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23.10.10 / »Aber er ist doch ein Hugenotte!« / Der Große Kurfürst reagierte auf das Edikt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-10 vom 23. Oktober 2010

»Aber er ist doch ein Hugenotte!«
Der Große Kurfürst reagierte auf das Edikt von Fontaine­bleau mit seinem Toleranzedikt von Potsdam

Am 29. Oktober 1685 nach dem Julianischen Kalender erging das kurbrandenburgische Edikt „Betreffend Diejenigen Rechte/Privilegia und andere Wolthaten/welche Se. Churf. Durchl. zu Brandenburg denen Evangelisch-Reformirten Frantzösischer Nation so sich in Ihren Landen niederlassen werden daselbst zu verstatten gnädigst entschlossen seyn“. Berühmt wurde dieser Erlass als Edikt von Potsdam.

Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg (1620–1688), besser bekannt als der Große Kurfürst, hatte damit schnell reagiert. Nur drei Wochen war es her, dass der französische König Ludwig XIV. (1638–1715), der Sonnenkönig, das nach blutigen Kämpfen 1598 erlassene Toleranzedikt von Nantes mit dem Edikt von Fontaine­bleau aufgehoben hatte. Ab 1598 waren die französischen Hugenotten, die Anhänger der Lehre des Reformators Johannes Calvin, für ein knappes Jahrhundert den Katholiken gleichgestellt gewesen. Nun hatten sie wieder Repressalien zu erleiden, Ludwig XIV. hatte verfügt, ihre Kirchen dem Erdboden gleichzumachen, der Übertritt zur katholischen Konfession sollte erzwungen werden.

Zehntausende Hugenotten flohen, etwa 20000 davon nach Brandenburg-Preußen. Angelockt wurden sie vom Edikt von Potsdam, das ihnen in 14 Paragraphen zahlreiche Privilegien und finanzielle Unterstützung garantierte. Sicher war es ein Motiv für den Großen Kurfürsten, seinen in Bedrängnis geratenen calvinistischen Glaubensbrüdern helfend zur Seite zu stehen. Weit mehr aber waren Fried­rich Wilhelm, dessen Land noch immer unter den Bevölkerungsverlusten des Dreißigjährigen Krieges zu leiden hatte, die qualifizierten und strebsamen Hugenotten zur Belebung der Wirtschaft, zur Verstärkung des Militärs sowie als Wissenschaftler und Künstler willkommen.

Die vielfältigen großzügigen Zugeständnisse – neben Anschubfinanzierungen zur Existenzgründung und Steuervergünstigungen übernahm der Staat die Bezahlung der Hugenottenprediger – zahlten sich aus. An die 50 Berufe, die infolge des Dreißigjährigen Krieges in Brandenburg nicht mehr ausgeübt wurden oder bislang ganz unbekannt waren, kamen durch die Einwanderer ins Land. Dazu zählten Strumpfwirker, Färber, Hut-, Perücken- und Handschuhmacher, ebenso wie Messer-, Scheren-, Silber- und Goldschmiede, Zinngießer, Papier- und Tapetenhersteller. Im 17. Jahrhundert entwickelten sich Textilmanufakturen im Bereich des Textilgewerbes unter maßgeblicher Beteiligung der Hugenotten. Das noch heute bestehende, 1689 gegründete Französische Gymnasium, war ihre wichtigste Bildungseinrichtung – wobei sich die Schülerschaft von Anfang an keineswegs nur aus den französischen Glaubensflüchtlingen zusammensetzte.

Die Idee der Kadettenkompanie, die junge Adelige theoretisch und praktisch auf den Militärdienst vorbereitete, war eine französische Einrichtung, die die Hugenotten aus ihrer Heimat mitbrachten und die die brandenburgische Armee übernahm. Ein Jahrhundert nach dem Erlass des Edikts von Potsdam stellten Hugenotten 15 Prozent der preußischen Offiziere.

Dem Kurfürsten gelang es, die geglückte Integration auch nach außen stark zu seinen Gunsten darzustellen. Das Edikt von Potsdam gilt bis heute als Zeichen von Toleranz und politischer Weitsicht. Dem Beifall der protestantischen Fürsten konnte er sich sicher sein.

Noch heute sind es nicht nur Bauwerke, etwa der Französische Dom am Berliner Gendarmenmarkt, die das Bewusstsein um die Geschichte der französischen Einwanderer wachhalten, sondern auch Namen wie beispielsweise der des Schriftstellers Theodor Fontane. Er stammt aus einer hugenottischen Familie und legte im Übrigen großen Wert darauf, dass man Fontane französisch aussprach. Um den Bezug bis in die unmittelbare Gegenwart zu illustrieren, sei die Familie de Maizière genannt. Ulrich de Maizière war Generalinspekteur der Bundeswehr und gilt als einer der Väter der Inneren Führung, Lothar de Maizière war einziger frei gewählter und letzter Ministerpräsident der DDR und Thomas de Maizière ist gegenwärtig Bundesminister des Inneren.

In der eigenen Geschichtsschreibung betrachteten sich die Hugenotten gern als maßgebliche Mitbegründer des preußischen Staates. Das ist sicher überzogen, aber wichtige positive Impulse verdankt ihnen die Entwicklung Brandenburg-Preußens auf jeden Fall.

Dass sie sich eines untadeligen Rufs erfreuten, zeigt folgende Begebenheit. Pierre Fromery, der seit 1685 in Berlin ansässig war, sollte zwecks Umarbeitung Schmuck aus dem kurfürstlichen Besitz übergeben werden. Auf die Frage Friedrich Wilhelms an seine Gemahlin, ob man einem Fremden diese Wertgegenstände einfach so anvertrauen dürfe, soll die Kurfürstin ausgerufen haben: „Aber er ist doch ein Hugenotte!“ Erik Lommatzsch


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