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20.11.10 / Abgesang auf eine Ära / Der G20-Gipfel in Seoul offenbarte das Ende des amerikanischen Jahrhunderts

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-10 vom 20. November 2010

Abgesang auf eine Ära
Der G20-Gipfel in Seoul offenbarte das Ende des amerikanischen Jahrhunderts

Washington ist mit seinem Doppelangriff auf Berlin und Peking gescheitert. In der Stärke mittelgroßer Mächte zeigte sich in Seoul eine neue Weltordnung.

Die Attacke von Timothy Geithner könnte das Fass zum Überlaufen gebracht haben: Unverblümt mit Hinweis auf Deutschland forderte der US-Finanzminister eine Deckelung von Exportüberschüssen. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sprach von einem „erschütternden Rückfall in planwirtschaftliches Denken“. Kanzlerin Merkel äußerte trotzig ihren Stolz auf die eindrucksvolle Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte.

Geithners Attacke war womöglich der schwerste strategische Fehler im Umfeld des G20-Gipfels in Seoul. Deutschlands und Chinas Aussenhandelsüberschüsse haben recht verschiedene Ursachen: China hält seine Währung künstlich billig. Deutschland hingegen ist lediglich besonders wettbewerbsfähig.

Indem er beide Länder in einen Topf warf, schmiedete Geithner eine unverhoffte Allianz zwischen Berlin und Peking, die in Seoul gegen die USA in Stellung ging. An der gebündelten Macht der Deutschen und Chinesen, denen sich andere Exportländer wie Korea oder Japan nur zu gern anschlossen, prallten die USA ab. Nun soll eine Kommission „Schwachstellen“ im Welthandel erst einmal analysieren. Dabei ist noch nicht einmal beschlossen worden, nach welchen Kriterien hier untersucht werden soll. Ein typischer Formelkompromiss.

Viele Kommentatoren glauben, dass der Gipfel das „Ende des amerikanischen Jahrhunderts“ eingeläutet habe. Nichts habe das so sehr sichtbar gemacht wie das selbstbewusste Auftreten der Deutschen und der Chinesen. Und auch andere mittelgroße Mächte wie etwa Brasilien hätten ein bislang ungekanntes Selbstbewusstsein gezeigt.

Andererseits ist es zum „chinesischen Jahrhundert“, so es denn irgendwann kommen sollte, offenbar auch noch eine Weile hin. In Seoul zeigte sich gleich eine ganzer Reihe starker Akteure, unter denen sich Deutschland, China und Brasilien nur am lautesten artikulierten.

Zum heißen Eisen eines drohenden „Währungskrieges“ gab es in Seoul wenig Konkretes. Unter der Leitung von Frankreich, das 2011 den Vorsitz der G20 von Südkorea übernimmt, soll eine „Grundsatzdis­kussion“ über das Weltwährungssystem eingeleitet werden. Indes verlautete bereits, worauf ein solches „neues“ System hinauslaufen dürfte: auf eine Schwächung des US-Dollar als globale Leitwährung.

„Währungskrieg“ bedeutet, dass die Notenbanken den Wechselkurs der eigenen Devise künstlich nach unten manipulieren, um die Exportchancen des eigenen Landes zu verbessern. Daraus kann sich ein verheerender Abwertungswettlauf entwickeln. Folge wäre vermutlich Protektionismus (Behinderung von Importen durch Zölle und Schikanen) und Geldentwertung.

Aufsehen erregt hat Weltbank-Chef Robert Zoellick, der kurz vor dem Gipfel einen neuen Goldstandard ins Gespräch brachte (die PAZ berichtete). Schon jetzt flüchten Millionen Anleger vor dem Papiergeld in Gold und Silber, selbst bislang wenig beachtete Gedenkmünzen finden reißenden Absatz (siehe Kasten).

Experten halten eine baldige Eskalation an der Währungsfront nach dem Gipfel für vorerst gebannt – vorerst. Allerdings vergingen kaum Stunden nach dem Treffen, bis China mit neuen Restriktionen beim Export Seltener Erden Öl in die schwelende Frage nach der Zukunft des freien Welthandels goss.             Hans Heckel


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