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23.10.10 / Kupfer statt US-Immobilienkredite / Neue Anlageprodukte locken: ETF-Papiere sind zwar goldwert, verschieben aber Angebot und Nachfrage

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-10 vom 23. Oktober 2010

Kupfer statt US-Immobilienkredite
Neue Anlageprodukte locken: ETF-Papiere sind zwar goldwert, verschieben aber Angebot und Nachfrage

Weil Staaten und Notenbanken ihre Währungen durch die Politik des billigen Geldes instabil machen, suchen Investoren sicherere Anlagemöglichkeiten. Rohstoffe scheinen hier eine gute Alternative, doch neue Finanzprodukte bergen soziale und wirtschaftliche Gefahren.

Mit der Gründung der „Deutschen Rohstoffagentur“ in Hannover hat die Bundesregierung signalisiert, wie ernst sie das Problem der Rohstoffversorgung der deutschen Industrie nimmt. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schlägt bereits Alarm: Die deutschen Unternehmen sähen sich schon jetzt „beträchtlichen Beschränkungen des Rohstoffzugangs“ gegenüber. Und, besonders beunruhigend: Die Engpässe seien nicht vor allem marktgetrieben, sondern „politischen Ursprungs“.

Bei Rohstoffen wird zu allererst an Öl, Erze oder Nahrungsmittel gedacht. Ins Blickfeld gerückt sind zudem die „seltenen Erden“, eigentlich Metalle, die unerlässlich sind für Geräte der Spitzentechnologie, von deren Herstellung die deutsche Industrie entscheidend abhängt. Von den Metallen der „seltenen Erden“ liegen, je nach Element, bis zu 97 Prozent in chinesischer Erde. Unlängst hatte Peking den Export nach Japan im Streit um eine Insel drastisch eingeschränkt.

Die neugeschaffene Agentur soll deutsche Unternehmen künftig bei der Beschaffung von Rohstoffen beraten. Zudem soll sie helfen, eine langfristige Strategie für die Versorgungssicherung zu entwerfen. Kanzlerin Angela Merkel hat bereits angekündigt, dass ein Schwerpunkt dieser Strategie  im Engagement in Zentralasien liegen soll.

Doch für die wachsenden Spannungen auf dem Rohstoffmarkt ist beileibe nicht bloß die politische Strategie vor allem Chinas verantwortlich, das versucht, durch Exportverknappung von wichtigen Rohstoffen Fertigungsstätten ins eigene Land zu ziehen. Zu einem Anstieg der Rohstoffpreise trägt auch die Währungspolitik großer Länder bei. Insbesondere die USA fluten ihre sieche Wirtschaft mit letztlich ungedecktem Geld, China hält seine Währung künstlich niedrig, auch Japan versucht, wenn auch mit mäßigem Erfolg, seine Währung per Eingriff auf dem Devisenmarkt zu drücken, um seine Exportchancen zu erhöhen. Der sich anbahnende Abwertungswettlauf und die abnorm hohe Staatsverschuldung vieler Länder untergräbt das Vertrauen der Anleger in die „Papierwährungen“ und treibt sie in Anlageformen, die auf Rohstoffen basieren.

Dazu zählen die sogenannten „Exchange Traded Funds“ (ETF). Finanzdienstleister werben in deutschen Medien aggressiv für diese Fonds. Dabei handelt sich es streng genommen um Lagerbestände eines bestimmten Rohstoffs. Der Investor kauft einen bestimmten Anteil an dem Bestand und erhält dafür ein Wertpapier, das den Wert seines Anteils abbildet.

Bekannt sind vor allem große Fonds über Gold. Verfügten die Gold-ETF weltweit Mitte 2004 nur über 74 Tonnen des Edelmetalls, so sind es mittlerweile schon über 2000 Tonnen. Zum Vergleich: Der größte staatliche Goldschatz, der der USA, umfasst gut 8000 Tonnen, die Goldreserve der Bundesbank, die zum größten Teil in New York und London lagert, 3400 Tonnen.

Auch für Silber, Platin sowie das weniger bekannte Edelmetall Palladium stehen solche Fonds zu Verfügung, die über regen Zulauf berichten. Das hat die Finanzinstitute auf den Geschmack gebracht: Jetzt sollen Fonds auch für die Industriemetalle Aluminium, Blei, Kupfer, Nickel und Zink aufgelegt werden.

Was jedoch für Anleger, die den Papierwährungen nicht mehr Vertrauen und daher Anlage in reale Werte vorziehen, eine interessante Aussicht sein könnte, kann für die Industrie und letztlich für die Endverbraucher teuer werden: Die Fonds betreten als zusätzlicher Nachfrager bei kaum verändertem Angebot den Markt, was die Preise für die Metalle in die Höhe treiben könnte.

Wie sehr reine Anlageinvestitionen und Börsenspekulationen die Rohstoffmärkte durcheinanderbringen können, hatte sich beim letzten Rohstoffboom vor gut zwei Jahren gezeigt. Als Mitte 2007 die Luft aus den aufgeblähten Immobilienmärkten der USA und anderer Länder zu entweichen begann, stürzten sich Anleger auf Rohstoffe. Dies geschah vor allem im Rahmen klassischer Terminkontrakte. Dabei wird zwischen Käufer und Verkäufer im Voraus ein bestimmter Preis vereinbart, für den eine Ware zu einem bestimmten Zeitpunkt abgenommen werden muss. Sinkt der Marktpreis bis dahin, gewinnt der Verkäufer, denn er kann seine Ware für einen zu dem Zeitpunkt eigentlich überhöhten Preis loswerden, steigt er, gewinnt dementsprechend der Käufer.

Durch den starken Zufluss von Investorengeld schossen 2008 auch die Preise für Agrarrohstoffe und damit Lebensmittel in die Höhe. Was für die Verbraucher in den entwickelten Ländern lästig oder gar schmerzhaft war, wuchs sich für die Verbraucher in armer Weltregionen damals zum ernsthaften Problem aus. Der medienbekannte Frankfurter Börsenmakler Dirk Müller rät seinen Kunden denn auch ausdrücklich von Spekulationen im Nahrungsmittelbereich ab, weil es schlicht rück-sichtslos sei.

Und wie wäre es mit einem Verbot? Das wäre international kaum durchsetzbar. Zudem haben die Terminkontrakte eine wichtige Funktion auch für „echte“ Marktteilnehmer. So können Lebensmittelhersteller auf diese Weise ihr Preisrisiko verringern: Egal wie die Ernte wird, sie wissen im Voraus, was sie bezahlen werden und können entsprechend kalkulieren.

So fällt das Problem letztlich wieder in Verantwortung der Staaten und Notenbanken: In dem Maße, in dem sie ihre Währungen verlottern lassen, suchen sich Investoren andere Möglichkeiten, ihr Vermögen zu sichern und zu mehren, als es in wackligem Geld anzulegen. Daraus können, wie aufgezeigt, schwerwiegende Schädigungen der realen Wirtschaft erwachsen. So treiben die Rohstoffinvestitionen und -spekulationen die Preise, die dann auch solche Volkswirtschaften heimsuchen werden, die ihre Währung und Haushalte noch halbwegs in Ordnung gehalten hatten.   Hans Heckel


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