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06.11.10 / Marinechef unter dem Hakenkreuz / Vor 50 Jahren starb mit Generaladmiral Erich Raeder der höchste Offizier der deutschen Seestreitkräfte von 1928 bis 1943

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-10 vom 06. November 2010

Marinechef unter dem Hakenkreuz
Vor 50 Jahren starb mit Generaladmiral Erich Raeder der höchste Offizier der deutschen Seestreitkräfte von 1928 bis 1943

Er verkörpert ein halbes Jahrhundert deutscher Marinegeschichte. 30 Jahre davon stand er an der Front und im Oberkommando der Marine an verantwortlicher Stelle, und fast 15 Jahre lang war er Chef der deutschen Seestreitkräfte. Vor 50 Jahren starb Großadmiral Dr. h.c. Erich Raeder im Alter von 84 Jahren in Kiel.

Geboren wurde Raeder am 24. April 1876 im damals noch preußischen Wandsbek. Von einer romantisch verklärten Liebe zur See beseelt, trat er im April 1894 in die Kaiserliche Marine ein. Nach den üblichen Ausbildungsabschnitten und Bordkommandos legte er 1897 die Seeoffiziersprüfung mit „allerhöchster Belobigung“ ab. Eine Reise als Adjutant des Kommandanten des Großen Kreuzers „Deutschland“ nach Ostindien regte ihn zu seiner ersten schriftstellerischen Arbeit an, einem Buch über den „Aufstand auf den Philippinen“. Bald darauf ergänzte er seine militärischen Kenntnisse durch wissenschaftliche Studien. Im April 1904 erhielt der Kapitänleutnant als Referent im Nachrichtenbüro des Reichsmarineamtes eine Verwendung, die in besonderem Maße seinen geistigen Fähigkeiten und Neigungen entsprach. Seine Aufgaben erfüllte er so gut, dass er im April 1911 zum Korvettenkapitän befördert und als Navigationsoffizier auf die kaiserliche Yacht „Hohenzollern“ kommandiert wurde. Den Kriegsausbruch 1914 erlebte Raeder als 1. Admiralstabsoffizier beim Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte, auf dessen Flaggschiff er an verschiedenen Einsätzen und der Skagerrakschlacht teilnahm. Erst Anfang 1918 erhielt Raeder als Kommandant des Kleinen Kreuzers „Cöln“ sein erstes selbständiges Kommando.

Bei Kriegsende wurde Fregattenkapitän Raeder in die Waffenstillstandskommission entsandt und Ende 1918 als Chef der Zentralabteilung ins Marineamt versetzt. Damit war er einer der engsten Berater des Marinechefs, Admiral Adolf von Trotha. Als Folge der Verwicklung Trothas in den Kapp-Putsch war auch Raeder kompromittiert, so dass er im März 1920 in das Marinearchiv versetzt wurde. Hier arbeitete er zwei Jahre lang an der amtlichen Seekriegsdokumentation, zu der er zwei Bände beisteuerte. Für diese wissenschaftliche Leistung verlieh ihm die Universität Kiel 1926 die Ehrendoktorwürde. Im Juli 1922 wurde Raeder zum Konteradmiral und zum Inspekteur des Bildungswesens der Marine ernannt. Zwei Jahre später folgte die Ernennung zum Befehlshaber der Leichten Seestreitkräfte der Nordsee und im Januar 1925 die Versetzung auf den Posten des Chefs der Marinestation der Ostsee. Am 1. Oktober 1928 stieg Raeder an die Spitze der Reichsmarine auf.

Als Chef der Marineleitung widmete er sich – seiner rein soldatisch orientierten, christlich-konservativen Grundeinstellung entsprechend – ungeachtet der Zeitströmungen dem Aufbau einer leistungsfähigen, einsatzbereiten Flotte. Dieser Aufgabe fühlte sich der gänzlich unpolitische Raeder unter Reichskanzler Adolf Hitler ebenso verpflichtet wie unter dessen Vorgängern. Mit dem von ihm gewählten Weg einer unbedingten Staatstreue stellte er den Ruf der durch verschiedene Affären politisch kompromittierten Marine wieder her. Es gelang ihm, ihr innere Geschlossenheit und Stärke zu geben und sie so dem nationalsozialistischen Einfluss teilweise zu entziehen.

Mit der Gründung der Kriegsmarine 1935 wurde Raeder deren Oberbefehlshaber mit Ministerrang, seit April 1939 im Range eines Großadmirals. Zur Jahreswende 1938/39 legte er den „Z-Plan“ vor, der eine kleine aber kampfstarke Flotte vorsah, die vorwiegend aus schweren Überwassereinheiten und einer schlagkräftigen U-Boot-Waffe bestehen sollte. Ebenso nachdrücklich wie vergeblich warnte er Hitler vor einem frühzeitigen Waffengang, da die Marine noch lange nicht kriegsbereit sei. Grundsätzliche Einwände gegen den Krieg erhob er nicht.

Bei Kriegsbeginn 1939 war die von Raeder konzipierte Flotte demzufolge zu schwach, „um in einem mehrjährigen, weltweiten Seekrieg erfolgreich sein zu können“ und lediglich ausreichend, „um die britischen Seeverbindungen einige Zeit stören und in Ehren untergehen“ zu können, wie Raeder seinem Obersten Befehlshaber unverblümt erklärte. Dennoch zeigte die Kriegsmarine unter seiner Führung Leistungen, die weit über die Erwartungen hinausgingen. Der spektakuläre Verlust mehrerer Großkampfschiffe brachte seinen Stern indes zum Sinken. Als Hitler Anfang 1943 in einer Besprechung über die Zukunft der Großkampfschiffe ausfallend wurde, erbat der Marinechef seinen Abschied, der ihm am 30. Januar 1943 bewilligt wurde. Auslöser für das Zerwürfnis war das „Unternehmen Regenbogen“, ein Ende 1942 durchgeführter Flottenvorstoß gegen einen britischen Geleitzug im Nordmeer. Dabei hat die Kriegsmarine blamable Verluste erlitten und den Einsatz schließlich erfolglos abgebrochen.

Als Angeklagter vor dem Nürnberger Gerichtshof beeindruckte der 70-Jährige viele durch sein aufrechtes und unerschrockenes Auftreten. In tiefster innerer Überzeugung, stets ehrenhaft gehandelt zu haben, wies er den Vorwurf, ein Kriegsverbrecher zu sein, entrüstet zurück. Der Vorwurf von Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde gegen ihn allerdings auch nicht erhoben. Der Hauptvorwurf war die Mitwirkung an der Kriegsvorbereitung. Dafür wurde er im Oktober 1946 zu lebenslanger Haft verurteilt. Es sagt viel über die Haltung Raeders, dass er die Umwandlung dieser Haftstrafe in Erschießung beantragte, was ihm aber verweigert wurde. Als „Häftling Nr. 4“ verbrachte Raeder bittere Jahre im alliierten Kriegsverbrechergefängnis Berlin-Spandau, bis er im September 1955 schwerkrank aber geistig ungebrochen vorzeitig entlassen wurde. Seinen Lebensabend verbrachte Raeder mit der Aufzeichnung seiner Lebenserinnerungen in Kiel, wo er am 6. November 1960 starb. Jan Heitmann


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