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20.11.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-10 vom 20. November 2010

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Geld oder Leben! / Wie Angela Merkel dem großen Nichts entsagte, wie man am besten ein Volk beraubt, und was uns das alles kosten wird

In dem Märchen „Die unendliche Geschichte“ frisst das große Nichts nach und nach das Reich der Phantasie auf. Elfen und Zwerge und alle Fabelwesen, die dort wohnen, drohen in dieses grässliche Nichts zu stürzen. Anfang der 80er wurde die Geschichte aus der Feder des bekannten Kinderbuchautors Michael Ende entzückend verfilmt,  kam dann bald ins Fernsehen und damit auch in die DDR.

Dort konnte sie die junge Angela Merkel sehen, und ihr ist ein Licht aufgegangen. Bislang hatte sie der Physik geglaubt: Einen Raum mit „nichts“ drin gibt es nicht, die Natur duldet kein Vakuum, irgendwas ist überall. So die reine Lehre von der Leere. Ja von wegen: Da war es doch, das geleugnete Nichts!

Gut, bloß im Märchen eben. Aber was ist in der Politik denn bitteschön kein Märchen? Jahrzehnte später entwickelte die mittlerweile zur CDU-Chefin aufgestiegene Physikerin aus ihren revolutionären Eindrücken eine bahnbrechende Strategie, die sie „asymmetrische Demobilisierung“ taufte. Der Wissenschaftler-Kauderwelsch soll heißen: Wir lösen uns praktisch in nichts auf, indem wir uns ins Stockdustere verziehen und keinen Pieps machen. Dann kann uns der Feind nichts tun, weil er uns ja gar nicht mehr findet. Und weil er dann auch nur noch schlaff rumhängt, erlahmen seine Kräfte ganz von selbst.

Genial, was? Fast. Leider verloren sich nicht nur Grüne und Rote in Merkels großem Nichts, auch die Anhängerschaft der Union stürzte in die dunkle Leere und verlor sich dort von Umfrage zu Umfrage weiter. Am Schluss wurde es richtig gefährlich, denn während das bürgerliche Lager in der Finsternis dahinwelkte, schoss ein grünes Nachtschattengewächs bedrohlich ins Kraut.

Merkel hat das erkannt und wendet das Ruder um 180 Grad. Nun sucht sie das grelle Licht von Aussagen, die nach Klarheit und Kantezeigen klingen. Es liegt ein Hauch von Lagerwahlkampf in der Luft, auch wenn das derzeit noch ein wenig angestrengt wirkt. Die Wende geht vielen zu schnell: War Frau Merkel nicht eben noch unterwegs zur „modernen Großstadtpartei“ mit neuer Mitte und schwarz-grünen Experimenten? Ja sicher, das ist noch gar nicht so lange her! Und doch scheint es plötzlich ewig weit weg: Im schwarz-grünen Koalitionslabor Hamburg legt sich dicker Staub auf die Reagenzgläser des gescheiterten Experiments. Das hat man nun davon, dass man für die in Berlin den Vorreiter gespielt hat, grämen sich die Hanseaten. Bis zu den Steigbügeln, die Merkel so bereitwillig gehalten hatte, stecken Hamburgs Union und Grüne  im Morast, die Stiefel so klamm wie ihre Landesbank. Es geht weder vor noch zurück, dafür aber zuverlässig abwärts. 

Hat die CDU-Chefin Mitleid? Nein, das wäre ihr viel zu nölig in ihrer derzeitigen Kampfeslust. „Wir müssen nach vorne schauen!“ Klare Kante eben, kein Drumherumreden mehr, Schluss mit den gezirkelten Sätzen und dem klebrigen Geschmuse.

Die Griechen haben den Stilwechsel schon zu spüren bekommen. Als sie ihren Finger in die Luft hielten, um die neue Berliner Windrichtung auszumachen, wäre der ihnen fast abgebrochen vor Schreck: Ab 2013 sollen nicht mehr nur die (mehrheitlich deutschen) Steuerzahler für die Verluste der Banken bei Staatspleiten einspringen. Nein, die Banken sollen auch einen Teil des Risikos für ihre Gewinne tragen.

Klingt ganz logisch: Wer hohe Gewinne machen will, der trägt auch ein hohes Risiko. Offenbar war diese simple Regel aber schon in Vergessenheit geraten. Nur schemenhaft hatte die Kanzlerin den neuen Weg angedeutet, da setzten die Banken bereits zur Flucht an. Das trifft die Wackelländer von Irland bis Hellas an der empfindlichsten Stelle, weshalb sie sich lauthals beschweren. Egal: Für Angela Merkel war das ein toller Auftritt, denn bei ihren Deutschen steht sie nun da als Beschützerin der kleinen Steuerbürger vor gierigen Banken und schmierigen Zahlenfälschern.

