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23.10.10 / Die ostpreussische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-10 vom 23. Oktober 2010

Die ostpreussische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,     

liebe Familienfreunde,

kürzlich hatte ich von einer engen Vernetzung unserer Ostpreußischen Familie gesprochen, aber ich glaube, das ist noch zu weitmaschig gestrickt. Eher könnte man sagen, dass wir ein Flechtwerk sind, eine Art Auffangkorb für Wünsche und Fragen, die man an niemanden aus dem engeren Lebenskreis mehr stellen kann. So wie Herr Gerhard Mannke aus Elmshorn schreibt: „Es gibt noch so viel, was man wissen möchte, und findet kaum noch jemanden, der Auskunft geben kann.“ Aber unsere große Ostpreußische Familie ist ja da, und umso größer ist die Freude, wenn aus ihrem Kreis die Antwort kommt, auch wenn es nur ein Hinweis auf weitere Suchmöglichkeiten ist. Der dann letztendlich zum Erfolg führen kann wie Frau Angelika Gennies aus Rostock berichtet.

Sie hatte uns von dem „weißen Fleck“ in ihrer Familiengeschichte geschrieben, der eine Schwester ihres Schwiegervaters betraf. Diese hatte bereits in den ersten Nachkriegsjahren in der damaligen DDR nach ihrem vermissten Bruder gesucht und war Anfang der 60er Jahre verstorben, ohne etwas über sein Schicksal zu erfahren. Das wurde erst kürzlich anhand seiner Erkennungsmarke aufgeklärt, als seine sterblichen Reste in einem Kameradengrab auf heute polnischem Gebiet gefunden wurden. Nun suchten Sohn und Schwiegertochter des 1945 Gefallenen nach den Nachkommen seiner Schwestern Anna und Marie Luckau und sahen den letzten möglichen Weg über unsere Ostpreußische Familie. Und da kam unser „Flechtwerk“ zum Einsatz, wie Frau Gennies berichtet:

„Tatsächlich hat sich nach der Veröffentlichung eine Leserin gemeldet und mir Anschriften von Behörden und Vereinen zugeschickt darunter auch vom ,Memeler Dampfboot‘. Auf meine Schreiben hin meldete sich bei mir ein völlig fremder Herr und sandte mir die Stammdaten meines Schwiegervaters, dessen Eltern und Geschwister zu. Er hat sich auch genealogisch mit den Gennies-Daten befasst. Aufgrund dieser Daten konnte ich noch einmal einen Anlauf machen und schrieb an den Verein Simon Dach in Klaipeda (Memel). Eine positive Nachricht hatte ich nicht erwartet, sie stand aber lebendig am 24. Oktober vor unserer Wohnungstür. Es war der Ur-Ur-Enkel einer Schwester meines Schwiegervaters. Er war an dem Tag extra nach Rostock gekommen, um an dem Ostpreußen- und Memel-Treffen teilzunehmen. Leider konnten wir aufgrund der Behinderung meines Mannes nicht daran teilnehmen, so hat er uns am Abend aufgesucht. Wir waren wie vom Blitz getroffen, da wir dies nicht erwartet hatten. Ebenso war auch er baff, als er über Umwegen unseren Brief an den Verein in den Händen hielt, da nie von einem Bruder seiner Ur-Ur-Oma gesprochen wurde. Anhand von unseren Unterlagen konnten wir aber die Zweifel ausräumen. Wir sind sehr glücklich, dass wir nun dem weißen Fleck im Stammbaum Farbe geben können, dank Ihrer Hilfe. Ein riesiges Dankeschön an das Ostpreußenblatt!“

Und ein solches kommt auch von Frau Waltraut Hartmann aus Ebstorf, deren Suchwunsch wir in Folge 12 veröffentlichten, und auch dies will ich wörtlich wiedergeben: „Ich möchte mich ausdrücklich ganz herzlich bedanken, dass Sie freundlicherweise meine Anfrage zu meinem Fluchtweg über die Ostsee nach Kopenhagen gebracht haben. Inzwischen habe ich von der Sloman-Neptun-Schiffahrts-Aktien-Gesellschaft aus Bremen Auskünfte über ,unsere‘ ,Herkules‘ – mit Bild – erhalten. Erwähnen möchte ich noch, dass alle, die ich angeschrieben habe, mir sehr freundlich und hilfsbereit entgegen gekommen sind. Schon am Sonntag nach der Veröffentlichung hat mich ein Leser aus Detmold angerufen und mich auf vier Bücher hingewiesen, die mir eventuell weiterhelfen könnten. Drei davon habe ich käuflich erwerben können, das vierte ist aber leider nicht mehr lieferbar. Es handelt sich um das Buch ,Die deutschen Flüchtlinge in Dänemark 1945–1949‘ von Henrik Havrehaed, erschienen 1987 als dänische und 1989 als deutsche Ausgabe im Verlag Boysens & Co. Heide (ISBN-Nr. 3-8042-0483-X). Meine Frage und Bitte: ,Besitzt noch jemand das Buch und ist bereit es abzugeben?‘“ Nach ihren guten Erfahrungen mit unserer Ostpreußische Familie hofft Frau Hartmann, dass sich auch ihre neue Bitte erfüllt. (Waltraut Hartmann, Tatendorfer Straße 16 in 29574 Ebstorf, Telefon 05822/855.)

