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06.11.10 / Mit dem Dozenten gen Osten / Rostocker Geschichtsstudenten besuchten mit Vertriebenen deren Heimat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-10 vom 06. November 2010

Mit dem Dozenten gen Osten
Rostocker Geschichtsstudenten besuchten mit Vertriebenen deren Heimat

Ostpreußen zeigte Rostocker Studenten ihre Heimat. Die Möglichkeit hierzu bestand, weil Fischhausens ehemaliger Kreisvertreter Louis-Ferdinand Schwarz diesen Sommer neun Geschichtsstudenten der Universität Rostock unter seinen Reiseteilnehmern hatte.

Für den stellvertretenden Leiter des Dokumentationszentrums für die Opfer deutscher Diktaturen an der Universität Rostock, Dr. Fred Mrotzek, und seine neun Studenten stand das Thema Flucht und Vertreibung am Ende des Zweiten Weltkrieges im Fokus der Reise. Durch Gespräche und Berichte von Zeitzeugen sollte den jungen Historikern Ostpreußen in all seinen Facetten näher gebracht und das Historische lebendiger werden. Bereits am ersten Tag nach der Anreise besichtigte die Gruppe Ostpreußens Hauptstadt. Auf der Stadtrundfahrt durch Königsberg wurde den Studenten der verschwundene Glanz und die geistige Größe der Geburtsstadt Immanuel Kants vermittelt. Besucht wurde unter anderem der Königsberger Dom, der sich wieder in seiner ursprünglichen Backsteingotik zeigt. Gesprächen mit Professoren der Immanuel-Kant-Universität folgte die Besichtigung des Befehlsbunkers des letzten Kommandanten von Königsberg, General Otto Lasch, in unmittelbarer Nähe. Weiter führte die Besichtigung der Stadt am Pregel zu den Ausgrabungen der Reste des Königsberger Schlosses. Beeindruckend war der Gegensatz von Altem und Neuem im jetzigen Stadtbild. Hitzig wurde über das abscheuliche „Haus der Räte“ und die seit der Sowjetzeit anscheinend unveränderte Ausstellung im Stadtmuseum diskutiert.

Eine andere Seite Ostpreußens zeigte sich der Gruppe auf der Rundfahrt über die Kurische Nehrung. Dort konnte neben deutsch-russischen Umweltprojekten auch die 1901 von der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft gegründete Vogelwarte in Augenschein genommen werden, die heute das Zoologische Institut Sankt Petersburg betreibt. Die Kurische Nehrung besticht vor allem durch die Schönheit der typischen, weitläufigen Wanderdünen, die der Gegend um Nidden ein fast schon mediterranes Flair verleihen. Vom Thomas-Mann-Haus, welches auf besonders viel Interesse stieß, hatte man bei gutem Wetter einen hervorragenden Blick auf das Kurische Haff.

Nicht mit dem Reisebus, sondern mit dem Schiff wurde Pillau angesteuert. Der heutige Stützpunkt der russischen Baltischen Flotte war der letzte Hafen, von dem aus Tausende Flüchtlinge 1945 versuchten, vor der anrückenden Roten Armee zu fliehen. In diesen Monaten der Belagerung und des Kampfes ließen Zehntausende Zivilisten und Soldaten ihr Leben. Selbstverständlich besuchte die Gruppe auch den vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge angelegten und gepflegten Ehrenfriedhof in den Stranddünen nahe der Stadt. Einen besonderen Eindruck hinterließ der deutsche Soldatenfriedhof in Fischhausen. Mit bewegenden Worten betonte der gebürtige Fischhausener Louis-Ferdinand Schwarz die enorme Wichtigkeit, der Opfer beider Seiten zu gedenken und die Aussöhnung zwischen den beiden Völkern weiter zu fördern. Die russische Gemeinde in Fischhausen ist daher sehr um die Aufrechterhaltung des Andenkens des widerfahrenen Leidens beider Seiten bemüht.

Um noch mehr über die Heimat der Mitreisenden zu erfahren, wurde der geschichtsträchtige Osten des Landes erkundet. Ein Tagesausflug führte die Gruppe nach Insterburg, zum Gestüt Georgenburg sowie nach Trakehnen und Gumbinnen. Jeder, der sich mit preußischer Geschichte beschäftigt, kennt Trakehnen. Das berühmte Gestüt macht heute einen traurigen Eindruck. Leider wurde die Gruppe auch Zeuge der Auseinandersetzungen in der und um die „deutsche Schule Trakehnen“.

Als ein besonderes Erlebnis blieb der Reisegemeinschaft der Besuch Nemmersdorfs im Gedächtnis. Im Oktober 1944 wurde das beschauliche Dorf als eine der ersten Ortschaften Ostpreußens von der Roten Armee eingenommen. In einem kurzen, aber eindrucksvollen Vortrag schilderte Mrotzek die Geschehnisse in Nemmersdorf. Im besonderen Maße wies der Historiker auf das Ausmaß der Verbrechen an der deutschen Zivilbevölkerung hin und versuchte die Situation in jenen Herbsttagen des Jahres 1944 und die Folgen von Nemmersdorf detailliert aufzuzeigen.

Fazit der Reise: Als Student kann man sich in seinen Ferien für wenig Geld in den warmen Gebieten Südeuropas erholen. Man kann aber auch mit Zeitzeugen in das Königsberger Gebiet reisen, und als Geschichtsstudent sollte man dies tun. Auf eine einzigartige Art und Weise wird Geschichte am authentischen Ort durch Zeitzeugen vermittelt. Der weitergegebene Erfahrungsschatz führt bei den angehenden Geschichtslehrern dazu, dass die Geschichte Ostpreußens an den deutschen Schulen wieder eine Chance bekommt. Betrachtet man das Gebiet heute, ist aber auch zu fragen: „Quo vadis Königsberg?“          Sophie Auer/Alexander Vogt


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