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30.10.10 / Protektionismus à la France / Wie Paris Siemens und Deutsche Bahn entgleisen lassen will

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-10 vom 30. Oktober 2010

Protektionismus à la France
Wie Paris Siemens und Deutsche Bahn entgleisen lassen will

Mit immer neuen Tricks versucht Frankreich, Deutschland von England fernzuhalten. Freilich geht es diesmal nicht um uralte Invasionsängste, sondern um ein 600-Millionen-Euro-Geschäft. So viel kosten die zehn Hochgeschwindigkeitszüge, die der Betreiber des Kanaltunnels bei Siemens bestellt hat; sie sollen – möglichst ab 2013 – Großbritannien per Schiene mit dem Kontinent verbinden.

Tunnelbetreiber Eurostar gehört mehrheitlich der französischen Staatsbahn SNCF. Deren bisheriger Haus- und Hoflieferant Alstom baut den französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV, der unter anderem auch die Kanaltunnelstrecke exklusiv bedient. Der französische Staat war größter Aktionär von Alstom, bis er 2006 seine Anteile an die ebenfalls eher staatsnahe Unternehmensgruppe Bouygues verkaufte.

Die Tunnelstrecke, die London mit dem Festland verbindet, ist bislang nur zu knapp 50 Prozent ausgelastet – Rentabilität sieht anders aus. Daher setzt die Eurostar Group auf eine direkte Anbindung des deutschen Verkehrsraums, also an das Netz der Deutschen Bahn. Die wiederum favorisiert natürlich ihren Stammlieferanten Siemens, der gerade eine neue Baureihe des ICE 3 (Baureihe 407) aufgelegt hat. Das 200 Meter lange Hochgeschwindigkeitsgefährt ist voll mehrbereichssystemfähig, kann vier verschiedene Stromspannungen in Tempo umsetzen und beherrscht alle derzeit in Zentraleuropa gängigen Signal- und Sicherheitssysteme. Ein „echter Europäer“ also, wie die Bahn stolz vermerkt.

Die Qualitäten des neuen Siemens-Paradezuges – dazu zählt auch eine hitzewellentaugliche Klimaanlage – überzeugten die Kanaltunnelbetreiber. Das Votum für den Kauf von zehn Exemplaren fiel im entscheidenden Expertengremium von Eurostar mit Zustimmung der französischen

Regierungsvertreterin Francoise Deygout. Damit war Madame’s internationale Karriere beendet; obwohl sie von Briten und Deutschen als „kompetente und kooperative Expertin“ geschätzt wurde, zog Paris sie flugs aus dem Gremium zurück. Verkehrsminister Dominique Bussereau qualifizierte den Großauftrag an Siemens als „null und nichtig“ ab, Alstom reichte vor einem Londoner Gericht Klage ein.

Die französischen Aktionen gegen den lästigen deutschen Konkurrenten stützen sich auf zwei Argumente: Angeblich erfüllt der ICE die Sicherheitsbestimmungen nicht, da er nur 200 Meter lang ist, die Notausgänge zur Rettungsröhre aber 400 Meter weit auseinanderliegen; ferner verstoße die ICE-Bauart mit einzeln angetriebenen Achsen (statt vorn und hinten je einer konventionellen Lok) gegen die Sicherheitsregeln.

Punkt 1 hat sich durch Tests mit 300 britischen Studenten erledigt: Die Not-Evakuierung des ICE lief völlig reibungslos. Und Punkt 2 erledigt Alstom selber: Sein neues Modell AGV, als Nachfolger des TGV vorgesehen, verfügt ebenfalls über Einzelachs-Antrieb. Dümmer kann Protektionismus eigentlich nicht mehr betrieben werden.    H.J.M.


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