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23.10.10 / Fremde Schreibfedern / Ein Laie ahmt berühmte Schriftsteller nach und hat damit Erfolg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-10 vom 23. Oktober 2010

Fremde Schreibfedern
Ein Laie ahmt berühmte Schriftsteller nach und hat damit Erfolg

„Die Fälschung unterscheidet sich vom Original dadurch, dass sie echter aussieht“, bemerkte einst der Philosoph Ernst Bloch. Die Romanfigur Mark Trace in „Der Hochstapler“ beherrscht die Kunst des Fälschens perfekt. Er schreibt Geschichten im Stile berühmter Schriftsteller, bei denen der Leser zwischen Original und Kopie nicht mehr unterscheiden kann. Nach dem Schulabschluss zieht es Mark, wie einst die großen Autoren Samuel Beckett und James Joyce, nach Paris. Dort verdingt er sich zunächst als Englisch- und Französischlehrer. Ihm kommt das Gerücht zu Ohren, Ernst Hemingways Gattin habe etliche Manuskripte des Dichters verlegt, die dieser dann habe neu schreiben müsse. Als Fingerübung fertigt Mark eigene Versionen der verlorenen Geschichten an. Eine davon gelangt zufällig in die Hände eines Verlegers.

Derweil hat Mark ein Literaturstudium in London aufgenommen, welches er jedoch aus Geldnot bald wieder unterbricht. Bei der renommierten, aber heruntergekommen Literaturzeitschrift „Little Review“ schlägt er sich als Redaktionsassistent durch. Emblematisch für die Verhältnisse hängt Caspar David Friedrichs Gemälde „Der arme Poet“. Mark rettet die Zeitschrift vor dem Bankrott, indem er mit vermeintlich verschollenen Storys toter Dichterseelen die Auflage steigert. Neben Graham Greene und Roald Dahl holt er auch einen gewissen James Sherwin aus der literarischen Mottenkiste hervor. Die Witwe Sherwins erkennt den Schwindel zwar, lässt ihn jedoch nicht auffliegen unter der Bedingung, Mark möge den letzten Roman des Verstorbenen vollenden. Es beginnt ein tage- und nächtelanger Schreibmarathon, während dem sich Mark allmählich selbst verliert: „Ich muss mir immer wieder vor Augen halten, wer ich bin oder wer ich war. Bloß dass seine Stimme meine übertönt, sie zu einer werden, bis ich nicht mehr unterscheiden kann, wer was sagt. Sherwins Geist ist immer da, schaut mir über die Schulter. Er verspottet mich, den ewigen Nachahmer, der ihm nie und nimmer das Wasser reichen wird.“

David Belbins Roman „Der Hochstapler“ ist ein spannender Ausflug in die Welt der Bücher und in den Literaturbetrieb mit all seinen kuriosen Gestalten. Der Autor verwebt geschickt Fakten mit Fiktion, wobei dieser Kunstgriff den Erzählfluss zuweilen stört. Langatmige Nebenerzählungen über Freunde, Bekannte und Verwandte lenken ferner von der Haupthandlung ab. Wer kein Kenner der englischsprachigen Literaturszene ist, läuft zudem Gefahr, den Reiz an der Geschichte zu verlieren. Schließlich wären einige Kostproben des schreibtalentierten Protagonisten wünschenswert gewesen, etwa Passagen aus den Greene-, Hemingway- oder Dahl-Imitaten. Stattdessen muss sich der Leser mit mageren Inhaltsangaben der von Mark verfassten Werke begnügen. Schade um die hochgestapelte, aber nur durchschnittlich umgesetzte Idee. Sophia E. Gerber

David Belbin: „Der Hochstapler“, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010, gebunden, 284 Seiten, 19,95 Euro


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