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20.11.10 / Gegen den Krebsgang in Europa / Katholische Pfarrer aus Indien sollen dem Priestermangel in Deutschland abhelfen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-10 vom 20. November 2010

Gegen den Krebsgang in Europa
Katholische Pfarrer aus Indien sollen dem Priestermangel in Deutschland abhelfen

Die Wirtschaft überlegt seit neuem wieder, ausländische Arbeitskräfte ins Land zu holen, um den Mangel an Facharbeitern auszugleichen. Die katholische Kirche ist schon seit langem auf diese Idee gekommen und beschäftigt Pfarrer aus Indien in ihren Gemeinden.

Auf der Kanzel der katholischen Sankt-Antonius-Kirche im schleswig-holsteinischen Plön steht seit einigen Monaten ein Priester aus dem fernen Indien. Vor 15 Jahren kam Pater Dr. Zacharias Thudippara als Missionar nach Deutschland. Inzwischen spricht er perfektes Deutsch und gewinnt die Seelen der Menschen durch Gebet, Bescheidenheit und sein sanftes Auftreten.

Als 1968 in Europa die Studenten revoltierten und Hippies die freie Liebe praktizierten, gründeten katholische Studenten und Priester in Südindien die „Missionskongregation des heiligen Thomas“. Diese Christen wollten sich in genau die Teile der Welt aussenden lassen, wo das Christentum den Krebsgang angetreten hatte – nach Westeuropa, Australien und Nordamerika. Die anfangs kleine Gemeinschaft der Missionskongregation vergrößerte sich schnell, weil immer mehr Menschen in Indien sich zum Christentum bekehrten. Heute gehören ihr 318 Geistliche an, die in der westlichen Welt wirken.

Im Jahr 1995 reifte auch in Pater Zacharias der Entschluss, sich in die Mission senden zu lassen. Nicht leicht für einen Mann in der zweiten Lebenshälfte, der eine angesehene Stellung als Professor und Generalvikar seiner Diözese innehatte. Als er in Bayern ankam, musste er zuerst mühsam die deutsche Sprache erlernen. Jetzt kommt noch die etwas steife norddeutsche Mentalität einer Landbevölkerung dazu.

Wer heute in Plön Pater Zacharias begegnet, trifft auf einen schlanken Mann, den man glatt zehn oder 15 Jahre jünger schätzen würde. Seine dunkle Gesichtsfarbe verrät die Herkunft, die Augen blitzen lebendig und freundlich. „Er ist ein wirklicher Missionar“, sagen die Plöner, die zu seinen Gottesdiensten kommen. Er erklärt ihnen das ABC des Glaubens und dies mit Temperament und Überzeugungskraft. Er liest keine Predigten von einem Blatt Papier ab, sondern hat eine Botschaft weiterzugeben. Seine Zuhörer spüren, dass er begeistert von Jesus Christus, seinem „Herrn und Gott“, ist.

Pater Zacharias ist ein Mann des Gebets und der Seelsorge. Sein Evangelium ist nicht kopflastig sondern lebenspraktisch. „Gott ist barmherzig und erhört Gebete“, ruft er oft aus. Und tatsächlich kommen die Menschen zu ihm in die Seelsorge und Beichte; sie berichten von Trost und Hilfe bei gesundheitlichen oder ehelichen Problemen. Wie von selbst wächst auch die Bereitschaft, zur Beichte zu gehen, um dort die Vergebung der Sünden zu erfahren. „Aber vergiss nicht, die Vergebung der Sünden dadurch vollkommen zu machen, indem Du auch anderen Menschen vergibst“, fügt der Priester ganz lebensnah hinzu. Der Apostel Thomas könnte ganz ähnlich gesprochen haben.

Katholische Christen in Indien berufen sich bis heute auf das Wirken des Apostels Thomas, der gerne als der „Ungläubige“ bezeichnet wird. Dabei ist diese Titulierung eigentlich falsch. Nach dem biblischen Bericht zweifelte Thomas zwar zunächst an den Berichten über die leibliche Auferstehung Jesu, wie es heute vielen Menschen ja auch geht. Daher äußerte er den ein wenig anmaßenden Wunsch, den Auferstanden leibhaftig sehen, ja sogar berühren zu dürfen. Als Jesus dann tatsächlich zu ihm kam, ihm die einstmals durchbohrten Hände und Füße zeigte, brach es aus Thomas gläubig hervor: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,24–29).

