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30.10.10 / US-Geschenk zulasten Europas / Washington verschafft Schwellenländern mehr Einfluss beim Internationalen Währungsfonds

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-10 vom 30. Oktober 2010

US-Geschenk zulasten Europas
Washington verschafft Schwellenländern mehr Einfluss beim Internationalen Währungsfonds

Obwohl der Internationale Währungsfonds (IWF) derzeit in Form von Rettungspaketen massiv in Europa involviert ist, geben Europäer Einfluss ab.

Äußerst verdutzt reagierte das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) in der Schweiz auf Presseanfragen, ob nach den Plänen der 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G20) im südkoreanischen Gyeongju das Land auf seinen Sitz im Exekutivdirektorium des IWF verzichten müsse. Noch sei offen, wie sich die Reform auf die Sitzverteilung auswirke, betonte ein Sprecher, dessen Land allerdings nicht zu den G20 gehört und somit an deren Absprachen für eine IWF-Reform nicht beteiligt war. Die Schweiz poche als starker Finanzplatz aber darauf, dass sie ihren Sitz behalten könne, hieß es weiter. Zudem sei die Schweiz von einer möglichen Konsolidierung der EU-Vertretung nicht betroffen, schließlich bestehe die schweizerische Stimmrechtsgruppe aus Ländern, die − abgesehen von Polen − wie die Schweiz nicht zur EU gehören.

In Südkorea hatten sich die Finanzminister der G20 geeinigt, den Schwellen- und Entwick-lungsländern beim IWF mehr Einfluss zu gewähren. Dabei sollte nicht nur der Stimmanteil zugunsten der aufstrebenden Staaten zulasten der Industrienationen erhöht werden, auch sollen zwei Schwellenländer zulasten der EU zwei Sitze im 24-köpfigen IWF-Direktorium erhalten, in dem alle wichtigen Entscheidungen getroffen werden.

Aber wenn nicht die vergleichsweise kleine Schweiz, wer muss dann seinen Platz abgeben? Die Vereinbarung der G20 gilt zwar als großer Durchbruch, da sie genügend Einfluss haben, um beim IWF die Quoten neu verteilen zu lassen, doch da bei dem Treffen nur Finanzminister anwesend waren − die Staats- und Regierungschefs treffen sich erst im November im Seoul −, waren diese nicht in der Lage, für ihr Land gleich auf den Sitz im Exekutivdirektorium zu verzichten.

Bisher haben die USA, Japan, Deutschland, Großbritannien und Frankreich einen ständigen Sitz im IWF. Außer den drei Europäern kommen derzeit fünf weitere Direktoren aus der EU (Niederlanden, Belgien, Italien, Dänemark und Spanien), sie wurden jedoch von ihren jeweiligen Stimmrechtsgruppen, von denen es insgesamt 19 gibt und auf die die insgesamt 187 IWF-Mitgliedsländer aufgeteilt sind, gewählt. Diese sind unterschiedlich groß und bunt gemischt, aber doch irgendwie wieder homogen. So steht Spanien der Gruppe vor, der andere spanisch-sprachige Länder wie Costa Rica, Guatemala, Mexiko, Nicaragua, Venezuela, Honduras, El Salvador angehören. Dänemarks Gruppe hingegen setzt sich überwiegend aus den skandinavischen und baltischen Ländern zusammen. In der Gruppe wird es unmöglich sein, ein Nicht-EU-Mitglied in das IWF-Direktorium zu entsenden.

Wie genau jetzt also bei der Konstellation zwei EU-Länder auf ihren Sitz verzichten sollen, ist ungewiss. Eine Möglichkeit wäre, die Gruppen völlig neu zu mischen, doch auch dann müsste in einigen Gruppen die diskriminierende Order herrschen, dieses oder jenes Mitglied nicht zum Repräsentanten zu wählen, weil es Mitglied der EU ist.

Doch während die Debatte um die Sitzverteilung im Detail noch bevorsteht, wurden die Quoten bereits neu verteilt, so dass Kanada und Saudi-Arabien aus der Gruppe der zehn größten Eigner am IWF zurückfielen und Deutschland zugunsten Chinas einen Platz nach hinten rückte. Die USA, Japan, China, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Russland, Indien und Brasilien haben also beim IWF am meisten zu sagen, aber auch am meisten zu zahlen. Insgesamt kann der Fonds jetzt über 920 Milliarden US-Dollar verfügen, die seine Mitglieder nach ihren Anteilen zu entrichten haben. Und seit der Finanzkrise kann sich der IWF über eine Renaissance freuen. In den 90er Jahren nach der Asienkrise war die Organisation stark in die Kritik geraten. Zwar hatte der IWF strauchelnden Ländern wie Thailand, Indonesien und Südkorea mit Krediten geholfen, allerdings hatte der in Washington ansässige IWF derart harte Sanierungsschritte gefordert, dass auf diese Weise jegliche Konjunkturerholung im Keim erstickt wurde. Hinzu kam, dass der IWF Privatisierung von Staatseigentum forderte, das interessanter Weise anschließend sehr oft von US-Firmen beziehungsweise US-Investoren aufgekauft wurde. So geriet der Fonds in den Verdacht, der verlängerte Arm der Vereinigten Staaten zu sein. Denn auch wenn die USA bei der jetzigen Reform ihre Quote in der Nachkommastelle leicht reduzierten, so halten sie immer noch einen Anteil von über 15 Prozent an der 1944 von ihr initiierten UN-Sonderorganisation. Japan, China und Deutschland folgen mit jeweils knapp fünf Prozent. Da Beschlüsse im IWF aber mit einer Mehrheit von 85 Prozent getroffen werden müssen, verfügt Washington weiter als einziger über eine Sperrminorität. Selbst wenn sich alle Europäer mit ihren Quoten zusammentaten, kamen sie in der Vergangenheit nicht über besagte 15 Prozent hinaus. Angesichts der neuen Quotenverteilung rückt die Möglichkeit, dass Europa geeint ein Veto bei den IWF-Beschlüssen einlegen kann, in weitere Ferne.

Angesichts der Tatsache, dass vor allem Wa-shington auf die Aufwertung der Entwicklungs- und Schwellenländer gedrungen hat, bei der Reform zu deren Gunsten allerdings Europa an Einfluss einbüßen lässt, stellt sich die Frage, warum die Europäer das so hingenommen haben. Gerade weil der IWF seit der von den USA ausgehenden Finanzkrise stark in Europa involviert ist − neben Rettungspaketen unter anderem für Rumänien und Griechenland ist der IWF auch am Euro-Rettungsschirm beteiligt −, hätten die Europäer darauf bestehen müssen, so viel Einfluss über die Politik des IWF zu behalten wie möglich. Nun können China, Brasilien und Indien bei Europa betreffenden IWF-Entscheidungen mehr mitreden. Welche Konsequenzen das für Europa hat, hängt auch davon ab, wie sich die Beziehungen zu den Ländern in den nächsten Jahren verändern.

Die USA zumindest hoffen, dass sich China, wenn es denn einen fe-sten Sitz beim IWF hat, auch mehr an dessen Bestimmungen hält und unter anderem seine Währung aufwertet.   Rebecca Bellano


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