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13.11.10 / Rückblick und Ausblick / Die Rede Wilhelm v. Gottbergs zum Wechsel im Sprecheramt – Stehende Ovationen zum Abschied

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-10 vom 13. November 2010

Rückblick und Ausblick
Die Rede Wilhelm v. Gottbergs zum Wechsel im Sprecheramt – Stehende Ovationen zum Abschied

Gleich nach der Neuwahl des Bundesvorstandes der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) auf der Sitzung der Ostpreußischen Landesvertretung trat der bisherige Sprecher Wilhelm v. Gottberg an das Rednerpult und richtete nachstehende Ansprache an die Delegierten.

Liebe Landsleute, meine Damen und Herren, seit nunmehr 20 Jahren habe ich die Gesamtverantwortung für den Verband getragen. Die Verantwortung hat mich erheblich in diesen zwei Dekaden belastet. Erster Diener der LO zu sein, so habe ich das Sprecheramt für mich interpretiert. Deswegen bin ich zufrieden, heute das Sprecheramt an einen Nachgeborenen – aber gleichwohl bewährten – Landsmann übergeben zu können.

Was ist mir in meiner Arbeit für die LO am nachhaltigsten im Gedächtnis geblieben. Zwei Punkte will ich nennen.

Die ungeheure Arbeitsfülle, die der damalige Bundesvorstand mit dem Sprecher zu bewältigen hatte. Dagegen ist die heutige Situation des neu gewählten Bundesvorstandes geradezu kommod.

Wir hatten in den fünf mitteldeutschen Ländern LO-Kreis- und Landesgruppen zu gründen. Die Landesgruppe Sachsen-Anhalt habe ich alleine gegründet, bei der Gründung der Landesgruppen Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen habe ich erheblich mitgewirkt. Dazu wurden zahlreiche Fahrten mit Privat-Pkw zu den Gründungsstätten erforderlich. Darüber hinaus stand zwischen 1990 und 1993 die Gründung der deutschen Vereine in Ostpreußen an. Im Sommer 1992 konnte die LO ihr erstes Sommerfest in Osterode veranstalten. Ich hielt die Festrede, es war eine sehr gespannte Atmosphäre. Dennoch verlief das Sommerfest gut, wenn man die Tatsache unberücksichtigt lässt, dass in dem Organisationsbüro der LO im Parkhotel in Osterode eine Tränengasbombe gezündet wurde. In diesen Jahren, aber eigentlich bis heute hin wurde ich gebeten, zahlreiche Ansprachen zu halten. Im Durchschnitt bin ich jedes Jahr an 20 Wochenenden unterwegs gewesen, um vor ostpreußischen Vereinigungen zu sprechen. Meine Reden habe ich immer selbst verfasst. Hinzu kam, dass meine regelmäßige Anwesenheit in der Geschäftsstelle in Hamburg erforderlich war. Trotz Berufstätigkeit und Kommunalpolitik habe ich das bewältigen können. Allerdings galt für mich in abgewandelter Form ein preußisches Sprichwort: „Wer auf die preußische Fahne schwört, hat keine Zeit mehr, die ihm noch selber gehört“. Das habe ich erfahren.

Es gab in diesen 20 Jahren vier tiefgehende Krisen in dem Verband. Ich bin Gott dankbar, dass er mir die Kraft gab, in diesen Situationen für die LO und für eine saubere Bewältigung dieser Krisen einzustehen. Die Einflüsterungen zum faulen Kompromiss waren zahlreich. Mit meiner Devise „Das muss der Bundesvorstand wissen, das muss vor die OLV“ bin ich gut gefahren. Gemeinsam wurden die Krisenfeuer rasch ausgetreten, ohne dass der Verband nachhaltig Schaden nahm. Dankbar bin ich auch, dass bei diesen Begebenheiten ich von Mitarbeitern der LO, aber auch von den Gremien unterstützt wurde.

Meine Damen und Herren, die Landsmannschaft Ostpreußen steht heute im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Landsmannschaften einzigartig dar. Ich übergebe den Verband in einem guten Zustand. Die LO ist für die Zukunft gerüstet. Dies bedeutet aber nicht, dass zukünftig keine Risiken für die Landsmannschaft Ostpreußen zu befürchten sind. Jedoch, wenn wir weiterhin einig zusammenstehen, werden wir die Zukunft meistern.

Ich bin nun ein alter Fahrensmann. Nachstehende Aufgaben lege ich den Gremien der Landsmannschaft als Daueraufgabe ans Herz.

Die Stärkung der deutschen Volksgruppe in Ostpreußen. Dies bedeutet nicht nur humanitäre und finanzielle Zuwendungen. Das bedeutet auch für die heimatverbliebenen Landsleute politische Unterstützung einzufordern, sowohl von der litauischen und der polnischen Regierung als auch von der Bundesregierung. Russland lasse ich hier außen vor, weil es im Königsberger Gebiet keine heimatverbliebenen Landsleute gibt. Die Stimme der LO muss hörbar bleiben, wenn wir unsere Existenzberechtigung nicht verlieren wollen.