Den Schub an Reputation hat sie allerdings auch nötig. Denn schon bald wird sie den Deutschen eine ganz andere Nachricht überbringen, die weit weniger Beifall finden wird: „Die Transferunion kommt“, pfeifen die Spatzen von den Brüsseler Dächern. Das bedeutet: Wir bekommen einen gemeinsamen europäischen Topf nach Vorbild des deutschen Länderfinanzausgleichs. Wer den füllen und wer ihn leeren wird,  den Topf, das braucht man den geübten Zahlmeistern zwischen Saßnitz und Sonthofen nicht extra zu sagen.

Es könnte also Ärger geben. Wie erklärt man den Leuten, dass die Rumpelpiste durch ihre Stadt leider nicht gemacht werden kann, weil die Bürgermeister-Gedächtnis-Magistrale durch irgendeine menschenleere Gegend am Mittelmeer Vorrang hat? Wie gewinnt man Verständnis dafür, dass die Deutschen (Jahresdurchschnitts-Einkommen: 30000 Euro) ihren armen irischen Brüdern (Jahresdurchschnitts-Einkommen: 34000 Euro) finanziell unter die Arme greifen müssen?

Kurz gefragt: Wie raubt man auf friedliche Weise ein Volk aus? Wir könnten aufs Bewährte zurück­greifen und den Deutschen erklären: „Zur Umsetzung der europäischen Transferunion gibt es keine Alternative!“ Gute Idee? Auf den ersten Blick vielleicht, auf den zweiten Blick schon nicht mehr, denn diesen Satz mit „keine Alternative“ haben die Deutschen mindestens einmal zu oft gehört. Irgendwann hat nämlich ein Frechdachs zurückgeblökt: „Wenn es keine Alternativen mehr gibt, dann brauchen wir auch keine Politiker mehr.“ Das ist leider wahr: Wenn die Richtung immerzu „alternativlos“, also automatisch vorgegeben ist, benötigen wir niemanden mehr, der „Richtungsentscheidungen“ fällt. Dann wären Politiker für unser Land so sinnvoll wie ein Heckruder an einem Schienenfahrzeug.

Diese Erkenntnis ist existenzgefährdend für Tausende gutverdienende Mitbürgerinnen und Mitbürger, weshalb sich kluge Politiker den „Keine-Alternative“-Satz mittlerweile lieber verkneifen

Welch böses Dilemma. Doch siehe da: Angela Merkel hat selbst hierfür eine Lösung gefunden. Wie bei der Entdeckung des „demobilisierenden“ Nichts ließ sie sich von einem zeitgenössischen Kinderbuchautoren inspirieren, diesmal von Otfried Preußler und der Methode seines Hotzenplotz: Geld her oder Leben!

Merkel hat hilfreiche Spießgesellen zur Seite. Der Überfall auf die Deutschen läuft als Zangenangriff: Auf der einen Seite schleichen sich die Gesellen an, Experten genannt. Sie scheuchen uns auf mit der Drohung, dass ohne Transferunion der ganze Euro auseinanderflöge, weil den schwachen Ländern ohne unsere Barschaft die Puste ausginge. Von der anderen Seite springt uns Angela Hotzenplotz an und hält uns das Schießeisen unter die Nase: „Es geht um die Friedensidee Europas“, sprich: Euro oder Krieg, Geld oder Leben.

Wer fingert da nicht sofort zitternd und keuchend nach seiner Brieftasche. „Nehmen Sie ruhig alles!“ Nach zwei verlorenen Weltkriegen kann man mit dieser Drohung von den Deutschen praktisch alles bekommen. Eine gewisse Ahnung davon, wie viel man uns abknöpfen wird, bekommen wir, wenn wir uns so ein paar malerische rumänische Dörfer vorstellen, die sie uns im Fernsehen zeigen. Und uns dann ausmalen, was es kosten wird, diese traurigen Nester auf deutsches Niveau rauf zu subventionieren.

Immerhin haben wir damit das Problem der „wirtschaftlichen Ungleichgewichte“ vom Tisch, unter denen Europa so sehr leidet. Die Deutschen können produzieren und exportieren, wie sie wollen, ihre Gewinne, die sie sich ja „auf Kosten ihrer konsumierenden europäischen Nachbarn“ erschlichen haben, werden anschließend „solidarisch umverteilt“. Mit anderen Worten: Die Versöhnung von Kapitalismus und Sozialismus wird doch noch gelingen: Wir werden ackern wie Kapitalisten und, am Ende aller solidarischen Abzüge, verdienen wie im Sozialismus.


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