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13.11.10 / Ende vieler Dienstfahrten? / Bonn wehrt sich gegen Regierungsumzug nach Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-10 vom 13. November 2010

Ende vieler Dienstfahrten?
Bonn wehrt sich gegen Regierungsumzug nach Berlin

Berlin ist und bleibt die Hauptstadt, darin waren sich Deutschlands Politiker über alle Partei- und sonstigen Grenzen hinweg jahrzehntelang einig. Im Westen dachte man dabei an ein dermaleinst wiedervereinigtes Deutschland und richtete sich im rheinischen Bonn gemütlich ein. Im kommunistischen Machtbereich war man längst konkreter geworden und nannte den eingemauerten Ostteil „Berlin, Hauptstadt der DDR“.

Als dann, für viele plötzlich und unerwartet, die DDR unrühmlich unterging, stellte sich die Hauptstadtfrage neu. Denn niemand wagte es, die Treueschwüre zu Berlin als bloße Lippenbekenntnisse zu entlarven.

Andererseits wollten die Bonner auch nicht gänzlich auf die gerade erst vier Jahrzehnte junge Hauptstadtwürde verzichten. Schließlich hatten die Bürger der vormals so betulichen Gelehrten- und Beamtenstadt viel hektische Betriebsamkeit über sich ergehen lassen, um der hohen Politik mehr als nur ein Provisorium zu sein. Sie hatten es hingenommen, dass ihr Stadtbild nicht mehr von der grünen Achse zwischen Kurfürstlichem und Poppelsdorfer Schloss geprägt wurde, sondern von schmucklosen Regierungsbauten à la „Langer Eugen“, den mancher eher als Gerstenmaiers Rache empfand.

Gerade in den späten 70er und den 80er Jahren hatte Bonn durch die Regierungsstellen, die nationalen und internationalen Organisationen und das diplomatische Corps gewonnen. Und das wollten die Bonner sich nicht so einfach wieder wegnehmen lassen. Schließlich sollte auch honoriert werden, dass Bonn in aller Welt als Symbol des neuen, demokratischen Deutschland gewürdigt wurde – überschaubar, menschlich, keineswegs furchterregend.

Im Einigungsvertrag, unterzeichnet am 31. August 1990, war Berlin lediglich als Hauptstadt festgelegt, nicht aber als Parlaments- und Regierungssitz. Dar­über befand erst der – nunmehr gesamtdeutsche – Bundestag am 20. Juni 1991. Nach einer denkwürdigen Debatte stimmten 338 Abgeordnete für den Umzug an die Spree, 320 wollten lieber im Rheinischen bleiben.

Die Bonn-Fraktion, die sich mit der knappen Niederlage natürlich nicht anfreunden konnte, handelte für das nun anstehende Berlin/Bonn-Gesetz weit mehr als nur ein „Trostpflaster“ heraus: Kanzler und Präsident behalten einen zweiten Dienstsitz am Rhein, sechs Ministerien bleiben gleich ganz dort, darunter als bedeutendstes das Verteidigungsressort auf der Hardthöhe. Ferner wurden für den Zeitraum 1995 bis 2004 fast 1,5 Milliarden Euro als Finanzausgleich zugebilligt. Die nunmehrige „Bundesstadt“ konnte damit gut leben und sich bis heute eine beachtliche Lebensqualität bewahren.

Die aber sehen die Bonner nun erneut gefährdet. Im Zuge der Strukturreform der Bundeswehr nämlich fordert die „Berlin-Fraktion“ den vollständigen Umzug des Regierungspersonals und das Ende der täglichen Dienstfahrten zwischen Rhein und Spree mit ihren unvertretbar hohen Kosten, ein Argument, das angesichts gigantischer Staatsschulden mehr überzeugt als der nostalgische Rückblick auf die guten alten Bonner Hauptstadtjahre. Auch wenn der sonst eher unromantische Bonner Bundestagsabgeordnete Guido Westerwelle das ganz anders sieht.           H.J.M.


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