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23.10.10 / Das konservative Profil

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-10 vom 23. Oktober 2010

Das konservative Profil
von Wilhelm v. Gottberg

Die Diskussion über das konservative Profil der CDU beschäftigt zur Zeit die Gremien der Partei. Welche Eigenschaften, welche Überzeugungen hat ein Konservativer? Das konservative Profil einer Partei wird nicht nur, aber doch wesentlich, durch Personen sichtbar, die als Meinungsbildner in herausgehobener Funktion im Parlament tätig sind. Beispiele für die CDU sind Adenauer, Dregger, Lummer, Todenhöfer, Martin Hohmann und Bernhard Friedmann. In der CSU waren es Strauß, Stoiber und zu Guttenberg, der Großvater des heutigen Verteidigungsministers, die als Garanten für konservatives Profil und Programmatik in der CSU standen.

Keiner der Genannten ist heute noch politisch aktiv. Bedeutet dies, dass sich der Konservativismus überholt hat? Keineswegs! Die Konservativen beziehungsweise Menschen mit konservativer Ausrichtung gibt es im heutigen Deutschland noch millionenfach. Sie sind allerdings überwiegend politisch heimatlos.

Roland Koch, der vormalige hessische Ministerpräsident, der eben aus der Politik ausstieg, galt in der veröffentlichten Meinung als einer der letzten Konservativen in der CDU. Koch war nie ein wirklicher Konservativer. Er war Pragmatiker, der im Reden und Handeln geschickt Stimmungen und Meinungen bestätigte beziehungsweise ablehnte. Richtschnur war: Nutzt es oder schadet es? Man kann ein derartiges Handeln auch als opportunistisch bezeichnen. In der heutigen Parteiendemokratie Deutschlands wird keiner ohne opportunistische Begabung in ein politisches Spitzenamt gelangen.

Der ehemalige hessische Ministerpräsident antwortete bei seinem Abgang auf die Frage, was ihm „konservativ zu sein“ bedeute, „Maß und Mitte halten“. Wer so antwortet, ist kein Konservativer. Die Orientierung an der sogenannten „Mitte“ signalisiert eher eine Haltung, die zeitgeistlich ausgerichtet ist. Schon die Festlegung auf die Mitte signalisiert Beliebigkeit, denn in den vergangenen 35 Jahren sprachen die Politiker wechselnd von der „Mitte“, von der „neuen Mitte“, von der „linken Mitte“ und dann wieder von der „Mitte“. Auffällig, dass niemals von der „rechten Mitte“ gesprochen wurde.

Wie ist die Bewusstseinslage eines Konservativen zu beschreiben? Eine allgemeine, anerkannte, griffige und prägnante Definition einer konservativen Grundhaltung gibt es nicht. Gleichwohl haben Konservative unverrückbare Grundüberzeugungen. Am Bewährten festhalten, für Erneuerung nach sorgfältiger Prüfung offen sein, die Einsicht, dass nichts so beständig ist wie der Wandel, und eine strikt am Rechtsstaat orientierte Handlungsweise. Das sind Grundeinstellungen eines Konservativen. Letzteres schließt ein, dass ihm die transzendentale Dimension bewusste ist, denn das Recht hat seine Wurzeln in den Zehn Geboten.

Darüber hinaus halten Konservative an zeitlosen Werten fest. Dazu gehören: Ehe und Familie, Treue, Pflichterfüllung, Ehrlichkeit und die Verantwortlichkeit gegenüber der eigenen Familie, der Allgemeinheit und der Umwelt sowie die Liebe zu seinem eigenen Volk und seiner Geschichte. Schließlich ist dem Konservativen die Tradition wichtig. Durch die Pflege der Tradition werden zeitlose Werte sowie Großereignisse der eigenen Geschichte wachgehalten und somit eine positive Prägung der nachwachsenden Generationen ermöglicht.

Daraus ergibt sich: Konservative sind für einen umfassenden Lebensschutz und gegen den Schwangerschaftsabbruch, sie sind für eine umfassende Familienförderung und gegen die quasi Ehe-Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartner. Die Kontinuität der deutschen Leitkultur, die sich über Jahrhunderte entwickelt hat, ist den Konservativen wichtig. „Multikulti“ haben sie immer in realistischer Einschätzung als Träumerei abgelehnt. Es gibt kein Beispiel auf der Welt, bei dem Zugewanderte aus einem fremden Kulturkreis die Kultur des Zuwanderungsgebietes in friedlicher Weise umgeformt haben. Gegenteilige Beispiele gibt es allerdings. Die Vermischung der Kulturen kann im Bürgerkrieg enden (Samuel Huntington „Clash of Civilizations“).

Aus dem Verfassungsgebot „Staatlicher Schutz für Ehe und Familie“ ergibt sich für den Konservativen, dass die Erziehungsleistung der nicht berufstätigen Mütter stärker gewürdigt werden muss. Die katastrophalen Folgen der demographischen Entwicklung haben ihre wesentliche Ursache in der jahrzehntelangen diskriminierenden Heruntermachung der sogenannten „Nur-Hausfrauen“. Deutschland muss nicht zwangsläufig das geburtenschwächste Land der Welt sein. Die Ursachen sind hausgemacht. Die schrumpfende deutsche Bevölkerung wird zum Teil verdeckt durch die Mehr-Kinder-Familien der Zugewanderten und die Tatsache, dass einem Teil der Zugewanderten die deutsche Staatsbürgerschaft zuerkannt wurde.

Es gibt zurzeit in Deutschland keine Partei, die für die Konservativen im Lande ein politisches Sammelbecken sein könnte. Eingeschränkte Ausnahmen bilden Bayern und die CSU. Die CSU ist derzeit einzige Volkspartei in Deutschland mit einem Wählerpotenzial zwischen 40 und 50 Prozent. CDU und SPD bleiben derzeit unter 30 Prozent und können somit nicht mehr als Volksparteien bezeichnet werden. Die Aussicht der SPD, mehr als 30 Prozent Wählerstimmen bei zukünftigen Wahlen zu gewinnen, sind deutlich besser als bei der CDU. Der SPD haben die „Grünen“ und die „Linke“ Stimmen abgenommen. Ein Teil der Stimmen kann wieder zurückgewonnen werden.

Die CDU hat jahrzehntelang ihre konservative Klientel missachtet. Die Demokratische Rechte im Lande – sie gibt es – war den Verantwortlichen der Union keiner besonderen Beachtung wert. Jahrelang hieß es bei diesen Wählern „Augen zu, CDU!“ oder „Wir wählen CDU, sie ist das kleinere Übel“. Neuerdings hört man nicht häufig, aber gelegentlich: „Die CDU ist nicht das kleinere Übel, sie ist das Übel.“ Der Absturz der christlich-demokratischen Schwesterpartei in Italien von der jahrzehntelangen Regierungspartei zur absoluten Bedeutungslosigkeit sollte die Granden der CDU zum Nachdenken bringen.


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