24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.11.10 / Das Regime wird nervös / Ägypten vor zwei heiklen Wahlgängen – Übergriffe auf Christen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-10 vom 06. November 2010

Das Regime wird nervös
Ägypten vor zwei heiklen Wahlgängen – Übergriffe auf Christen

Eine Hofübergabe vom Vater an den Sohn, wie sie in den arabischen Monarchien funktioniert, in Syrien klappte, wahrscheinlich im Irak geklappt hätte und in Libyen klappen dürfte, ist sichtlich auch in Ägypten geplant, wo Präsident Hosni Mubarak seinen jüngeren Sohn Gamal als Nachfolger „aufbaut“. Allerdings mehren sich die Anzeichen dafür, dass nicht alles glatt gehen wird – dass sich aber auch keine realistische Alternative abzeichnet.

Gamal Mubarak hat ein Studium absolviert, war jahrelang im Ausland tätig, hat wirtschaftliche Erfahrungen, ist häufig bei repräsentativen Auftritten zu sehen und bekleidet seit 2002 hohe Ämter in der „Staatspartei“ NDP. Was ihm aber fehlt, ist Charisma und – noch weit wichtiger – ein starker Rück-halt in der Armee. Im Gegensatz dazu war sein Vater Luftwaffen-Chef und bereits Vizepräsident, als er dem 1981 durch Muslim-Extremisten ermordeten Anwar Al-Sadat nachfolgte.

Neben der an sich schon prekären Lage im Krisenherd Nahost, des unpopulären „kalten Friedens“ mit Israel, der dramatischen Verschärfung der Gegensätze zwischen Arm und Reich und der auch im ägyptischen Straßenbild sichtbaren Islamisierung ist seit vorigem Jahr ein weiterer „Störfaktor“ hinzugekommen: Mohammed El Baradei, der Friedensnobelpreisträger und frühere Chef der Internationalen Atomenergie-Agentur.

Seit er mit kritischen Äußerungen über das Regime aufhorchen ließ, knüpfen sich die Hoffnungen eines heterogenen Spektrums von Unzufriedenen an seine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2011. Was aber unter dem auf Machterhalt zugeschnittenen Wahlgesetz gar nicht möglich ist, denn es lässt nur Kandidaten zu, die in den letzten Jahren ein hohes Amt in einer der erlaubten Parteien innehatten. Was auch Kandidaten der Muslim-Bruderschaft ausschließt, denn die ist als Partei verboten – wenngleich Muslim-Brüder als „Unabhängige“ derzeit 80 der 508 Parlamentssitze innehaben.

Trotzdem zeigt sich das Regime bereits vor den Parlamentswahlen am 28. November nervös, denn El Baradei hat zu einem Boykott dieser scheindemokratischen Veranstaltung aufgerufen. Der SMS-Verkehr wurde eingeschränkt, die Zensur wurde verschärft, es gab etliche Verhaftungen, der Chef der Tageszeitung „Al-Dustur“ wurde gefeuert und mehrere private TV-Kanäle wurden geschlossen – wegen Vorwürfen der Verbreitung von „Pornographie“. Letzteres ist ein Wink an die Muslim-Brüder, die ihrerseits aus der diffusen Gruppierung um El Baradei ausscherten und zur Wahlbeteiligung aufriefen. Auch dass Übergriffe auf Christen kaum verfolgt werden, passt dazu. Jüngstes Kuriosum ist eine Wiederannäherung an den Iran, zu dem die Beziehungen 1979 abgebrochen worden waren.

Ein NDP-Sprecher erklärte nun, der Präsident werde im Frühjahr selber erneut kandidieren – was in Anbetracht von dessen Gesundheitszustand nur als Beruhigungspille für die eigenen Kader zu verstehen ist. El Baradei seinerseits hat vorige Woche eine Kandidatur ausgeschlossen, „weil das unter den gegebenen Umständen sinnlos wäre“. Und so wird das Regime seine innen- wie außenpolitische Gratwanderung weiter fortsetzen können.        R. G. Kerschhofer


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren