25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
09.10.10 / Aufräumarbeiten in Königsberg / Der bescheiden auftretende neue Gebietsgouverneur behält nur wenige Mitarbeiter seines Vorgängers

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-10 vom 09. Oktober 2010

Aufräumarbeiten in Königsberg
Der bescheiden auftretende neue Gebietsgouverneur behält nur wenige Mitarbeiter seines Vorgängers

Am 28. September hat der neue Gouverneur Nikolaj Zukanow die Amtsgeschäfte für die Region Königsberg übernommen. Der Neue gibt sich korrekt und bescheiden. Politisch will er erst einmal Aufräumarbeit leisten.

Die Amtseinführungszeremonie am 28. September verlief offiziell und bescheiden. Keine Lieder zur Gitarre oder eine Eskorte Motorradfahrer, wie sie bei öffentlichen Auftritten von Georgij Boos zur Tradition gewordenen waren. Stattdessen gab es schon vor Nikolaj Zukanows Amtsantritt in der Regionalregierung erste Veränderungen. Unmittelbar nach seiner Bestätigung durch die Gebietsduma bezog er das Kabinett Nr. 250 im Gebäude der Gebietsregierung. Obwohl kein Namensschild an seiner Tür prangte, putzten alte und mögliche neue Minister hier bereits die Klinke. Denn schon Mitte September war klar geworden, dass Georgij Boos’ Versprechen an die Regierungsmitglieder, sie würden ihre Posten auch unter seinem Nachfolger behalten, nicht eingehalten würde. Ein Regierungsmitglied nach dem anderen reichte seine Rücktrittserklärung „auf eigenen Wunsch“ ein. Das klingt besser als „gefeuert, weil die Amtszeit des Gouverneurs ausläuft“. Zu den ersten, die ein Rücktrittsgesuch einreichten, gehörten Bildungsministerin Natalja Scherri, der Minister für Wohn- und Bauwirtschaft Jewgenij Morosow, Kulturminister Michail Andrejew, der Direktor der Sportagentur Irek Gimajew sowie Finanzministerin Olga Malygina. Die meisten Minister, die den Rücktritt noch nicht selbst eingereicht hatten, mussten ihre Sessel dann am 28. September gemeinsam mit Georgij Boos räumen.

Kürzlich wurden die Namen der Minister der neuen Interimsregierung bekannt gegeben. Zu ihnen gehören Vertreter der Kreisverwaltungen und Mitarbeiter, mit denen Zukanow schon in Gumbinnen zusammengearbeitet hat. Vize-Premier ist nun die frühere Ministerin für soziale Entwicklung Marina Orgejewa. Der ehemalige Regierungsvorsitzende des Verwaltungsbezirks (Oblast) Kirow Sergej Karnauchow sowie der ehemalige Entwicklungsminister des Stadtrats Michail Pljuchin gehören zur Übergangsregierung. Der ehemalige Bürgermeister von Heiligenbeil Oleg Schlyk wurde Industrieminister, und der Ex-Bürgermeister von Palmnicken Alexander Blinow wurde Minister für Wohn- und Bauwirtschaft. Aus Gumbinnen kamen Jewgenij Michajlow und Swetlana Kondratjewa. Somit verloren fast alle Boos-Vertrauten ihre Posten. Die endgültige Regierungsbildung wird sich noch bis Jahresende hinziehen, wenn klar wird, wer von den neuen Ministern seinen neuen Aufgaben gewachsen sein wird und wer nicht. Erst dann soll mit den Ministern ein Vertrag über ein Jahr abgeschlossen werden.

Daneben traf sich die Gebiets­organisation der Partei „Einiges Russland“ auf einer außerordentlichen Konferenz, auf der eine Reihe ehemaliger Minister aus dem Parteirat ausgeschlossen wurden, darunter Jelena Babinowskaja, die ehemalige Vize-Premierministerin, die bisherige Finanzministerin Jelena Matwejewna und die bevollmächtigte Vertreterin des Gouverneurs in der Gebietsduma Tamara Kusjajewa. Der Parteirat wurde um die Stadtratsvertreter und Geschäftsleute vergrößert.

Eine der letzten Entscheidungen, die Georgij Boos als Gouverneur getroffen hatte, betraf das Gehalt seines Nachfolgers. Gemäß der Reform des „Gesetzes über den Gouverneur“ erhöht sich dessen Basisgehalt von 72000 (1721 Euro) auf 195000 Rubel (4662 Euro). Georgij Boos hatte seinerzeit mit weit weniger Gehalt begonnen, das in den vergangenen fünf Jahren auch nicht erhöht wurde. Er hatte es stets einem Kindergarten gespendet. Nikolaj Zukanow sprach sich dagegen für eine gerechte Bezahlung des Gouverneurs aus, damit er sich nicht wie sein Vorgänger vorwerfen lassen müsse, Geschäften nachzugehen oder sein Geld anderweitig zu verdienen. Die Erhöhung des Gouverneursgehalts muss nun noch die Gebietsduma beschließen.

Der scheidende Gouverneur hat sich nicht nur um seinen Nachfolger gekümmert, sondern auch um die Politiker, die ihre Stellen verloren haben. Alle erhielten vor ihrem Rücktritt noch Auszeichnungen und Prämien. 19 erhielten den Orden „Für Verdienste um das Königsberger Gebiet“ und 47 die Medaille „Für Verdienste um das Königsberger Gebiet“. Neben Regionalpolitikern erhielten auch einige Geschäftsleute und Kulturschaffende Auszeichnungen. Diese waren mit dem Vielfachen eines Politikergehalts dotiert. Die Politiker hatten unter Boos aufgegliederte Bezüge erhalten: für besondere Umstände der Arbeit, monatliche Pauschalen und Prämien für „besonders wichtige und komplizierte Aufgaben“. Insgesamt wurden aus dem Gebietshaushalt zwölf Millionen Rubel (fast 290000 Euro) für diese Sonderzahlungen bereitgestellt. Zukanow erklärte, dass er solche Zahlungen streichen werde.

Viele Skandale haben Königsberg in letzter Zeit erschüttert. Besonders die Affäre um Dienstwohnungen für Beamte hatte für Diskussionen gesorgt. Nikolaj Zukanow griff dieses Thema selbst auf, indem er erklärte, die ins Gebiet gekommenen Regierungsbeamten von Georgij Boos hätten die ihnen zugeteilten Dienstwohnungen veräußert, so dass für die neuen Beamten nun zu wenige Wohnungen zur Verfügung stünden.

Die ehemalige Leiterin der staatlichen Immobilien-Agentur im Königsberger Gebiet Anna Bogdad dementierte dies. Keine einzige Dienstwohnung sei veräußert worden. Darüber hinaus sei die Agentur mehrfach von der Staatsanwaltschaft ohne Beanstandungen überprüft worden. Zur Zeit stünden der Regierung 64 Dienstwohnungen zur Verfügung, von denen acht frei stünden und nur zehn von Beamten bewohnt würden, in den restlichen lebten Mitarbeiter verschiedener Organisationen, Ämter und Einrichtungen. Zur Zeit ermittelt die Staatsanwaltschaft noch gegen Anna Bogdad.        Jurij Tschernyschew


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren