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27.11.10 / Flucht vor Bundesadlers Krallen / Neue Oasen, neue Namen, alte Vermögen – Folgen der sich abzeichnenden Einigung mit der Schweiz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-10 vom 27. November 2010

Flucht vor Bundesadlers Krallen
Neue Oasen, neue Namen, alte Vermögen – Folgen der sich abzeichnenden Einigung mit der Schweiz

Allein in diesem Jahr haben Anleger rund 45 Milliarden Euro von der Schweiz nach Asien transferiert. Auf der Flucht vor Steuern wähnen sich Millionäre nun hier in Sicherheit vor dem Fiskus ihrer Heimatländer.

Trevor Wayne Stevenson zeigt in seinem Büro im National Provident Fund Building im samoanischen Apia auf die lange Aktenwand hinter sich: „Ich denke, dass ich so um die 1000 Kunden habe, natürlich auch aus Deutschland.“ 

Mehr würde er nicht sagen, denn er ist Treuhänder für diese sogenannten Offshore-Companies und Trusts, Versicherungsgesellschaften und Offshore-Banken, die in dem zentralpazifischen Inselreich ihren nominellen Sitz genommen haben. Der Rechtsanwalt, der auch in Tonga und seinem Mutterland Neuseeland engagiert ist, betreibt das Geschäft mit der staatlich ga-rantierten Diskretion seit Jahrzehnten und betätigt sich auch als Unternehmer. Denn Samoa verfügt über das wohl ausgeklügelste Off-Shore-Gesetz für Steuerfluchtmillionen. Es wurde in den 80er Jahren unter Mitwirkung von Stanley Uran von der Weltbank geschaffen und verzichtet ganz auf sogenannte Strohmänner. Der Gründer bleibt zu 100 Prozent Eigner, natürlich anonym.

Trotz der Jagd europäischer Finanzminister auf Steuerflüchtlinge, voran die deutschen Behörden, braucht sich Stevenson um Kundschaft nicht zu sorgen. Und ähnlich ergeht es anderen Zielen in Asien, wie etwa Hongkong und Singapur oder Labuan im malayischen Archipel, wo die Dresdner Bank und die Deutsche Bank neben der Schweizer UBS seit langem eine Niederlassung betreiben. Asien hat sich zum neuen Magneten für alle jene entwickelt, die ihr Geld vor einem nach ihrer Ansicht allzu gierigen Fiskus retten wollen. Und sie können sich der Hilfe einschlägiger Banken sicher sein. Ein ganzes Heer von erfindungsbegabten Beratern weltweit lässt sich so leicht das Milliardengeschäft mit dem Schwarzgeld nicht aus der Hand winden. Seit traditionelle Schwarzgeldparks wie Luxemburg, Liechtenstein, Monaco, Österreich und die Schweiz durch geklaute und der deutschen Steuerfahndung zugespielte Datensätze nicht mehr sicher erscheinen, haben sich zwei Szenarien herausgebildet. Zum einen nahm (wegen Strafbefreiung) die Zahl der Selbstanzeigen zu, zum anderen haben aber die gewieftesten Kandidaten längst andere Schlupflöcher vor den Krallen des Bundesadlers für sich aufgedeckt.

Bei allen Hinterziehungsfällen gelten Verjährungsfristen: fünf Jahre für die strafrechtliche, zehn Jahre für die steuerrechtliche Verfolgung. Viele der etwa in die Schweiz verbrachten Vermögen stammen noch aus den 1950er und 1960er Jahren, wie etwa jenes des Textilindustriellen Fidel Götz (ehemals „Charmor“), der fast den gesamten Erlös aus dem Verkauf seines Firmenimperiums nach Vaduz schleuste. Auch die Horten-Milliarden, die schließlich zur sogenannten Lex Horten (Versteuerung der Verkaufserlöse in Deutschland) führten, gelangten steuerfrei ins Tessin, wo auch die Witwe Vietor des verstorbenen Chefs der gewerkschaftseigenen Baugesellschaft „Neue Heimat“ aus Hamburg an die 300 Millionen zu verwalten hatte.

Allein aus der Eidgenossenschaft machten sich 2010 rund 45,6 Milliarden Euro auf den Weg über den Ozean. Insgesamt sollen in den eidgenössischen Geldburgen aus der Europäischen Union an die 500 Milliarden Euro geparkt sein, davon aus der Bundesrepublik nach neueren Studien der schweizerischen Broker Helvea 193,4 Milliarden. Nur 20 Prozent dieser Summen sind in den Heimatländern versteuert, manchmal wie im Fall Italien noch weniger. Die Deutsche Steuergewerkschaft gar beziffert die Summe der jährlichen Steuerhinterziehungen für Deutschland auf 30 Milliarden Euro. Nach Schätzungen sind rund 35 Prozent des gesamten Weltvermögens in Oasen angelegt und das ist mehr als das gesamte Bruttosozialprodukt aller EU-Länder.

Seit Jahren bemüht sich auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) um eine Austrocknung der Oasen und operiert mit einer Schwarzen Liste nicht kooperationsbereiter Staaten. Immerhin reduzierte sich diese von 35 auf 19 Länder. Auch die Schweiz unterzeichnete ein entsprechendes Abkommen. Bis zum Jahresende sollen zudem die Verträge mit Deutschland stehen, wonach eine sogenannte 35-prozentige Abgeltungssteuer auf alle sogenannten „unversteuerten Kapitalanlagen deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz“ fällig wird. Ferner soll Amtshilfe bei Steuerhinterziehung gewährleistet werden. Auch mit Liechtenstein dürfte bis Jahresende ein Abkommen ausgehandelt sein. Der deutsche Fiskus jedenfalls rechnet mit Milliardenbeträgen, die in seine Kassen fließen.

Gemäß dem Naturgesetz, dass es Oasen nur in Wüsten gibt, dürfte damit aber das Problem nicht gelöst sein. Zahlreiche Wirtschaftsmagnaten und gut verdienende Mittelständler finden ihre Motivation für die Verkürzung von Abgaben nach wie vor in den ständig mehr ausufernden Staatsausgaben und einem auf Selbstbedienung fokussierten Politiker- und Beamtenheer auch in Brüssel, dem längst nicht mehr beizukommen sei, und verschieben derzeit ihre am Fiskus vorbei erzielten Gewinne ins ferne Asien. Denn mit Hongkong besteht kein entsprechendes Doppelbesteuerungsabkommen, mit dem Stadtstadt Singapur kommt die Amtshilfe nicht wie gewünscht in Gang. Und es wird auch da Jahre dauern, bis entsprechende Abkommen geschlossen werden oder Druck ausgeübt werden kann. Joachim Feyerabend


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