische Kriegsakademie zurück. Sie diente als militärische Hochschule für die Ausbildung von Stabsoffizieren.

Der 1755 im Kurfürstentum Hannover als Sohn eines Großbauern geborene Scharnhorst trat nach einer persönlichen Audienz bei König Wilhelm III. 1801 als Oberstleutnant der Artillerie in preußische Dienste. Seine Ausbildung erhielt er an der Militärschule des Grafen Wilhelm von Schaumburg-Lippe. Leitbild ihrer Lehre war die aufgeklärte Menschenführung. Außerdem orientierte sich der Unterricht eng an Erfahrungen des Siebenjährigen Krieges. Von Anfang an fiel Scharnhorst durch überragende analytische Fähigkeiten auf. Ab 1782 lehrte er für reichlich zehn Jahre an der Artillerieschule in Hannover. Mehrfach trat er in dieser Zeit durch wegweisende Publikationen hervor, so etwa durch das 1787 erschienene „Handbuch für Officiere in den anwendbaren Theilen der Kriegswissenschaften“. Scharnhorsts Tätigkeit war allerdings nicht auf die Theorie beschränkt, 1793 hatte er seinen ersten Kampfeinsatz als Stabskapitän in der Festung Menin.

In Preußen stand der 1802 geadelte Scharnhorst im Mittelpunkt eines aufgeklärten militärwissenschaftlichen Diskurses. Eine wichtige Rolle spielte die  – maßgeblich von ihm selbst initiierte – Militärische Gesellschaft in Berlin, obwohl sie nur von 1801 bis 1805 bestand. Offiziere verschiedener Waffengattungen und Zivilisten, die sich mit militärischen Fragen beschäftigten, trafen hier zusammen. Die Gesellschaft bot ein Begegnungsforum und diente der Bildung des Offizierskorps. Hier wurden neue Publikationen im Bereich des Militärwesens und eigene Kriegserfahrungen diskutiert und theoretisch ausgewertet. Fast alle der späteren großen Militärreformer waren dabei: Neben Scharnhorst gehörten auch Gneisenau, Boyen, Clausewitz und der Freiherr vom Stein der Militärischen Gesellschaft an.

Blickt man auf Scharnhorsts Laufbahn als Militärtheoretiker und -pädagoge, aber auch als Offizier im Truppendienst – die Niederlage von 1806 hatte er unmittelbar miterlebt –, so erscheint die Gründung einer Militärhochschule, eben der Preu­ßi­schen Kriegsakademie im Ok­tober 1810 für ihn fast zwangsläufig gewesen zu sein. Die Notwendigkeit einer solchen Institution stand ohnehin außer Frage.

Vorläufereinrichtungen hat es gegeben, doch bestanden sie meist nicht lange. Bereits 1653 hatte der Große Kurfürst in Kolberg eine Ritterakademie gründen lassen. Unter Friedrich dem Großen eröffnete 1765 die Académie militaire. 1801 wurde abermals eine Akademie für junge Offiziere gebildet, die dann aber erst 1804 feste institutionelle Formen fand. Einer der beiden Leiter dieser Einrichtung war Scharnhorst, damals noch im Rang eines Obersten.

Längeren Bestand sollte erst die Preußische Kriegsakademie haben. Die Aus- und Fortbildung der Offiziere umfasste neben dem Militärwesen Naturwissenschaften und Sprachen. Scharnhorst konnte auch hier sein ausschließlich auf Leistung und nicht auf Herkunft orientiertes Ideal eines Offiziers einbringen: „Einen Anspruch auf Offiziersstellen sollen von nun an in Friedenszeiten nur Kenntnisse und Bildung gewähren, in Kriegszeiten ausgezeichnete Tapferkeit und Überblick. Aus der ganzen Nation können daher alle Individuen, die diese Eigenschaften besitzen, auf die höchsten Ehrenstellen im Militär Anspruch machen.“

Scharnhorst waren nur wenige Jahre vergönnt, sein Werk zu begleiten. Während der Befreiungskriege war die Akademie geschlossen und am 28. Juni 1813 verstarb der Militärreformer an Verwundungen, die er in der Schlacht bei Großgörschen vom 2. Mai des Jahres erlitten hatte.

Nach der Niederwerfung Napoleons wurde die Allgemeinen Kriegsschule 1816 wieder eröffnet. Sie erhielt den Status einer Universität, seit dem 1. Oktober 1859 führte sie die Bezeichnung „Königlich Preußische Kriegsakademie“. Grundsätzlich stand sie jedem befähigten Offizier offen. Neben der Aufnahmeprüfung war allerdings auch eine Beurteilung des Charakters durch den Regimentskommandeur erforderlich, was auch fachfremde Kriterien für die Auswahl ermöglichte.

Der Anspruch war sehr hoch, nur etwa jeder Fünfte bestand die Aufnahmeprüfung, von diesen wiederum schlossen nur 30 Prozent das Studium erfolgreich ab. Fast sämtliche höheren Militärs in Preußen hatten die Allgemeine Kriegsschule durchlaufen. Ihr guter Ruf festigte sich mit den Siegen in den Einigungskriegen von 1864, 1866 und 1870/71.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde die Akademie geschlossen und nach dessen Ende aufgrund des Versailler Vertrages nicht wieder eröffnet. In der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft wurde sie gleich zweimal kurz wiederbelebt: Einmal von 1935 bis 1939 und dann ab 1943, da allerdings schon nicht mehr in Berlin, sondern in Hirschberg/Riesengebirge.

Inwieweit Scharnhorst der Meinung gewesen wäre, die heutige Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg sei der geistige Traditionsträger seiner Gründung von 1810, sei dahingestellt. Die kontinuierliche Linie einer höchst anspruchsvollen Offiziersausbildung kann man aber in jedem Falle erkennen.     Erik Lommatzsch


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