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30.10.10 / Europa rückt schnell zusammen / Grenzüberschreitenden Hochgeschwindigkeitszügen gehört die Zukunft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-10 vom 30. Oktober 2010

Europa rückt schnell zusammen
Grenzüberschreitenden Hochgeschwindigkeitszügen gehört die Zukunft

Europa wächst immer schneller zusammen. Das grenzüberschreitende Netz von Hochgeschwindigkeitszügen wird dichter. Deutschland kann davon verkehrspolitisch und wirtschaftlich profitieren.

Mit Tempo 300 quer durch Europa – als vor 175 Jahren, am 7. Dezember 1835, Deutschlands erste Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth zuckelte, hätte niemand einen solch kühnen Traum gewagt. Was das Tempo betrifft, ist der Traum längst Wirklichkeit. Der französische TGV (Train à grande vitesse) hat es vorgemacht, der deutsche ICE kann es inzwischen sogar noch besser. Geschwindigkeiten bis zu 350 Stundenkilometer sind keine Hexerei, sondern europäischer Eisenbahn-Alltag. Und niemand weiß, wo die technisch machbare Grenze für das konventionelle Rad-Schiene-System liegt – ansonsten können wir ja irgendwann vielleicht die in Deutschland entwickelte, für Tempo 600 taugliche Magnetschwebetechnik von den Chinesen zurückkaufen.

Ob TGV oder ICE, wenn sie die europäischen Metropolen und Ballungsgebiete so schnell, komfortabel und preisgünstig verbinden sollen, dass sie mit Flugzeug und Auto konkurrenzfähig sind, brauchen sie eine grenzüberschreitende Infrastruktur. Diese zu schaffen, wäre die ureigenste Aufgabe der Europäischen Union.

In der Tat hat Brüssel im Rahmen des sogenannten TEN-Programms (Trans-European Networks) bereits 1996 Leitlinien für ein europäisches Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnnetz aufgelegt. Es legt eine Reihe von großräumigen Verkehrsachsen fest, sowohl in Nord-Süd- als auch in West-Ost-Richtung. Fünf von ihnen haben Vorrangcharakter, darunter die als „Magistrale für Europa“ bezeichnete Achse Paris−Straßburg−Stuttgart−München−Wien−Pressburg. Darin eingebettet ist das derzeit heftig umstrittene Projekt Stuttgart 21, das ja weit mehr beinhaltet als nur den Neubau eines Bahnhofs. Würde es scheitern, bliebe die Magistrale an zentraler Stelle unterbrochen.

Dies wiederum hätte auf das gesamte europäische Netz schädliche Auswirkungen, worauf die Schweizer gerade erst beim Durchschlag des Gotthard-Tunnels zu Recht hingewiesen haben – die Eidgenossen, obwohl gar nicht EU-Mitglied, machen ihre europäischen Hausaufgaben, während die deutschen EU-Musterknaben protestieren und prozessieren.

Weitere Deutschland tangierende TEN-Projekte sind die Achse Berlin−Palermo mit dem – ebenfalls bereits als „umstritten“ ausgemachten – Brenner-Basistunnel (als Nr. 1 eingestuft) sowie das Projekt PBKAL (Paris, Brüssel, Köln, Amsterdam, London), in das nach deutschen und britischen Vorstellungen auch Frankfurt aufgenommen werden sollte.

Die Strecken dieses europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes müssen nicht nur vom Gleisbau her für Tempo 350 ausgelegt sein. Vor allem die Signal- und Sicherheitstechnik muss harmonisiert werden. Dies versucht Brüssel seit 14 Jahren mit ETCS (European Train Control System), einem einheitlichen Zugbeeinflussungssystem, das inzwischen in Italien und der Schweiz erfolgreich erprobt und nun auch in anderen Ländern, darunter Deutschland, eingesetzt wird.

Für Deutschland hat das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz nicht nur verkehrspolitische, sondern auch wirtschaftliche Bedeutung. Die neueste ICE-3-Baureihe von Siemens kann in fast allen Ländern eingesetzt werden und ist dabei, zum milliardenschweren Exportschlager heranzuwachsen. Mit Blick auf Stuttgart 21 gilt hier aber dasselbe wie beim Transrapid: Wer moderne Technik im eigenen Land nicht einsetzen will, wird sie auch im Ausland nicht verkaufen können. Hans-Jürgen Mahlitz


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