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27.11.10 / Warum Alice Schwarzer wütend wurde

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-10 vom 27. November 2010

Moment mal!
Warum Alice Schwarzer wütend wurde
von Klaus Rainer Röhl

Es war einmal ein Mädchen. Die hatte manchmal ein etwas verkniffenes Lächeln um den Mund und mochte Männer nie besonders gern. Erste Erfahrungen mit ihnen fand sie nach persönlichem Bekunden eher unangenehm. Sie wollte Journalistin werden, hatte aber nicht auf Anhieb Erfolg. Da ging sie für eine Zeit nach Paris, um sich dort umzutun und ein bisschen zu studieren. Während ihrer Studentenzeit tobte gerade der Kampf der 68er gegen das Establishment, die Ausbeutung und den US-Imperialismus. Sie kam ein wenig zu spät, um in der Studentenbewegung noch eine Rolle zu spielen. Da hatte sie die Idee ihres Lebens: Sie gründete, nach dem Vorbild der USA, die erste deutsche Frauenbewegung der Nachkriegszeit und bekämpfte fortan nicht so sehr die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, sondern die Ausbeutung der Frau durch den Mann. Feministinnen nannten sich die ersten Kämpferinnen seitdem oder Bewegungsfrauen, und ihre Bewegung erwies sich als zählebiger und erfolgreicher als selbst die 68er. Die Studentin, die einst mit schriller Stimme und wilden Aktionen die Männer erschrecken wollte, ist heute, wie früher Inge Meysel, das Muttchen der Nation. Sie sitzt in der Jury von Schlagerfestivals, sucht zusammen mit Dieter Bohlen den Superstar oder die größten Deutschen, macht mal bei Ratespielen mit und beim „Aufstand der Anständigen“ und in diesem Jahr wurde sie sogar „Bild“-Reporterin. Das war wohl die Krönung.

Wenn ich hier den Lebenslauf von Alice Schwarzer stark verkürze, so doch nicht unzulässig. Und darauf kommt es mir an. Die ehemals radikale Kritikerin der männerbeherrschten Gesellschaft, die mit ihrer Aktion „Ich habe abgetrieben“ den deutschen Frauen endgültig etwa noch bestehende Bedenken bei der Tötung ungeborener Kinder ein für allemal austrieb, ist nicht nur die milde Mathilde, als die sie sich den Fernseh-Zuschauern von heute darstellt. Sie ist auch das, was die Amerikaner „tough“ nennen, hart im Nehmen. Eine Niederlage oder ein Flop werfen sie nicht gleich um. Als sie sich, schlecht beraten, auf ein Streitgespräch mit der scheinbar nur schön anzusehenden Traumfrau Verona Poth, auf eine stundenlange Fernsehdiskussion – mit Nahaufnahmen von bis zu 20 Zentimeter Entfernung – einließ, in der Meinung, diese Verona sei zwar jung und schön, aber ungebildet und würde sich im Laufe der Sendung als dümmliches Püppchen entlarven, und sich dann herausstellte, dass diese überraschend klug und redegewandt war und am Ende als haushohe Punktsiegerin aus dem Ring ging, gab Alice immer noch nicht auf und ließ sich ein Jahr später mit der Traumfrau auf Riesenplakaten ablichten – gegen den Rassismus: Verona hat eine südamerikanische Mutter. Da hatte Alice wieder die Kurve gekriegt und zog nun in alle Talkshows, Gremien und Jurys ein.

Seit sie aber „Bild“-Reporterin geworden ist und jede Woche in Konkurrenz mit den verhassten, halbnackten „Mädchen von Seite 1“ um die Lesergunst buhlen muss, dreht sie durch. Letzte Woche legte sie sich mit der Frauen- und Familienministerin Kristina Schröder (33) an, die sie völlig unmotiviert und weit unter der Gürtellinie der Vernunft angriff. Die Ministerin verbreite Stammtischparolen, sei für ihr Amt ungeeignet, ein „hoffnungsloser Fall“ und sie empfehle ihr, „Pressesprecherin bei rechtskonservativen Männerbünden“ zu werden. Keiner verstand den Wutausbruch gleich auf Anhieb. So musste sie sich nun vom „Spiegel“ sagen lassen, sie sei eine „gekränkte Frau“. Am meisten hat die junge, attraktive, frisch verheiratete Ministerin Frau Schwarzer wohl gekränkt, indem sie erklärte, sie hätte einige ihrer Bücher gelesen, aber einiges gefalle ihr nicht, zum Beispiel dass „heterosexueller Geschlechtsverkehr kaum möglich sei, ohne die Unterwerfung der Frau“ und dass Homosexualität die Lösung der Benachteiligung der Frau sein soll, „sei nun wirklich nicht überzeugend“. Sofort giftete Alice Schwarzer in „Bild“ zurück: „Wie können Sie es wagen, Frau Ministerin, so billige Klischees über die folgenschwerste soziale Bewegung des 20. Jahrhunderts zu verbreiten?“ Wie können Sie es wagen. Ja, wie konnte die junge Ministerin der Ikone des Feminismus die schuldige Ehrerbietung verweigern?

