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06.11.10 / Raeders Vorstellung vom »unpolitischen Soldaten«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-10 vom 06. November 2010

Raeders Vorstellung vom »unpolitischen Soldaten«

Wenn ich mich irgendwie schuldig gemacht haben sollte, dann höchstens in der Richtung, dass ich trotz meiner rein militärischen Stellung vielleicht nicht nur Soldat, sondern doch bis zu einem gewissen Grade auch Politiker hätte sein sollen.“ Dieses Schlusswort Raeders in Nürnberg macht die Tragik in seinem Leben deutlich.

Wie viele seiner Offizierskameraden traumatisch durch die Matrosenrevolte und die Zäsur der Niederlage von 1918 geprägt, war Raeder davon überzeugt, dass sich Ungehorsam in der Marine niemals wiederholen dürfe. Für ihn war die Marine ein von allen anderen Bezügen losgelöstes, in sich geschlossenes und homogenes Gebilde, frei von Politik und unabhängig von der herrschenden Staatsform. Er ordnete sich und die Marine – seinem konservativen Loyalitätsverständnis entsprechend – Hitler ohne Einschränkung und vollkommen kritiklos unter. Raeders Verantwortung für die Flotte und später auch für die Führung des Seekrieges war unumstritten, doch für die „große Strategie“ oder gar die Politik fühlte er sich nicht zuständig. Die Tragweite von Hitlers Außen- und Kriegspolitik hat Raeder vermutlich nie wirklich begriffen. Für ihn war sie nur eine Neuauflage der wilhelminischen Weltpolitik mit schärferen Mitteln und anfänglich großen Erfolgen, die nicht nur ihn beeindruckten. Sie zu hinterfragen, ist ihm wohl nicht in den Sinn gekommen, rechtfertigte er sich doch noch in seinen Memoiren, die menschliche Größe eines Soldaten sei nicht abhängig davon, „ob die politischen Umstände eines Krieges anerkannt oder abgelehnt“ würden. Als gehorsamer und treuer Soldat funktionierte Raeder ebenso reibungslos wie er widerspruchslos gehorchte, weshalb ihn Hitler als einzigen Spitzenmilitär neben Göring bis zum Zerwürfnis 1943 im Amt beließ.

In Nürnberg stellte er sich rückhaltlos vor seine Untergebenen und übernahm die volle Verantwortung für die Führung des Seekrieges und alle von ihm erteilten und weitergeleiteten Befehle. Seine Rechtfertigung war in allen Anklagepunkten ebenso schlicht wie typisch für ihn: Alle seine Handlungen seien formal durch „Führerbefehle“ gedeckt gewesen. Widerspruch „wäre Meuterei gewesen“, und das hätte „unter gar keinen Umständen geschehen“ dürfen. Auch ein Rücktritt sei für ihn keine Option gewesen, denn „die Sache hinzuwerfen wäre Ungehorsam gewesen“. Erst als Hitler ihn Anfang 1943 „nicht mehr goutiert“ habe, sei er zu diesem Schritt bereit gewesen.           J.H.


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