Wichtig ist jede Antwort, auch wenn sie spät kommt – wie die von Herrn Gerhard Mannke aus Elmshorn auf die Frage von Frau Heidi-Huberta Baldauf nach dem Geburtsort ihrer Großmutter, den sie nicht finden konnte. Er hieß Bodzanowo und lag, wie unsere Leser herausfanden, im ehemaligen Gouvernement Plock. Die Enkelin war für die Informationen über den Ort und das Gut Sporwitten, wie der deutsche Name lautete, sehr dankbar und sah die Sache als abgeschlossen an. Aber ich glaube, sie wird sich doch freuen, wenn ich ihr jetzt die sehr präzisen Auskünfte von Herrn Mannke über Sporwitten zusenden kann, denn er selber war damals beim Reichsarbeitsdienst (RAD) in Leunenburg und zeitweilig in einer Baracke untergebracht, die sich in dem ehemaligen Gutspark befand. So kann er genaue Angaben über das Gut Bodzanowo/Sporwitten oder vielmehr über das, was damals noch vorhanden war, machen, die Frau Baldauf überraschen werden. Manchmal ist eben das „Nachschrapselchen“ das Beste vom Kuchen. Das mag auch Herrn Artur Necker aus Eckernförde ein Trost sein, dessen Suche nach ehemaligen Schulkameraden bisher keine Resonanz fand. Wir hatten seinen Wunsch Anfang März veröffentlicht, aber Herr Necker zweifelte selber an einem Erfolg, denn es handelte sich um ehemalige Schulkameraden aus der Lehrerbildungsanstalt (LBA) Liebenthal in Schlesien, die 1941/42 dort ausgebildet wurden. „Es wäre auch mehr als ein Wunder“, meint Herr Necker in seinem neuen Schreiben, in dem er sich für die Veröffentlichung bedankt. Da aber Wunder immer wieder geschehen, hier noch einmal die Anschrift des Konrektors a. D.: Artur Necker. Prinzenstraße 19 in 24340 Eckernförde, Telefon (04351) 81500.

Unverhofft kommt oft, jedenfalls für mich. Und diesmal ist es eben Herr Mannke, der mir eine sehr große Freude bereitet hat, ohne es zu ahnen. Das Thema „Königsberger Ärzte in der Nachkriegszeit“ hat ihn angeregt, über den Arzt seines Großvaters, Dr. Hans Rosenstock aus der Königstraße Nr. 80 in Königsberg, zu schreiben. Dieser war auch unser Hausarzt, und dass ich heute noch lebe und so aktiv sein kann, habe ich auch seiner ärztlichen Kunst zu verdanken. Denn ich war ein Frühchen, ein Winzling, mitten im Ersten Weltkrieg geboren und anfällig für alle Infektionen und sonstigen Krankheiten. Aber er war immer da und half mit seinem medizinischen Wissen und seiner Einfühlsamkeit. Nie habe ich vergessen, wie er meiner Mutter geholfen hat, als sie an Wanderrose erkrankte. Er kam fast täglich und sah nach der in Fieberphantasien Liegenden und stärkte uns in dem Glauben an ihre Gesundung. Als diese dann einsetzte, nahm er sie mit auf seine Patientenfahrten mit einer Pferdedroschke, die ihn in die Vorstädte, nach Kalthof und Devau, ja bis nach Lauth führte, und diese Ausfahrten trugen sehr zu ihrer Genesung bei – und ich kleine Marjell durfte dabei sein und genoss sie sehr. Nun teilte mir Herr Mannke mit, was er über den Verbleib des Arztes erfahren hatte, der Ostpreußen nicht mehr verlassen sollte. Er ist nach dem Einmarsch der Russen in Lochstädt verstorben, wenig später folgt ihm auch seine Frau. Mir hat diese Mitteilung von Herrn Mannke geholfen, einen fast vergessenen Teil meiner frühen Kindheit transparent zu machen.

