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06.11.10 / Über die Verhältnisse gelebt / Katholische Unternehmer in Sorge um die Soziale Marktwirtschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-10 vom 06. November 2010

Über die Verhältnisse gelebt
Katholische Unternehmer in Sorge um die Soziale Marktwirtschaft

Die Soziale Marktwirtschaft, ein weltweit bewundertes Erfolgsmodell, gerät in die Zange von Globalisierung und politischem Missmanagement. Das kritisierte Werner Marnette, ehemals Chef der größten Kupferhütte Europas (Norddeutsche Affinerie) und Wirtschaftsminister a.D. auf der Bundestagung von 150 katholischen Unternehmern (BKU) Ende Oktober in Hamburg.

Seit Bundeswirtschaftsminister Ludwig Ehrhard (1897–1977) die Soziale Marktwirtschaft begründete, gilt sie als Erfolgsmodell und Garant des deutschen Wirtschaftsaufschwungs. Heute aber brauche sie eine Neujustierung, forderte Marnette. Trotz gegenwärtig glänzender Zahlen hierzulande sei ungewiss, ob eine der größten Wirtschaftskrisen der letzten Jahrzehnte tatsächlich überstanden sei. Die Politik verliere das Vertrauen der Bürger. Bei einer Staatsquote von über 50 Prozent werde das Land „ruiniert“ und die soziale Marktwirtschaft „erodiere“. Ein „Schulden-Himalaya“ drohe, Bund, Länder und Gemeinden zu erschlagen. Die Schuldenbremse bis 2020 erfülle nur eine „Alibi-Funktion“. Allein in den Jahren 2008 und 2009 sei die Staatsverschuldung in Deutschland um rund 200 Milliarden Euro gestiegen.

Die milliardenschweren Fehler bei den Landesbanken seien symptomatisch für die gegenwärtige Lage. Der Staat sei „ein schlechter Unternehmer“, ruft Marnette aus, und erntet dafür Beifall. Das Desaster der Landesbanken spreche hier für sich. Es gereicht Marnette im Kreis der katholischen Unternehmer zur Ehre, dass er das Rück-grat besessen hat, wegen der undurchsichtigen Geschäfte der Landesbank vom Posten des Wirtschaftsministers in Schleswig-Holstein zurückgetreten zu sein.

Den gegenwärtigen Aufschwung der Wirtschaft verdanke man nicht der Politik, so der Manager, sondern allein der Exportkraft der Industrie. Deutschland käme deswegen so gut aus der Rezession heraus, weil hierzulande noch 25 Prozent der Wertschöpfung aus der industriellen Fertigung generiert würden. Dagegen wäre diese Quote in England oder den USA nur halb so hoch. Entsprechend wenig hätten diese Länder zu exportieren und entsprechend groß seien heute dort die wirtschaftlichen Probleme.

Was nach Politikerschelte klingt, wird auf der Tagung des BKU von der Politik direkt bestätigt. Hamburg ächzt unter einer Schuldenlast von 23 Milliarden Euro, so der Bericht des Hamburger Staatsrates der Finanzbehörde, Michael Voges. Allein der Schuldendienst für Zins und (eine kleine) Tilgung machen eine Milliarde Euro pro Jahr und damit knapp zehn Prozent des Hamburger Haushaltes aus. Trotz eines „Sparpaketes“ von 576 Millionen Euro wachse der Schuldenberg weiter. „Was wird aus Vater Staat?“, fragt daher der besorgte Staastsrat. Den Schuldendienst und die Ausgaben für die soziale Sicherung der Bürger (54,6 Prozent des Haushaltes) könne heute eine der reichsten Städte Europas kaum noch schultern. So bleibt kein Geld mehr übrig für die notwendigen Investitionen. Der Staat habe „über seine Verhältnisse gelebt“, hört man nun auch aus Hamburg. Hinrich E. Bues


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