Mit diesem Satz brachte Thomas den Glauben der Christenheit auf eine Kurzformel, die über Jahrhunderte Bestand hatte. Es sind die beiden Kernpunkte, die ein Mensch eigentlich bis heute aussprechen muss, wenn er sich zu Recht Christ nennen will. Jesus soll das eigene Leben als „Herr“ leiten; ihm gilt das ganze Vertrauen als „Gott“ in den Höhen und Tiefen des Lebens bis hin zum Tal des Todes.

In der Bibel finden sich nach dieser Begegnung zwischen dem auferstandenen Jesus und Thomas keine weiteren Nachrichten. In alten Überlieferungen (seit dem ersten Jahrhundert) hieß es jedoch, er sei bis nach Indien gekommen. Das hielten die meisten Theologen allerdings für ein frommes Märchen. Man konnte sich einfach nicht vorstellen, dass jemand im 1. Jahrhundert so weit über die Grenzen des damaligen Römischen Weltreiches hinaus gekommen sein sollte.

Dabei war dies gar nicht so unwahrscheinlich, wie neueste Forschungen beweisen. Israel war damals eine Drehscheibe für den fernöstlichen Gewürzhandel. Der von den Römern hoch begehrte Pfeffer und andere Gewürze kamen per Karawane aus Südindien genau in Israel an. Dort wurden die kostbaren Waren vornehmlich von jüdischen Händlern aufgekauft und in die Metropolen des Römischen Reiches weiter vertrieben. Wenn die Karawanen wieder zurück nach Indien reisten, nahmen sie gerne zahlende Passagiere mit. Für Juden und so auch für den Apostel Thomas war es also ein Leichtes, eine Karawanen-Reise nach Südindien zu buchen.

Die Wahrheit über den Verbleib des Apostels Thomas kam erst Ende des 15. Jahrhunderts ans Tageslicht. Als der Portugiese Vasco da Gama den Seeweg um Afrika entdeckte und am 20. Mai 1498 in Südindien anlandete, staunten die katholischen Seefahrer nicht schlecht, denn in Indien trafen sie auf Menschen, die sich als Christen ausgaben. Sie wuss-ten sehr gut über Jesus Christus Bescheid und feierten ihre Gottesdienste sogar in der Sprache (Aramäisch), die Jesus einst selbst gesprochen hatte. Erst im Jahr 1970, mit der Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965), wurde in Indien  die Landessprache in den Gottesdiensten eingeführt.

Die indischen Christen berichteten den Portugiesen, dass ihre Kirche auf das Wirken des Apostels Thomas zurückgehe. Dieser habe sieben Kirchen gegründet, die noch bestehen würden. Thomas sei, so erzählten sie weiter, beim Versuch, den König von Madras zu bekehren, umgebracht worden und als Märtyrer gestorben. Sein Grab sei in der Nähe von Madras zu finden.

Und tatsächlich entdeckten die Portugiesen dort das Grab des Apostels. Diese Entdeckung galt als Sensation und verbreitete sich schnell. Die Thomas-Christen schlossen sich bald der katholischen Weltkirche an. In der evangelischen Christenheit wurde dies allerdings wegen der Wirren der Reformationszeit kaum bekannt.

Heute bekennen sich in Indien viele Menschen zum christlichen Glauben. Pater Zacharias Thudippara berichtet, dass zu den monatlichen Tagen für geistliche Exerzitien vor 40 Jahren 70 bis 80 Christen kamen. Heute ist die Teilnehmerzahl etwa 100-mal so hoch. Rund 7000 Christen strömen an einem solchen Tag zusammen, um Gottesdienste zu feiern, mehr von der christlichen Lehre zu erfahren und sich auszutauschen.

Die indische Regierung gibt aus diplomatischen Gründen – um die nationalistische Hindu-Partei nicht aufzuwiegeln – die Zahl der Christen mit nur zwei Prozent an. In Wirklichkeit ist die Zahl der Christen wesentlich höher. Glaubwürdige Schätzungen gehen bereits von sechs bis acht Prozent aus. Das wären 60 bis 80 Millionen Gläubige, die fast alle ein aktives Christenleben führen.

Dass sich einmal die Wege der Missionare umkehren würden, das dürfte auch der Apostel Thomas kaum erwartet haben. Pater Zacharias verrät, dass im Jahr 2011 fünf weitere Thomas-Priester aus Indien im Erzbistum Hamburg ihren Dienst beginnen werden, um dem Priestermangel abzuhelfen und die Freude des Glaubens zu verbreiten. Hinrich E. Bues


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