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27.11.10 / Eigentumsstreit / Überraschende Demos in Königsberg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-10 vom 27. November 2010

Eigentumsstreit
Überraschende Demos in Königsberg

Zwei Wochenenden in Folge versammelten sich Gegner der Kirchenübereignungen zu Protesten in Königsberg. Damit hatte die Königsberger Diözese der Russisch Orthodoxen Kirche (ROK) offensichtlich nicht gerechnet. Vater Michail, Leiter der Presseabteilung der Königsberger Diözese, wand sich, indem er auf das Recht der freien Meinungsäußerung hinwies. Die Menschen würden die Position der Kirche verstehen, wenn sie erst begriffen hätten, dass sie nichts Schlechtes bedeute.

Auf die Kritik des katholischen Bischofs Pezzi reagierten Vertreter der Diözese hingegen verärgert: „Wir müssen daran erinnern, dass die ethnische und religiöse Zusammensetzung der Region sich sehr verändert hat gegenüber der Situation vor 60 Jahren. Heute betrachtet sich der größte Teil der ansässigen Bevölkerung als orthodox ...“.

Dabei erachtet sich in Wirklichkeit ein Großteil der Bevölkerung der Königsberger Exklave als keiner Religionsgemeinschaft zugehörig. Zwar gibt es kaum Statistiken über die Verteilung der Religionszugehörigkeit in Russland. Laut einer Umfrage von 2007 jedoch gehörten 51 Prozent der Bevölkerung Russlands der Orthodoxen Kirche an, 30 Prozent waren Atheisten, elf Prozent glaubten an übernatürliche Kräfte, sieben Prozent waren Muslime und nur ein Prozent waren Katholiken, Protestanten und sonstige. Zahlen über das nördliche Ostpreußen sind noch rarer, sicher ist jedoch, dass der Anteil der orthodoxen Gläubigen dort wesentlich geringer ist als der in Gesamt-Russland.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Entscheidung für die Kirchenübereignungen an die ROK im Gebiet politisch gewollt ist. Davon zeugt auch die Begründung des Moskauer Erzdiakons Andrej Kurajew, der als Professor an der Moskauer Geistlichen Akademie lehrt. Demnach müssen die ehemaligen Kirchengebäude im Königsberger Gebiet der ROK noch vor Inkrafttreten des Gesetzes übereignet werden, damit etwaigen Ansprüchen der Gläubigen in Deutschland vorgebeugt werden kann. Da es im Gesetz um die

Rückgabe enteigneter Immobilien bis 1917 geht, trifft es genau genommen für ostpreußische Objekte gar nicht zu. Der Geistliche befürchtet aber, das die ehemaligen Besitzer – und nicht nur die religiösen Gemeinden – Anspruch auf Vermögen in der Region erheben könnten, die nach dem Zweiten Weltkrieg in den Besitz der UdSSR gelangten. „Aus rechtlicher Sicht und dazu auch im Angesicht der europäischen Gerichtshöfe würde es Russland schwer fallen, eine Ausnahme für die (russischen) religiösen Gemeinden und die gleichzeitige Benachteiligung der übrigen Anspruchsteller zu rechtfertigen.“ Diese Darstellung legt nahe, dass der Kreml deshalb die Kirchenübereignungen an die ROK befürwortet und sich auf eine Korrektur des Gesetzes unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Königsberger Gebiets nicht einlassen wollte, weil er Klagen enteigneter Vertriebener fürchtet. M. Rosenthal-Kappi


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