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06.11.10 / Elchschaufel in Gefahr / Die ostpreußischen Trakehner erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit – Bundesrat will Brandzeichen verbieten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-10 vom 06. November 2010

Elchschaufel in Gefahr
Die ostpreußischen Trakehner erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit – Bundesrat will Brandzeichen verbieten

„Der Tradition verbunden − Die Zukunft im Blick“ lautet das Motto des Trakehner Verbandes. Das dieses gelebt wird, zeigte der 48. Trakehner Hengstmarkt.

„Bitte alle auf den Plätzen bleiben und bitte seien Sie ganz still“, bat Auktionator Uwe Heckmann die rund 3000 Zuschauer beim 48. Internationalen Trakehner Hengstmarkt in Neumünster. Doch das hätte er nicht extra sagen müssen, denn wie gebannt starrten die Gäste in die Mitte der Halle, wo sich ein aufgeregtes, vier Monate altes Fohlen in den Zügeln der Mutter verfangen hatte, nervös hin und her sprang und mit jeder Bewegung der Mutter am Maul rumzerrte. Doch schnell war das Kleine befreit, die Mutterstute unverletzt und schon konnte die Auktion weitergehen. Und wieder konnten die Zuschauer den Atem anhalten, denn selbst für die 22 Fohlen wurden in Neumünster wieder gute Preise erzielt. So ging der kleine Diestelprinz für 17000 Euro nach Dänemark, der Fuchs Dancer für 14500 Euro nach Niedersachsen.

Doch diese Summen waren nichts gegen das, was die Gäste keine 90 Minuten zuvor für die 13 zweieinhalbjährigen Hengste zu zahlen bereit gewesen waren. Diese waren zuvor von der Richterkommission des Trakehner Verbandes mit dem Körsiegel ausgezeichnet worden und werden nun wegen ihrer guten Erbanlage als Zuchthengst in das offizielle Hengstbuch für die Trakehner eingetragen. Die Trakehner gelten als die älteste Reitpferderasse Deutschlands. „Die Trakehner Zucht lässt sich genetisch lückenlos auf die Gründung des Hauptgestüts Trakehnen im Jahre 1732 durch königlich preußische Anordnung zurückführen“, wie der Verband stolz verkündet. Dementsprechend waren auch in Neumünster mehrfach Hinweise zu finden, dass die Trakehner ein lebendiges Kulturgut Ostpreußens seien. Bis heute werden die Trakehner laut Verband als einzige Reitpferderasse nach den Prinzipien der Reinzucht mit hohen genetischen Anteilen des englischen und arabischen Vollblutes, des Shagya- und des Anglo-Arabers unter Berücksichtigung der nachstehenden Selektionskriterien gezüchtet. Der Verband sieht seine Hauptaufgabe darin, diese Ursprungszucht, von der nach Flucht und Vertreibung aus Ostpreußen 1945 nur 575 Stuten und 45 Hengste im Westen ankamen, in ihrer besonderen „trakehnerspezifischen Ausprägung zu fördern und durch geeignete Maßnahmen einen bestmöglichen Zuchtfortschritt sicherzustellen. Zuchtziel ist ein im Trakehner Typ stehendes, rittiges und vielseitig veranlagtes Reit- und Sportpferd mit gutem Interieur“.

Und so erzielten jene Hengste, die vom Verband offiziell für die Zucht zugelassen wurden auch exklusive Preise. So verkündete das Rosenholzhämmerchen des Auktionators Heckmann, dass ein Käufer aus Nordrhein-Westfalen für 300000 Euro den Zuschlag für den Siegerhengst Imhothep erhalten hatte. „Dies ist ein Siegerhengst mit dem gewissen Etwas, dem die Herzen nur so zufliegen. Imhotep hat eine ungemeine Ausstrahlung, war stets taktbeherrscht und bei jedem Auftritt höchst motiviert“, lobte Zuchtleiter Lars Gehrmann den Rappen, der seinem dänischen Züchter eine schöne Summe einbrachte. Nicht so sehr gefreut haben dürften sich die vielen dänischen Besucher des Hengstmarktes allerdings über den Seitenhieb von Auktionator Heckmann. Der wies darauf hin, dass Neumünster ja mal zu Dänemark gehört habe, aber dann hätten die Österreicher zusammen mit den Preußen 1864 die Dänen gen Norden zurückgedrängt. „Ja, der Bismarck, das war noch ein toller Kerl“, wühlte der inzwischen zum 31. Mal die Auktion führende Heckmann in der historischen Wunde der Dänen. Doch derartiges schien der Kauflust der nordischen Nachbarn keinen Abbruch zu tun, denn zwei nicht gekörte Hengste, ein Reitpferd und drei Fohlen gingen über die Grenze. Auch Belgier, US-Amerikaner, Kanadier und Österreicher ließen Geld in Neumünster. Am meisten zahlte jedoch das Sächsische Landgestüt Moritzburg zusammen mit dem Gestüt Sprehe für den Drittplatzierten nach Imhotep und His Time: Millennium erzielte mit 320000 Euro den höchsten Einzelpreis. Insgesamt wurden allein für die zwölf gekörten Hengste 1,2 Millionen Euro umgesetzt.

Da die 2600 Sitzplätze der Halle schnell besetzt waren, blieb vielen Zuschauern nur, stehen zu bleiben und die Hälse zu recken. Doch da die Auktion auch in die angrenzenden Hallen übertragen wurde, nutzten viele die Möglichkeit, über das Messegelände zu schlendern, an den verschiedenen Ständen das Angebot zu prüfen, das von Reitbekleidung über Pferdefutter bis hin zu Tierversicherungen reichte, und sich einen Latte Macchiato, ein Eis oder Sülze mit Bratkartoffeln zu gönnen.

Zudem war das Programm des Hengstmarktes viel breiter angelegt als nur die Auktion am Sonnabend. Bereits am Donnerstag hatte das Messegelände mit der Pflastermusterung der Hengste begonnen. Es folgten Reitvorführungen und Vorträge. Letztere reichten von rechtlichen Fragen über historische Beiträge wie „Im Wandel der Zeit − Die Geschichte des Trakehner Pferdes“ bis hin zu Erfahrungsberichten von Jungzüchtern.

Für Debatten sorgte die vom rheinland-pfälzischen Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) initiierte Mehrheitsentscheidung des Bundesrates, künftig auf die Elchschaufel, das Brandzeichen auf den Pferdeschenkeln, zu verzichten. Stattdessen sollen die Daten des Tieres auf einem Mikrochip gespeichert werden, der laut EU-Recht seit 2009 Pflicht ist. „Das wäre so, als würde man bei einem Mercedes den Stern abbrechen. Unser Brandzeichen ist seit 1787 die Elchschaufel und macht unsere Marke aus. Fällt sie weg, wird es schwieriger, unsere Pferde aufgrund der Wettbewerbsverzerrung weltweit zu vermarkten“, klagt Julia Martin, Pressesprecherin des Trakehner Verbandes, über die Entscheidung, für die die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf ausarbeitet. Tierschützer freut die Entscheidung, denn aus ihrer Sicht ist das Brandzeichen, eine Verbrennung dritten Grades der obersten Hautschicht, eine Qual. „Bei dem Brand handelt es sich um ein gutes und problemloses Verfahren mit einer langen Tradition. Problematisch ist dagegen der Chip, für den es weltweit kein einheitliches System gibt“, entgegnet man hingegen beim Holsteiner Verband.

„Mit Holsteinern und Trakehnern haben wir die Zugpferde der deutschen Pferdezucht im Land, die auch am globalen Markt eine Rolle spielen. Ob dort der Mikrochip akzeptiert wird, bleibt abzuwarten“, teilt man im Kieler Landwirtschaftsministerium die Bedenken der Züchter und hofft auf ein Einsehen in Berlin.            Rebecca Bellano


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