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20.11.10 / Irland soll als Bauernopfer herhalten / Um Ruhe an die Finanzmärkte zu bekommen, soll Dublin Hilfe aufgezwungen werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-10 vom 20. November 2010

Irland soll als Bauernopfer herhalten
Um Ruhe an die Finanzmärkte zu bekommen, soll Dublin Hilfe aufgezwungen werden

Obwohl Irland derzeit gar kein frisches Geld durch Staatsanleihen aufnehmen muss, übt man in der EU Druck auf das Land aus, jetzt schon Hilfe anzufordern.

Noch vor kurzem hatte es aus Brüssel geheißen, die Finanzmarktstabilisierungsfazilität (EFSF), sprich der Euro-Rettungsschirm, würde vermutlich nie in Anspruch genommen werden müssen, denn alles entwickle sich bestens. „Alle Euroländer, auch Spanien, Portugal und Griechenland, hatten in den letzten Wochen kein Problem, an den Märkten Geld aufzunehmen“, hatte der Chef des Europäischen Rettungsfonds, Klaus Regling, Ende August gesagt. „Das alles deutet auf Entspannung hin. Manch einer an den Märkten wird sich fragen müssen, ob die wilden Spekulationen vor einigen Monaten nicht übertrieben waren.“ Und egal ob EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB) oder die EU-Staats- und Regierungschefs, alle betonen stets, dass alles gut würde.

Doch nun sind es genau jene EU-Vertreter, Regierungschefs und EZB-Mitglieder, die Irland nahelegen, dringend die Hilfe der EFSF in Anspruch zu nehmen.  EZB-Ratsmitglied Miguel Angel Fernandes Ordonez hatte Irland offen aufgerufen, doch Geld aus dem Hilfsfonds anzufordern. Die Iren hingegen wissen gar nicht recht, wie ihnen geschieht. Sie brauchen erst wieder im Frühjahr 2011 frisches Geld vom Kapitalmarkt und sehen daher derzeit gar keine Notwendigkeit, Hilfe anzufordern.

Doch das ändert nichts daran, dass die Zinsen und Kurse der bereits auf dem Markt gehandelten irischen Staatsanleihen schon jetzt andeuten, dass Investoren weltweit nicht bereit sein dürften, neue irische Staatsanleihen ohne weitere hohe Risikoaufschläge zu akzeptieren. Denn die Anleger, ob nun institutionell oder privat, sind nervös. Dies sind sie auch wegen der Ungewissheit über die Zukunft der labilen irischen Banken, bei denen derzeit nicht absehbar ist, wie viele zusätzliche Milliarden die Regierung in Dublin noch für deren Rettung benötigt. Sie sind das Problem der Iren, das ihnen den Ruf einbringt, bald ein zweites Griechenland zu werden, also nur durch Rettung von den EU-Partnern vor der Insolvenz gerettet zu werden.

Dass die Iren diesen Vergleich unfair finden, ist nachvollziehbar, schließlich gilt die irische Volkswirtschaft als flexibel. Auch hat man auf der grünen Insel keine so großen Probleme mit der Korruption wie die Hellenen. Nur die Banken im Land waren in den vergangenen Jahren viel zu risikofreudig und dafür müssen die irischen Steuerzahler nun die unkalkulierbare Zeche zahlen. Vor allem wegen der nationalen Ban-kenrettung wird die irische Neuverschuldung in diesem Jahr bei 32 Prozent des Bruttoinlandproduktes liegen. Trotzdem sieht sich die irische Regierung, die durch Annahme der Hilfe eine Rufschädigung befürchtet, noch nicht am Boden. Sie gibt stattdessen deutschen Politikern die Schuld an der negativen Entwicklung irischer Staatsanleihen − und findet sich hier in bester Gesellschaft mit Griechenland. „Einige, wie die deutsche Regierung, haben vorgeschlagen, dass die Banken, die Staaten mit hohen Schulden finanzieren, bereit sein müssen, bei Zahlungsunfähigkeit die Kosten zu übernehmen“, sagte der griechische Ministerpräsident Giorgios Papandreou vergangenen Dienstag. „Das hat eine Spirale von steigenden Zinsen für Länder wie Irland und Portugal in Gang gesetzt, die in einer schwierigen Lage zu sein scheinen.“

„Merkel-Crash“ hatten die Medien diese Entwicklung der Staatsanleihen genannt, da vor allem die deutsche Kanzlerin auf die Inanspruchnahme auch der Gläubiger im Falle von Staatspleiten gepocht hatte. Daraufhin schossen die Risikoaufschläge vor allem von irischen, portugiesischen, griechischen und auch spanischen Staatsanleihen in die Höhe. Letzteres dürfte der Grund gewesen sein, warum der spanische Notenbankchef Ordonez versucht, die Aufmerksamkeit von Spanien auf die Iren zu lenken und diese zum Handeln zu zwingen, in der Hoffnung, dass dann ersteinmal wieder Ruhe an die Märkte zurückkehrt.

Dass im Rahmen der aktuellen Nervosität an den Finanzmärkten auch die Entwicklung der deutschen Staatsanleihen negativ war, geriet bei der ganzen Diskussion fast aus dem Blick. Doch genau das dürfte der Grund sein, warum auch von deutscher Seite Druck auf Irland ausgeübt wird, schließlich ist Deutschland das Land, das am meisten für all jene haftet, die ohne EU-Hilfe nicht mehr können. Da Irland das kleinste Problem ist, soll es gelöst werden, bevor noch Portugal oder gar das viel größere Spanien kollabieren.

Derweil schießt Lissabon quer und stört den Plan, Ruhe an die Finanzmärkte zu bekommen, indem der portugiesische Außenminister Luis Amado offiziell mit dem Gedanken spielte, sein Land müsse vielleicht doch bald aus dem Euro austreten. Gerade weil die portugiesische Minderheitsregierung genau das verhindern will, spielt sie selber offen mit dem Gedanken.

Ziel ist es, so Druck auf die Opposition auszuüben, weiteren Sparprogrammen zuzustimmen. Pikant an der Sache ist, dass die größte Oppositionspartei in Portugal die Partido Social Democrata ist, deren Vorsitzender viele Jahre über José Manuel Barroso, der heutige EU-Kommissionspräsident, war. Dieser müsste eigentlich ein Interesse daran haben, dass in Portugal, dessen Ministerpräsident er von 2002 bis 2004 war, die Sanierung voran geht. Zwar sitzt er nicht mehr im Vorstand seiner Partei, doch Möglichkeiten, um Einfluss zu nehmen, müsste er vor allem in seiner heutigen Position durchaus haben.           Rebecca Bellano


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