Die ungeregelte Eigentumsproblematik ist für die LO noch nicht vom Tisch. Eine Lösung für das zurückgelassene und konfiszierte Eigentum ist einzufordern. Hier haben wir in der EUFV einen Partner an unserer Seite. Liebe Landsleute, es kann doch nicht sein, dass wir bei diesem Problem in die Zeit vor 1648 zurückfallen.

Beim Westfälischen Frieden von 1648 wurde der Grundsatz rechtskräftig, dass Vertriebene für ihr zurückgelassenes Eigentum entschädigt werden müssen. Dies wusste auch der preußische König Friedrich Wilhelm I., der für seine neuen Landeskinder, die Salzburger Glaubensflüchtlinge nach 1732, einen Prozess gegen den Salzburger Fürstbischof führte. Dieser hatte die protestantischen Salzburger aus seinem Land verjagt, ohne sie zu entschädigen. Der preußische König gewann diesen Prozess, der Salzburger Fürstbischof musste Entschädigungszahlungen leisten. Wenn die Bundesregierung meint, den Nachbarn im Osten keine Entschädigungszahlungen zumuten zu können, muss sie selbst entschädigen. Leider haben die Bundesregierungen der letzten 20 Jahre das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat Deutschland erheblich beschädigt, weil sie bei der ungelösten Eigentumsproblematik den Betroffenen den gebotenen diplomatischen Schutz versagt haben.

Die Landsmannschaft Ostpreußen hat für den Durchbruch der historischen Wahrheit über die Hintergründe von Flucht und Vertreibung 1945ff. zu kämpfen. Nichts, auch keine noch so schreckliche Gräueltat, die im Namen Deutschlands zwischen 1939 und 1945 begangen wurde, rechtfertigt die Vertreibung, die graduell zum Völkermord ausartete. Deswegen können wir die heute von der politischen Klasse des In- und Auslandes dargebotene Begründung für Flucht und Vertreibung nicht akzeptieren. Da heißt es: „Es ist das Menschheitsverbrechen des Holocaust, es ist der rassenideologische Vernichtungskrieg, mit dem die NS-Diktatur die Völker im Osten überzog. Nur vor diesem Hintergrund konnte sich von Warschau bis Belgrad auf breiter Front die Überzeugung durchsetzen, nicht länger mit Deutschen in einem Staat zusammenleben zu wollen.“

Diese Argumentation ist verlogen. Die Rumänen haben die Deutschen nach 1945 nicht vertrieben und die Polen die Deutschen in Oberschlesien ebenso nicht. Darüber hinaus wird Deutschland mit der zitierten Begründung die Rolle des ewig Schuldigen zugewiesen. Eine derartige Argumentation dient nicht der Verständigung und entspricht nicht der Motivlage der Täter und Väter der gewaltsamen Massenaustreibung der Deutschen.

Ich denke heute an Persönlichkeiten, die mir in den Gremien der LO vorausgegangen sind. Sie haben mich teilweise mitgeprägt, sie wurden mir Vorbild. Zunächst aber nenne ich meinen Vater, der sich allerdings landsmannschaftlich nicht betätigt hat. Er war ein Patriot, der seine ostpreußische Heimat unendlich geliebt hat. Des Weiteren nenne ich: Harry Poley, Wilhelm Hopp, Hermann Christian Thomasius, Dr. Heinz Burneleit, Irmchen Börnecke und die beiden evangelischen Pastoren Hans-Hermann Engel und Ernst-August Marburg. Sie sind bereits von dieser Welt gegangen. Dazu nenne ich Dr. Klaus Hesselbart, Dr. Herbert Beister, Dr. Elard von Stein, Gerhard Prengel. Ich habe zu ihrem Wirken Kontinuität gehalten.

Liebe Landsleute, bei meiner Antrittsrede als Sprecher der LO wählte ich für sie die Überschrift „Kontinuität und Wandel“. Das könnte auch eine Devise für den heute neu gewählten Bundesvorstand sein. Bedenken Sie bitte, meine Damen und Herren des Vorstandes, Kontinuität steht an der ersten Stelle. Aber ebenso klar ist: Nichts ist so beständig wie der Wandel, alles ist immer im Fluss. Ich danke an dieser Stelle allen Landsleuten im Norden und im Süden, im Westen und im Osten – der Osten reicht bis Ostpreußen –, die mich mit ihrer Sympathie und Anteilnahme in den vergangenen beiden Jahrzehnten begleitet haben. Sie gaben mir die Kraft, die Aufgabenlast zu tragen und abzuarbeiten. Ich werde auch weiterhin in anderen Funktionen Ostpreußen und den Ostpreußen dienen. Liebe Landsleute, ich melde mich ab.


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