25.04.2024

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16.10.10 / Die Schweiz macht es vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-10 vom 16. Oktober 2010

Die Schweiz macht es vor
von Konrad Badenheuer

Können nur noch Diktaturen große Infrastrukturprojekte erfolgreich realisieren? Diese Frage stellte sich mancher schon nach der Einweihung der ersten kommerziellen Transrapidstrecke in Schanghai im Jahre 2002. Erfunden und entwickelt wurde die Technik in Deutschland, aber selbst die chinesische Referenzstrecke reichte nicht aus, um die Technik endlich auch in Deutschland anzuwenden: In München verhagelten Bürgerproteste und Finanzprobleme den Bau der Strecke zwischen Flughafen und Hauptbahnhof.

Apropos Hauptbahnhof: Finanzierungsprobleme scheint es in Stuttgart nicht zu geben und doch ist noch nicht ganz gesichert, ob das abschließend genehmigte Projekt am Ende verwirklicht werden kann. Die Eigendynamik des Protests, der Höhenflug der Grünen und ein nicht ganz berechenbarer, 80-jähriger Schlichter namens Heiner Geißler bilden ein Knäuel, in dem sich das Großprojekt schlimmstenfalls noch verheddern könnte – auch wenn sogar die Grünen die Festlegung vermeiden, den Bau nach einem möglichen Wahlerfolg im März zu stoppen.

Ungleich rationaler treibt unterdessen die Schweiz das größte Tunnelbauprojekt der Welt voran. Am Erscheinungstag dieser Zeitung soll beim Gotthard-Basistunnel der Durchschlag geschehen. Das Projekt ist wahrhaft gigantisch und stellt Stuttgart 21 weit in den Schatten: Eine Doppelröhre von 57 Kilometern Länge erlaubt künftig die Unterquerung der Alpen in Hochgeschwindigkeitszügen mit bis zu 270 Stundenkilometern. Selbst Güterzüge passieren die durch den Tunnel massiv verkürzte Strecke künftig mit bis zu 160 km/h − doppelt so schnell wie bisher. Deutschland und Italien rücken durch dieses Projekt verkehrstechnisch näher zusammen. Auch ökologisch überzeugt das Projekt: Die schnellen Züge machen dem Flugzeug Konkurrenz, die geringe Scheitelhöhe des Tunnels von nur 550 Metern über dem Meeresspiegel spart im laufenden Betrieb riesige Mengen Strom.

Auch die Schweiz hat ein kompliziertes Planungsrecht, Föderalismus und direkte Demokratie machen politische Entscheidungen nicht immer einfach. Und doch ist es gelungen, dieses Projekt auf den Weg zu bringen. Der Bau ist seinem Zeitplan sogar voraus. Natürlich sind auch die Kosten gigantisch: Der Tunnel selbst kostet 7,3 Milliarden Euro, die ganze Trasse sogar 9,1 Milliarden. Das ist weit mehr als zum Zeitpunkt der Entscheidung erwartet − und doch: Alle rechnen damit, dass sich das Projekt volkswirtschaftlich lohnt. Einmal gebaut, fließen die Erträge für Jahrzehnte und Generationen.

Die Kritiker in Stuttgart könnten sich von den Schweizern eine Scheibe abschneiden. Übrigens klagt die Schweiz schon, dass der Tunnel seinen Nutzen zunächst nicht voll entfalten könnte, weil die Nachbarländer ihre Zufahrtsstrecken nicht rechtzeitig modernisieren würden – was für eine Pointe mit Blick auf Stuttgart21!


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