Was hat die Frauenrechtlerin nun wirklich erreicht? Alice Schwarzer hat die berufliche Gleichberechtigung der Frau in Deutschland vorangetrieben und Tausende sogenannte Frauenbeauftragte beziehungsweise „Genderbeauftragte“ in Lohn und Brot gesetzt. Gleichberechtigung ist kein Partygespräch mehr. Wäre das ohne sie auch gekommen? Die Entwicklung in den USA und in Europa beweist es. Dort ist Alice Schwarzer weitgehend unbekannt.

Doch hinter der schönen Landschaft der Gleichberechtigung tut sich ein neues, ganz anderes Land auf, von dem Alice Schwarzer nur geträumt hat und wohin sie ihre Schwestern gern geführt hätte: das Land der Amazonen. Den männerhassenden, notfalls auch mal männermordenden Ahnfrauen der Vorgeschichte. Amazonenmacht aber, das hieß nicht Gleichberechtigung, das hieß Vormacht. Übermacht. Und die treiben andere voran, die nicht so eitel und ich-bezogen wie Alice sind und ihren Namen nicht so gern gedruckt sehen. Sie wirken lieber im stillen und drohen auch nicht mit dem lächerlichen Männer bedrohenden Hackebeilchen, das als skythische oder eben amazonische Doppelaxt durch die frühen feministischen Phantasien geisterte und auch als Silberschmuck um den Hals getragen wurde, alternierend zu der ebenfalls anzüglichen Rasierklinge. Vorbei, verweht, vergessen. Die Anhängerinnen der Frauen-Vormacht begannen auch den Langen Marsch, überall auf der Welt. Das hatte wenig mit Alice zu tun. 1985 tauchten sie auf. In Nairobi. Auf der dritten Weltfrauen-Konferenz der Vereinten Nationen. Dort wird erstmals eine neue Strategie vorgestellt mit dem Namen Gender Mainstreaming. Der Begriff kam so sang- und klanglos daher, dass niemand davon Notiz nahm, obwohl jeder Mann und jede Frau gemeint war. Gender Mainstreaming, soll die bestehenden Diskriminierungen von Frauen aufheben, auch die von Männern! Was in der Praxis bedeutet, dass Männer – endlich – auch Frisösen werden können oder Hebammen, dass aber Frauen da, wo es wirklich um die Wurst geht, um Hunderttausende Arbeitsplätze bei Behörden, Universitäten, Bibliotheken und Schulen, bei Beförderungen und Einstellungen bevorzugt werden, soweit es machbar ist. Da ist Willkür nicht auszuschließen. Immer wieder wird von den Gender-Beauftragten die Notwendigkeit der Kontrollen betont. Die Gleichstellungs-Stellen sind inzwischen so etwas geworden wie der Wohlfahrts-Ausschuss in der Französischen Revolution. Sie arbeiten ohne Guillotine. Es geht auch anders. Im Alltag ist Gender Mainstreaming eine Vorgabe für Frauen-Vormacht. Der uralte Menschheits-traum von der Überlegenheit des einen über das andere Geschlecht, für den angeblich schon die Amazonen kämpften.

Übertreibe ich? Dann achten Sie mal auf die nächste Personalentscheidung in Ihrer Gemeinde, in der Schule Ihrer Kinder, in der Behörde. Gender Mainstreaming ist auf lange Sicht angelegt. Wenn Alice Schwarzer und Angela Merkel längst den langen Marsch in den Ruhestand angetreten haben, braust der Amazonen-Mainstream erst richtig los. Ähbahmung!

Röhl schrieb das erste Buch über Alice Schwarzer: „Lustobjekt – Ein kleiner Irrtum und seine fatalen Folgen“, Wien 1980 sowie „Aufstand der Amazonen – Geschichte einer Legende“, Düsseldorf 1982. Beide nur noch erhältlich bei – Amazon(!).


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