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13.11.10 / Ausländerprobleme in der Schweiz / Die Eidgenossen stimmen am 28. November über eine »Ausschaffungsinitiative« ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-10 vom 13. November 2010

Ausländerprobleme in der Schweiz
Die Eidgenossen stimmen am 28. November über eine »Ausschaffungsinitiative« ab

Auch das Volk müsse „lernen, dass es nicht immer Recht hat“ – eine Mahnung, die man durchaus ernst nehmen sollte, zumal wenn sie aus der Schweiz, dem Musterland der direkten Demokratie, kommt. Der hier zitierte Zürcher Jurist Prof. Andreas Auer zielt mit seiner vorauseilenden Kritik auf das mögliche Ergebnis der am 28. November anstehenden Volksabstimmung über die sogenante Ausschaffungsinitiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP) sowie einen Gegenvorschlag des Parlaments.

Beide Entwürfe suchen eine zeitgemäße Antwort auf die Entwicklung der Ausländerkriminalität. Beide wollen das Verfahren zur „Ausschaffung“, also Abschiebung, straffällig gewordener Nichtschweizer präzisieren – nach Ansicht multikultibewegter Kritiker verschärfen.

Die konservative SVP stützt ihre Initiative auf eindrucksvolles Zahlenmaterial. Demnach wird inzwischen rund die Hälfte aller Straftaten in der Schweiz von Ausländern begangen. Bei schweren Verbrechen gegen Leib und Leben stieg der Ausländeranteil im vergangenen Jahr auf deutlich über 50 Prozent. Nach Delikten aufgeschlüsselt sieht das so aus: Körperverletzung 54 Prozent, Tötungen 59 Prozent, Vergewaltigungen 62 Prozent, Menschenhandel 91 Prozent. Einbruch und Diebstahl sind zu 57 Prozent Domäne ausländischer Täter,

Eine weitere Zahl, die das dramatische Ausmaß der Entwick­lung verdeutlicht: In den Schweizer Gefängnissen hatten Ende vergangenen Jahres 70,2 Prozent der Insassen einen ausländischen Pass. In diesem Zusammenhang verweist die SVP auch darauf, dass 44,2 Prozent der Sozialhilfeempfänger sowie 34,5 Prozent der Bezieher von Invalidenrenten Ausländer sind. Welchen Bezug diese Erkenntnisse zur Entwicklung der Ausländerkriminalität haben sollen, wird freilich nicht erläutert.

Nach geltendem Recht „können“ zu Freiheitsstrafen verurteilte Ausländer nach Verbüßung der Haft ihr Aufenthalts- oder Niederlassungsrecht verlieren. Zu entscheiden haben darüber die kantonalen Migrationsämter. Zwingend vorgeschrieben ist eine Einzelfallprüfung. In den meisten Kantonen setzt dieses Verfahren bei einem Strafmaß von einem Jahr oder mehr ein. Berücksichtigt werden bisherige Dauer des Aufenthalts in der Schweiz, familiäre Bindungen, Grad der Integration, wobei nicht klar ist, nach welchen objektiven Kriterien dieser bemessen werden könnte. Der Betroffene muss auf jeden Fall erst seine Strafe absitzen; die zwangsweise „Ausschaffung“ wird verfügt, wenn er nicht nach dem Strafvollzug freiwillig das Land verlässt.

Sonderregelungen gelten für Bürger der EU- und EFTA-Staaten. Bei ihnen muss neben den genannten Aspekten auch geprüft werden, ob sie weiterhin eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ darstellen und mit einem Rückfall zu rechnen ist.

Zur Zeit leben in der Schweiz über 1,7 Millionen Ausländer, 22 Prozent der gesamten Wohnbevölkerung. Jeder zweite stammt aus einem EU- oder EFTA-Land. Stärkste Nationalitäten sind die Italiener mit 17 und die Deutschen mit 14,7 Prozent. Die Ausschaffungsinitiative der SVP will aus der Kann- eine landesweit einheitliche Muss-Bestimmung machen. Die Einzelfallprüfung soll wegfallen.

Kritiker verweisen darauf, dass im Gegensatz zum geltenden Recht die Ausschaffungs-Straftatbestände nur unzureichend und unklar definiert seien. Daher hat das Berner Parlament einen Gegenvorschlag eingebracht, der hier für mehr Präzision sorgen soll. Ansonsten unterscheiden sich die beiden Texte vor allem in diesem Punkt: Die SVP will auch „Betrug im Bereich der Sozialhilfe“ zur generell ausweisungspflichtigen Straftat erheben, der Gegenentwurf will hier erst bei einer Freiheitsstrafe von mindestens 18 Monaten aktiv werden.

Das Volk hat nun am 28. November die Möglichkeit, eine Vorlage anzunehmen und die andere abzulehnen. Man kann aber auch beide ablehnen, ja sogar beide annehmen – so kompliziert kann direkte Demokratie sein.

Umfragen deuten auf eine moderate Mehrheit für die SVP-Initiative hin. Vorsichtshalber fahren Fundamentalkritiker schon vorab schwerstes Geschütz auf: Die Ausschaffungsinitiative sei, wie auch das im November 2009 mit klarer Mehrheit angenommene Minarett-Verbot, völker- und menschenrechtswidrig, behauptet zum Beispiel der eingangs zitierte Andreas Auer. Um seine eigenen Worte abzuwandeln: Auch Professoren müssen lernen, dass sie nicht immer Recht haben. Hans-Jürgen Mahlitz


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