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23.10.10 / Riesige Reibungsverluste / Deutsche Rüstungsprojekte sollen effizienter und kostensparender werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-10 vom 23. Oktober 2010

Riesige Reibungsverluste
Deutsche Rüstungsprojekte sollen effizienter und kostensparender werden

Auf der Suche nach Sparpotenzial hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg jetzt die Rüstungsindustrie entdeckt. Die fürchtet nun um ihre Zukunftsfähigkeit

In der ersten Oktoberwoche ließen scharfe Worte des Bundesverteidigungsministers zu Guttenberg eine ganze Branche erzittern: „Wahrhaft groteske Verträge mit der Industrie sind die früher im Ministerium eingegangen“, schimpfte der CSU-Politiker und kündigte eine „härtere Gangart“ gegenüber der Rüstungsindustrie an. Alle großen Projekte kämen auf den Prüfstand.

Was das im Detail für Firmen wie EADS, Rheinmetall oder Kraus-Maffei-Wegmann bedeutet, ist zwar noch nicht bekannt, doch da der Minister in den nächsten vier Jahren 8,3 Milliarden Euro einsparen muss, wird wohl auch die deutsche Rüstungsindustrie Kürzungen hinnehmen müssen. Louis Gallois, Chef des größten europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS reagierte prompt und betonte, eine derartige Sparpolitik bringe Arbeitsplätze in Gefahr und gefährde die Innovationsfähigkeit der deutschen und europäischen Rüstungsindustrie im internationalen Vergleich.

Deutschland ist nach den USA und Russland der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. 70 Prozent der deutschen Rüstungserzeugnisse gehen ins Ausland. Doch gut verkauft sich nur, was das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) als Erstkunde erworben hat.

Was theoretisch ein Qualitätsmerkmal sein sollte, bedeutet praktisch für die Deutschen häufig ein zähes Ringen. Denn der deutsche Erstkunde bekommt seine als innovativ und hochwertig angepriesenen Produkte oft nicht zum gewünschten Zeitpunkt und dann auch oft mit zahlreichen Fehlern und Macken. Diese werden anhand deutscher Praxiserfahrungen verbessert und sind dann ins Ausland verkäuflich. Doch zu Guttenberg möchte nicht mehr, dass der deutsche Staat viel Geld investiert, um als Versuchskaninchen zu agieren.

Allerdings wäre es falsch, der Rüstungsindustrie alleine die Schuld in die Schuhe zu schieben, schließlich werden Verträge immer von mindestens zwei Partnern gemacht und da hat das Verteidigungsministerium in den letzten Jahrzehnten sich oft genug verkalkuliert. Langwierige Planungs- und Beschlussphasen, Fehleinschätzungen zum Bedarf und nachträgliche Extrawünsche haben ebenso zu Verzögerungen und Kostenexplosionen geführt wie ineffiziente Strukturen in der Industrie.

„Da die Großprojekte den weit überwiegenden Teil der verfügbaren Gelder des BMVg auf viele Jahre blockieren und zudem oft größere Preissteigerungen aufweisen, fehlt dann das Geld für die kleinen, einsatzrelevanten, schnellen und flexiblen Beschaffungen“, erläutert Otfried Nassauer vom privaten „Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit“ (BITS) gegenüber der PAZ die Folgen der Ineffizienz bei manchen Rüstungsprojekten. „Daher rühren die oft berechtigten Klagen über Ausstattungsmängel im Einsatz, die noch dadurch verschärft werden, dass das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) schnelle Beschaffungen der Bundeswehr im Rahmen des ,einsatzbedingten Sofortbedarfs‘ nicht immer schnell und vorrangig bearbeitet, weil das BWB seine eigene Sicht dessen hat, was vorrangig ist.“

Offenbar kann zu Guttenberg also in seinem Ministerium wie bei der Rüstungsindustrie gleichermaßen nach Gründen für die Reibungsverluste bei Rüstungsprojekten suchen. Da aber auch Frankreich, Großbritannien, Spanien und Griechenland Großkunden bei der europäischen EADS und der deutschen Rüstungsindustrie sind und ebenfalls massiv ihre Rüstungsbudgets zusammenstreichen, warnen Experten davor, vor lauter Spartätigkeit die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen in Gefahr zu bringen.         Rebecca Bellano


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