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23.10.10 / Berlusconi auf Talfahrt / Italien: Mitte-Rechts-Partei des Ministerpräsidenten bei 30 Prozent

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-10 vom 23. Oktober 2010

Berlusconi auf Talfahrt
Italien: Mitte-Rechts-Partei des Ministerpräsidenten bei 30 Prozent

Lange konnte sich Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi nicht auf den Lorbeeren des Ende September gewonnenen Vertrauensvotums ausruhen. Eine Mehrheit der Abgeordneten bestätigte ihn und seine Mitte-Rechts-Koalition im Amt bis zum Ende der Legislaturperiode 2013. Diese hatte monatelang nach dem Bruch mit dem früheren Bündnispartner Gianfranco Fini auf der Kippe gestanden. Nun tritt der Premier aufs Gaspedal, um sein Fünf-Punkte-Programm umzusetzen, für das er das Vertrauen im Parlament erhalten hat. Der Ministerrat verabschiedete Anfang Oktober ein Dekret für die stärkere finanzielle Autonomie der Regionen. Zudem kündigte Berlusconi eine Reform des Justizwesens, Steuererleichterungen für Familien, die Bekämpfung des organisierten Verbrechens und der illegalen Zuwanderung sowie Infrastrukturmaßnahmen für den Süden an.

Doch die kritischen Stimmen sind nicht verstummt. Laut einer Umfrage vom September lag die Popularität von Berlusconis Mitte-Rechts-Partei „Volk der Freiheit“ auf einem Rekordtief von knapp 30 Prozent. Mit großen überregionalen Protestaktionen bereiten die Italiener der konservativen Regierung derzeit einen heißen Herbst. Vergangenes Wochenende demonstrierten Zehntausende in Rom für Beschäftigung und Demokratie. An der Kundgebung nahm neben Arbeitnehmern und Politikern der linken Opposition auch der Generalsekretär der größten italienischen Gewerkschaft, Gugliemo Epifani, teil. Die Proteste richteten sich gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung und die zunehmend unsicheren Beschäftigungsverhältnisse. „Italien stürzt in den Abgrund. Ein Kurswechsel in der wirtschaftspolitischen Strategie ist dringend notwendig. Die Zahl der Arbeitslosen wächst, und die Unternehmen nutzen die Krise aus, um die Rechte der Arbeitnehmer zu beschneiden“, so Epifani.

Bereits eine Woche zuvor hatte in der Hauptstadt der zweite „No-B(erlusconi)-Day“ der Internet-Protestbewegung „Lila Volk“ stattgefunden. Mehrere tausend Bürger forderten den Rücktritt des Regierungschefs und vorzeitige Neuwahlen. Sie warfen Berlusconi vor, die Verfassung mit maßgeschneiderten Gesetzen auszuhöhlen, um sich in seinen laufenden Korruptionsverfahren vor der Justiz zu schützen. Im März hatte der Senat eine Übergangsregelung verabschiedet, die Berlusconi und seinen Ministern künftig erlaubt, Gerichtsprozessen fernzubleiben. Namhafte Oppositionspolitiker, Intellektuelle und Künstler riefen Anfang Oktober den Ministerpräsidenten dazu auf, politische Verantwortung zu beweisen. „Er soll sich vor Gericht ohne Schutz von Immunitätsgesetzen verteidigen. Das Gesetz ist für alle gleich“, appellierte der Journalist Giuseppe D’Avanzo in der Tageszeitung „La Repubblica“.

Schließlich gingen zehntausende Schüler und Studenten in verschiedenen Städten auf die Straße, um gegen die Sparbeschlüsse der Regierung zu demonstrieren. An Schulen und Universitäten sollen eine Milliarde Euro eingespart und 130000 Stellen gestrichen werden. Dabei ist Italien schon heute europäisches Schlusslicht bei den Bildungsausgaben – nur gefolgt von Rumänien. Angesichts der Jugendarbeitslosigkeit von 25 Prozent schrieb der Rektor einer renommierten italienischen Privatuniversität in einem offenen Brief an seinen Sohn: „Du hast die Ausbildung in Italien abgeschlossen. Nun musst Du dieses Land verlassen. Es kann Dir keine Zukunft geben.“ Sophia E. Gerber


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