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13.11.10 / Klimmzüge an den Rändern / SED-Nachfolgepartei ringt mit sich um ein Grundsatzprogramm – NPD schluckt die klinisch tote DVU

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-10 vom 13. November 2010

Klimmzüge an den Rändern
SED-Nachfolgepartei ringt mit sich um ein Grundsatzprogramm – NPD schluckt die klinisch tote DVU

In der Linkspartei brechen die Konflikte zwischen Machtstrategen und Fundamentalisten offen aus: Noch immer haben die SED-Nachfolger kein richtiges Programm. Am anderen Ende des Spektrums schließen sich unterdessen NPD und DVU zusammen.

Der Unmut über die undurchsichtige Programmatik der Linkspartei wächst – in der Anhängerschaft ebenso wie auf der Funktionärsebene der Partei bis hinauf in die Führung. Kommunistische Maximalforderungen prallen gegen den Wunsch auf Regierungsbeteiligung, der vom Beharren auf der reinen roten Lehre konterkariert zu werden droht.

Der innere Widerspurch brach auf dem Parteitag vergangenes Wochenende in Hannover offen auf. Drei Jahre nach dem Zusammenschluss von WASG und PDS verfügt die Linke noch immer nicht über ein reguläres Programm, sondern nur über provisorische „Eck­punkte“. Vergangenen März legte eine Kommission unter Führung der Ex-Parteichefs Oskar Lafon­taine und Lothar Bisky einen Entwurf vor. Erst Ende 2011 sollen die knapp 80000 Mitglieder per Urabstimmung das Grundsatzprogramm absegnen.

Der Entwurf trägt eine radikale Handschrift: Banken sollen verstaalticht, große Privatunternehmen und Energiekonzerne „vergesellschaftet“ werden, was wohl aufs Gleiche hinausläuft. Politische Streiks sollen erlaubt werden, die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ist das Ziel. Zudem soll die Bundeswehr nicht mehr an Auslandseinsätzen teilnehmen dürfen.

Manche der Forderungen treffen vor allem in den regierungserfahrenen Landesverbänden der neuen Bundesländer auf Widerstand. So etwa der Passus, dass auf Landesebene Koalitionen nur noch unter der Bedingung eingegangen werden sollen, wenn es keinen Stellenabbau im öffentlichen Dienst gibt. Das sei schon wegen der Bevölkerungsschrumpfung völlig unrealistisch, schimpfen Linke-Politiker aus der ehemaligen DDR.

Auf dem Parteitag dominierten jedoch Landesverbände wie Nordrhein-Wetsfalen und Niedersachsen. Dort weht ein anderer Wind: In NRW hat sich die Leitfigur der linksextremen „Kommunistischen Plattform“, Sahra Wagenknecht, ein passendes Umfeld geschaffen. Die NRW-Linke hatte sich mit extremen Vorstößen wie „Recht auf Rausch“ bei den Landtagswahlen dieses Frühjahr blamiert. In Niedersachsen sorgte die (mittlerweile fraktionslose) Landtagsabgeordnete Christel Wegner für Aufsehen, als sie meinte, zum Kampf gegen „reaktionäre Kräfte“ brauche ein sozialistisches Land auch wieder so etwas wie die Stasi.

Unklar ist und bleibt, inwieweit die „gemäßigten“ Positionen anderer Linke-Politiker ehrlich gemeint sind oder aber taktischem Kalkül entspringen. Gerade in den westlichen Landesverbänden haben sich Personen ausgebreitet, die es zum Teil seit Jahrezehnten gewöhnt sind, in kleinen Politsekten extremistischen Maximalismus fern jeder Aussicht auf Regierungsverantwortung zu betreiben. Sie fühlen sich in den „Strukturen des außerparlamentischen Widerstands“, der gelegentlich auch gewalttäig werden kann, weit wohler als in den Sach­zwängen mühsamer Regierungsarbeit. Für die Linkspartei wird es  schwierig werden, diese Gräben bis Ende 2011 zu überwinden.

Diese Sorgen hat man am anderen Ende des politischen Spektrums nicht. Die NPD braucht sich für keine Regierungskoalition zu schmücken, da ihr niemand eine anbieten wird. Immerhin scheint der Weg nun frei zu sein für einen Zusammenschluss mit der siechen DVU. Beide Parteien waren seit Jahren in einem Wechselbad aus Pakt und Zerwürfnis miteinander verbunden. Mit über 90 Prozent beschlossen die 207 Delegierten des NPD-Parteitags im sachsen-anhaltischen Hohenmölsen, bis zum 1. Januar mit der DVU zur „NPD – Die Volksunion“ zu fusionieren. Ende November muss die DVU auf einem eigenen Parteitag noch zustimmen. Doch das scheint nur eine Formsache zu sein: Der Bundesvorsitzende der DVU, Matthias Faust, wurde bereits zum dritten stellvertretenden Vorsitzenden der NPD gewählt, zwei weitere DVU-Vorstände rück­ten ebenfalls in die NPD-Spitze auf.

Damit sind auch die Kräfteverhältnisse in der neuen Rechtsaußen-Formation klar erkennbar: Die NPD unter Udo Voigt, Chef seit 1996, gibt den Ton an.

Beobachter sehen in der NPD in jüngster Zeit Tendenzen zur Radikalisierung. Das Bemühen, in bürgerliche Kreise vorzudringen, ist weitgehend gescheitert. Frustriert haben auch andere Gruppen am rechten Rand festgestellt, dass ihr betont ziviler Auftritt kaum Früchte getragen hat. Obschon etwa Gewalt nahezu immer von linken „Gegendemonstranten“ ausging, war das Urteil von Medien und Politik klar, wer schuld war an Eskalationen. Dies hat zu einer Öffnung zu sogenannten „freien Kräften“ geführt, denen der bürgerliche Habitus der NPD ohnehin suspekt war. Im Auftreten sind solche „autonomen Nationalisten“ oft kaum von Linksautonomen zu unterscheiden.

Einen Tag nach dem Parteitag konnte die NPD sogar einen Achtungserfolg erzielen: Bei der Bürgermeisterwahl im 3200-Einwohner-Ort Laucha an der Unstrut (Sachsen-Anhalt) erzielte NPD-Kandidat Lutz Battke 24 Prozent. Battke sollte wegen seines Engagements für die Rechtsaußenpartei seinen Posten als Jugendtrainer verlieren und zudem seine Stellung als Bezirksschorn­steinfeger einbüßen. Letzteres stoppte die Justiz. Offenbar führte dieses Vorgehen gegen Battke zur Solidarisierung seiner Nachbarn. Der BSC Laucha soll dessen ungeachtet aus dem Landessportbund  ausgeschlossen werden, weil er Battke weiter als Trainer arbeiten lässt. Hans Heckel


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