So ergeht es vielen Leserinnen und Lesern, unsere Erinnerungen verflechten sich immer wieder, und manchmal ist es nur ein Name, eine Ortsbezeichnung, eine kleine Begebenheit, durch die das Vergangene wieder gegenwärtig wird. Wie für Frau Sigrid Heimburger, als sie in Folge 5 das Foto von dem Gedenkstein an das RAD-Lager Birkenmühle/Mehlkehmen entdeckte und den dazugehörenden Bericht von Herrn Bernd Dauskardt las. Denn auch sie war in diesem Lager tätig, als es 1941 zur Auffangstelle der Umsiedler aus Bessarabien wurde. Ich lasse sie berichten: „Als dienstpflichtige Arbeitsmaid im weiblichen RAD-Lager 116 Austinshof (Adamlauken) bei Gumbinnen wurde ich mit zwei anderen Mädchen aus unserem Lager im März/April 1941 in Birkenmühle zur Hilfe bei der Umsiedlung der Deutschen aus Wolhynien, Galizien und Bessarabien eingesetzt. Auch aus anderen RAD-Lagern kamen Arbeitmaiden, so aus dem Lager Gehlweiden. Die für die Auffangstelle Birkenmühle bestimmten Umsiedler kamen bei Wystiten über die Grenze, ein Treck von mehreren Kilometern Länge mit hochbeladenen Fuhrwerken, sie waren wochenlang unterwegs gewesen. In Birkenmühle gab es für sie den ersten Halt auf deutschem Boden. Wir Arbeitsmaiden verteilten an sie Tee und eine warme Mahlzeit, einen kräftigen Eintopf, die Kinder bekamen leichtere Kost. Ärztliche Versorgung und Kinderbetreuung machten ihnen diese ersten Stunden in Deutschland leichter. Dann wurden die Trecks aufgelöst. In Zügen mit Personenwagen, geschlossenen und offenen Waggons ging es weiter, ich glaube in den damaligen Warthegau. Bevor ein Zug abfuhr, mussten wir Arbeitsmaiden die Umsiedler mit Reiseproviant versorgen und Waschkörbe voll mit belegten Broten verteilen. Bis zum Eintreffen des nächsten Trecks schmierten wir Brote mit Streichwurst und wickelten sie säuberlich in Butterbrotpapier. Auch den Abwasch mussten wir erledigen.“ Frau Heimburger ist sogar noch im Besitz von mehreren Fotos aus jenen Tagen in Birkenmühle, sie übersandte uns vergrößerte Abzüge, und so können wir eines bringen, das die Arbeitsmaiden zeigt, wie sie mit einem Waschkorb voller Brote auf dem Bahnsteig stehen, im Hintergrund ist der schon beladene Zug zu sehen. Sigrid Heimburger steht zwischen zwei Arbeitsmaiden aus dem Lager Gehlweiden. Außer diesen Fotos besitzt sie noch das 1940 herausgegebene „Buch vom großen Treck“ und ist sogar bereit, es einem interessierten Leser zu überlassen. Wir danken Frau Heimburger für ihren Bericht, der zusammen mit den Fotos schon einen dokumentarischen Wert hat. (Sigrid Heimburger, Bodelschwinghstraße 9 in 91413 Neustadt/Aisch, Telefon 09161/3210.)

Einen speziellen Buchwunsch haben wir auch noch. Unser Labiauer Freund Manfred Niemann drückte mir kürzlich beim Geschichtsseminar im Ostheim in Bad Pyrmont einen Zettel in die Hand, auf dem Autor und Titel des von ihm gewünschten Buches standen, allerdings mit Fragezeichen. Der – oder die? – Titel lauten: 1) „Von den Zinnen der alten Burg“ und 2) „Von den Türmen der alten Burg“. Als Autor wird Graf Finkenstein genannt, ich nehme an, dass es sich um den bekannten Schriftsteller Ottfried Graf Finkenstein handelt, dessen Romane „Fünfkirchen“ und „Die Mutter“ zu den besten der ostpreußischen Romanliteratur zählen. Herr Niemann hofft, dass sich auch diesmal sein Wunsch erfüllt – auf der Suche nach Büchern von August Schukat in unserer Kolumne hat er nämlich Glück gehabt. (Manfred Niemann, Poststraße 4 in 23669 Timmendorfer Strand.)

Eure Ruth Geede


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