28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
04.12.10 / Von Anfang an anders / Die Aleviten gingen bereits nach Mohammeds Tod eigene Wege

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-10 vom 04. Dezember 2010

Von Anfang an anders
Die Aleviten gingen bereits nach Mohammeds Tod eigene Wege

Die Entstehung des Alevitentums geht auf die Zeit nach dem Tod des Propheten Mohammed im Jahr 632 zurück. Dieser soll seinen Schwiegersohn und Vetter Ali zu seinem Nachfolger und ersten religiösen Führer bestimmt haben. Allerdings hielten sich die damaligen Machthaber nicht an diese Erbfolge und erhoben einen eigenen Kandidaten zum Kalifen. Dies kann als Geburtsstunde des politischen Islam betrachtet werden.

Die Missachtung des letzten Willens des Propheten führte zur Spaltung von Schiiten und Aleviten, was so viel wie Anhänger Alis bedeutet. Der wurde aber nach dem Tod von drei Kalifen im Jahre 656 doch noch selbst Kalif und religiöser Führer, bis ein Widersacher ihn im Januar 661 erstach.

Seine Anhänger, die sich bereits von den aus ihrem Verständnis unrechtmäßigen Vorgängern Alis abgewandt hatten, sahen sich nun der Verfolgung durch die mehrheitlich sunnitischen Stämme ausgesetzt, was wohl auf die Akzeptanz und die Verehrung der irdischen Nachfolger des Propheten zurückzuführen ist. Diese zwölf Imame sind den Aleviten sehr wichtig. Sie belegen ihre Liebe an die Imame in ihren Gebeten. Die Aleviten glauben daran, dass der 12. Imam, Imam Mehdi, eines Tages erscheint und die Erlösung bringen wird. Während sich in der schiitischen Glaubensrichtung die Verehrung auf Ali als Gefolgsmann des Propheten beschränkt und auch die Scharia als einzig gültige Gesetzgebung angesehen wird, halten Aleviten an der Erbfolge innerhalb der Prophetenfamilie fest und lehnen Scharia wie auch die fünf Säulen des Islam ab.

Das heutige Alevitentum ist zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert entstanden und hat eine Entwicklungsgeschichte mit verändertem Islamverständnis. Zu dieser Entwicklung haben verschiedene alevitische Mystiker wie Mevlana und Hadschi Bektasch Wali beigetragen Die Lehren und das Glaubensverständnis basieren auf Humanismus, Toleranz und Gleichberechtigung. „Das wichtigste Buch zum Lesen ist der Mensch“, so eine Überlieferung des Mystikers Hadschi Bektasch Wali. Aleviten erkennen Koran und Bibel an, haben aber auch eigene heilige Schriften. Sie beten nicht in der Moschee, sondern versammeln sich in einem Cem-Haus zu Rezitation, Gebet, Musik und Tanz.

Die Verfolgung von Aleviten setzte sich über Jahrhunderte bis in die heutige Zeit fort. Jüngste Beispiele dafür sind die Massaker in der Türkei von Corum und Maras im Jahre 1978 und 1980, das Pogrom in Sivas am 3. Juli 1993, bei dem 37 alevitische Sänger und Dichter im Hotel Madimak verbrannten. Eine Entschuldigung oder auch nur Stellungnahme türkischer Regierungen hat es bis heute nicht gegeben. Der ehemalige Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde Deutschland formulierte es im „Spiegel“ so: „Da, wo früher das Madimak-Hotel stand, das beim ,Sivas-Massaker‘ abgebrannt ist, ist heute ein Kebab-Restaurant. Verstehen Sie, sie essen dort Fleisch, wo unsere Brüder verbrannt sind.“ M.A.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren